CDs KlassikKompass
Andreas Martin Hofmeir

So ist das mit den Dicken – sie werden gern unterschätzt, und dann wundert man sich. Zum Beispiel über das Klangspektrum, das Andreas Martin Hofmeir seiner Tuba entlockt. Ganz entgegen dem Humpta-Image entlockt er dem glänzenden Fünfeinhalb-Meter-Blechrohr einen angenehmen, fast verträumten Ton. Eine Mischung aus dem Verführerischen eines tiefen Saxophons, dem Sonoren der Posaune und dem weichen Timbre des Horns.

Sehr gut zu hören ist das auf seiner dritten Tuba-CD, der ersten bei einem Major Label, eingespielt mit den Münchner Philharmonikern unter Andrew Manze. Wissen hätte man’s können. Schon viele Jahre stellt Hofmeir – ein quirliges Multitalent aus Bayern – das Instrument, zu dem er eher zufällig gekommen ist und das er seit 2006 am Salzburger Mozarteum als Tuba-Professor unterrichtet, in den unterschiedlichsten Klang-Kombinationen vor. Im Blas-Musik-Rock-Bereich, wo er seit 2007 mit der Formation LaBrassBanda zu den Abräumern der Szene gehört hat. Mit ihnen wäre er 2013 beinah zum Eurovision Song Contest nach Malmö gefahren. Oder er musiziert in einem Kammermusik-Duo mit der ungewöhnlichen Besetzung Harfe und Tuba – „zwei Außenseiter tun sich zusammen, des passt scho.“
In mehr als 30 Symphonieorchester hat er gespielt – aber die Herausforderungen für eine Tuba sind dort eher überschaubar. Da ist es schon ein Festtag, wenn bei Berlioz’ „Symphonie fantastique“ oder Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ überhaupt mal zwei Tuba-Spieler aufeinandertreffen.

Orchester ist seit 2008 für ihn passé, für LaBrassBanda fehlt inzwischen auch die Zeit. Denn seit sich Hofmeir vorgenommen hat, die Tuba aus ihrem Dornröschenschlaf zu küssen, verzeichnet er erheblich gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit. Schuld daran ist bestimmt auch der Echo-Klassik, den er 2013 als „Instrumentalist des Jahres“ für sein erstes Soloalbum „Uraufnahmen“ entgegen nehmen konnte. Von der CD waren gerade mal 137 Stück verkauft, „also muss es wohl eher an der Qualität gelegen haben.“

Hofmeir - on the wayDer kleine Junge von einst, der im Schulbus immer hinten saß und der in der Blaskapelle am liebsten die große Trommel schlagen wollte, ist heute passionierter Tuba-Solist: „Eine Tuba kann locker über ein volles Orchester hinwegspielen, eignet sich also prima als Soloinstrument. Im Endeffekt ist die Tuba eines der besten Soloinstrumente überhaupt, sie hat den weichsten Klang aller Blasinstrumente, man wird danach süchtig. Viele Leut’ könnten sich ihre Klangschalentherapien sparen, wenn sie Tuba lernten. Man kann sogar sehr gut schlafen, wenn jemand Tuba übt.“

Es gibt nur ein kleines Problem: „Wir haben leider kein Tuba-Konzert von Mozart oder Beethoven. Wir haben keine Gassenhauer.“ Das liegt daran, dass die Tuba erst 1835 erfunden wurde und dann erst mal als Bassinstrument im Orchester unauffällig blieb. Die Pflege und den Aufbau eines herausfordernden Repertoires für Tuba als konzertantes Soloinstrument und gleichberechtigtem Partner in der Kammermusik nimmt Hofmeir deshalb selbst in die Hand, vergibt Kompositionsaufträge, führt die neuen Werke auf.

So wie auf „On the way“, wo zwei Werke von Jörg Duda zu hören sind, der als Kirchenmusiker in Hofmeirs Heimatort Geisenfeld in der Hallertau arbeitet und fast schon sein Hauskomponist geworden ist. Hier zu hören mit einem Tuba-Konzert und mit „Matkalla“, was auf Finnisch „on the way“ heißt. Perfekt auf die Tuba zugeschnitten, hier kann sie zeigen, was in ihr steckt. Aberwitzig schnelle Läufe, verspielte Träumereien, dramatisch Abstiege ins ganz tiefe Register, sie harmoniert großartig mit den anderen Orchesterinstrumenten und kann sich mühelos als Solostimme durchsetzen. Duda bettet das ein in spätromantische Klangwelten, die manchmal an Richard Strauss erinnert, manchmal auch wieder an Filmmusik, großes Klangkino eben und Musik, die glücklich macht.

Apropos Kino: Der Filmkomponist John Willams ist ebenfalls zu hören auf „On the way“ – mit einem Tuba-Konzert, geschrieben 1984, das um einiges moderner daher kommt. Es verlangt Hofmeir schon im Allegro moderato höllisch schnelle Läufe ab, geht im Andante auch eine sehr emotionale, atmosphärische Klangreise und endet mit einem äußerst munteren, mit etlichen Strawinsky-Anklängen gewürzten Allegro molto. Und man fragt sich, warum man so lange auf einen Tuba-Spieler warten musste, der diese Sachen ins wohlverdiente Rampenlicht stellt.
Rausschmeißer auf der CD ist „Very Good Morning“ von Roland Szentpali – eine orchestral instrumentierte Reminiszenz an die andere Seite von Hofmeir, der gern auch Jazz und Rock spielt.

Kabarett ist eine weitere Leidenschaft von Hofmeir, die er sich seit dem Studium bewahrt hat. Mit den Münchner Philharmonikern, dem Orchester auf seiner CD, hat er übrigens auch einen kabarettistischen Theaterabend für und über das Orchester geschrieben und aufgeführt.
In diesem Jahr absolviert er neben seiner internationalen Lehrtätigkeit, mehr als 100 Auftritte. Dabei sind, so wie am 2. Oktober in Hamburg, auch musikalisch-kabarettistische Lesungen, ein wunderbar trocken-humoriges Programm mit wahren und abgefahrenen Geschichten aus seinem Leben als weltreisender Weltklasse-Tubist – darin gibt’s brasilianischen Duo-Jazz in der Kombination Tuba (Hofmeir) und E-Gitarre (Guto Brinholi). Die Idee dazu ist ihm auf der Welt-Tuba-Konferenz in Riva del Garda. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival waren seine beiden Auftritte, erzählt er, die schnellstverkauften nach Elton John. Es ist so inzwischen erfolgreich, dass er bereits an einem zweiten Teil schreibt.


Andreas Martin Hofmeir: On the way. CD
Sony Classical
Bestellnummer: 8884 3047 082

Andreas Martin Hofmeir: „Kein Aufwand“. kabarettistisch-musikalische Lesung.
Geplant für Donnerstag, 2.10., Laeiszhalle Hamburg,
KONZERT entfällt. Wird vorraussichtlic im Januar  2015 stattinden.


Hörbeispiele aus „On the way“
Videos:
Hofmeir (Tuba) und Guto Brinholi (E-Gitarre)
Mit der Tuba im Flugzeug – Hofmeir liest


Abbildungsnachweis:
Headerfoto: Philippe Gerlach
CD-Cover

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