Sefarad hören - eine jüdische Zeitreise
- Geschrieben von Claus Friede -
Die CD-Betitelung bringt es auf den Punkt – eine Reise in eine vergangene Zeit, in eine längst vergangene Welt, deren Nachwehen hier und da bis heute spürbar sind und deren Kultur sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Beliebtheit erfreuen darf. Die Rede ist von der sephardischen Kultur, die ihren Ursprung auf der iberischen Halbinsel hat. „Zarfad“ ist das hebräische Wort für Spanien und so ist die Herleitung zu den Sephardim, für die in Spanien und Portugal lebenden Juden, (nach einer der vielen Vertreibungen aus Jerusalem dort hingelangt) schnell nachvollziehbar.
Vom ersten Jahrhundert bis zu ihrer Vertreibung, der Reconquista anno 1492, dann aus Spanien (Kastillien und Aragón) und einige Jahre später auch aus Portugal, entstand nicht nur eine eigene Sprache das „Ladino“ oder „Judenspanisch“, sondern auch eine reiche Kultur, insbesondere der Musik, der Literatur und der jüdischen talmudischen Wissenschaft. Wie fruchtbar die Zusammenarbeit der muslimischen, christlichen und jüdischen Religion und Kultur in verschiedenen Perioden des Mittelalters und der Zeit der Mauren in Spanien war, dürfte zwar mittlerweile bekannt sein, die Feinheiten aber sind es nicht und die schnellen Wechsel von vertrauensvoller Zusammenarbeit und rigoroser gegenseitiger Ablehnung auch nicht.
Der preisgekrönte Silberfuchsverlag, der bereits viele „Hören“-CDs veröffentlichte und meistens sich Ländern und Nationen widmet, brachte in seiner Wissensedition auch „Sinti und Roma Hören“ heraus. Am 14. September kommt nun der 80 minütige Ritt durch die sephardische Geschichte auf den Markt. Das Datum ist nicht von ungefähr gewählt, an diesem Tag jährt sich zum 15. Mal der „Europäische Tag der jüdischen Kultur“ mit dem diesjährigen Schwerpunktthema „Frauen im Judentum.
Punktuell belichtet „Sefarad Hören - eine jüdische Zeitreise“ Epochen, Orte, Menschen und Ereignisse, zitiert aus musikalischen (u.a. Georges Moustaki), literarischen (Jehuda Ha-Levi, Avram Ibn Esra, Elias Canetti, Mario Levi) und geistlichen Werken (Moses Maimonides, Baruch de Spinoza), widmet sich jüdisch-sephardischen Riten und der Sprache. Das Hörbuch-artige Album bietet einen guten Einblick in die knapp zweitausendjährige Geschichte der Sephardim. Wer aber mehr wissen will und auf den Geschmack gekommen ist, findet mittlerweile viel weitergehende Literatur zum Thema.
Anne Moll, deutsche Schauspielerin, Hörspiel- und Synchronsprecherin geleitet die Hörer in zwanzig Kapiteln durch die verschiedenen Jahrhunderte, unterbrochen und ergänzt von gut vierzig musikalischen und klanglichen Beispielen. Beginnend mit dem „Traum von Zion“ und den biblischen Wurzeln der Sefarad zum „Kalifat von Córdoba“ zur „Zwangstaufe, Flucht und Tod: Das Ausweisungsedikt von 1492“ bis zu den neuen Orten, in denen sephardischen Juden kurz oder länger ihre Heimat fanden: Saloniki, Amsterdam, Hamburg und Übersee. Das Grauen der Shoah im 20 Jahrhundert wird mit dem Sich-Neu-Erfinden der Sephardim im 21. Jahrhundert abgeschlossen. Impulse aus Istanbul, Paris und Buenos Aires lassen das kulturelle Erbe leben.
Bis auf ein paar kleine Unsauberkeiten in der korrekten Aussprache hebräischer und sephardischer Begriffe und einem sichtbaren Fehler – die hebräischen Buchstaben des Begriffs „Sefarad“ sind auf dem Cover des Booklets leider spiegelverkehrt gedruckt – ist die CD eine gute Einführung in eine im Detail größtenteils noch immer unbekannte Welt. Es ist wieder einmal mehr als verdienstvoll, dass der Silberfuchsverlag mit den Macherinnen Antje Hinz und Corinna Hesse sich diesem Randthema widmet.
Beratend und unterstützend wirkten das „Sefarad-Israel-Zentrum“ in Madrid sowie Michael Studemund-Halévy und Anna Menny vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg mit.
Sefarad hören: Eine jüdische Zeitreise
Jüdisch-sephardische Musik. Sprecherin: Anne Moll. Buch und Regie: Antje Hinz
Silberfuchs-Verlag
ISBN: 978-3-940665-32-4
Hörbuch-CD-Trailer: Eine jüdische Zeitreise (plus Interview mit Anne Moll).
Hörproben auf www.silberfuchs-verlag.de
Empfehlung: Die Kollegen vom Deutschlandradio und Deutschlandfunk haben von Freitag, 8. November auf Samstag, 9. November auf Sonntag, 10. November eine Lange Nacht produziert zum Thema „Spanier ohne Vaterland" - sephardisch-iberische Juden und ihre Nachfahren.
Abbildungsnachweis:
Header: Eugène Ferdinand Victor Delacroix; „Jüdische Hochzeit in Marokko“, 1839, Öl auf Leinwand, 104×140 cm, Musée du Louvre Paris
CD-Cover
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