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Das Quartett des Kölner Posaunisten und Komponisten Janning Trumann gehört längst zu den unverrückbaren Größen des deutschen Jazz-Lebens.

Der umtriebige Bandleader ist vor allem für die einzigartige Eleganz und Tiefgründigkeit seines Tons bekannt, die von Lucas Leidinger (Pianist und Keyboarder,) Florian Herzog (Bassist) und Drummer Tobias Sauerborn kongenial umspielt und unterlegt werden.

 

Trumann denkt das Kollektiv, und das Kollektiv spielt Trumann. Und jetzt das! Auf dem neuen Album „Echo“ erweitert Janning Trumann seine Band um den New Yorker Gitarristen Brandon Seabrook, der das absolute Gegenteil von allem in sich zu vereinen scheint, wofür Trumann bisher mit seiner Musik stand und steht.

 

Brandon Seabrook ist ein typisches Kind der Musikszene von Brooklyn. Er ist aufmüpfig, spröde, irrwitzig und findet seine ureigenen Scharniere zwischen tausend Existenzformen von Tradition und Avantgarde. In Bands wie Mostly Othe People Do The Killing oder den Jazz Passengers konnte er sich international einen Namen machen und war auch an verschiedenen Rock- und Folk-Produktionen wie Anaïs Mitchells „Hadestown“ beteiligt. Aber auch mit seinen eigenen Projekten sorgt er immer wieder für Aufsehen. So legte er 2014 auf seiner Platte „Sylphid Vitalizers“ bis zu 13 Banjos übereinander, um mit ihnen fernab jeder Country-Romantik eine Art ausgeticktes Hyperbanjo zu kreieren. Brandon Seabrook schwimmt immer so lange mit Vollpower gegen den Strom, bis der Strom sich dreht und mit ihm schwimmt. Und ausgerechnet dieser pathologische Nonknformist wird jetzt musikalischer Partner von Janning Trumann, dem Meister der musikalischen Verbindlichkeit? Warum?

 

Janning Trumann 4 Echo COVERDie Antwort ist denkbar einfach: Aus eben all den genannten Gründen. Trumann und seine Band haben längst ihren unverkennbaren Fingerabdruck hinterlassen. Sie wissen, was das Publikum von ihnen zu Recht erwarten kann. Aber wollen sie diese Erwartung bis ans Ende ihrer Tage bedienen? Auf „Echo“ stellt Trumann ein unüberhörbares NEIN in den Raum. Schon vom ersten Ton an wird deutlich, dass die Musik des Janning Trumann Quartetts durch Brandon Seabrook um Ecken, Kanten und Bruchstellen bereichert wird, der Sound spitzer und ruppiger rüberkommt, innere Gegensätze stärker herausgearbeitet werden und sich die Klangpalette um einige schrille Farbtöne erweitert.

 

Janning Trumann wagt sich weit aus der eigenen Komfortzone heraus, und genau das ist mit der Einladung seines komplementären Gasts beabsichtigt. Dabei kommt diese Kollaboration nicht aus heiterem Himmel, denn während Trumanns Zeit in New York haben sich die beiden Vollblut-Musikanten bereits kennen und schätzen gelernt. „Ich liebe ja auch dieses intuitive und eruptive Spiel, das Brandon oft scheinbar aus dem Nichts kommend beherrscht“, schwärmt Trumann. „Wenn er seine Sachen einfach in einen Kontext reinschreddert, ist das genau der Effekt, den ich gesucht habe. Ich wollte das Denken des Quartetts mit jemand aufbrechen, der ungebremst dagegentritt. Wir müssen ihm nicht sagen, was zu tun ist, sondern er macht es einfach.“

 

Dieser von Trumann beschriebene Aspekt kam bei den Aufnahmen zu „Echo“ umso mehr zur Geltung, als die Band mit Seabrook aufgrund immenser Verspätungen von Zügen völlig ungeprobt ins Studio gehen musste. Die fünf Musiker machten aus der Not eine Tugend und sprangen gemeinsam ins kalte Wasser. Der Musik tut das überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil, es bringt Trumanns konzeptionelles Ansinnen noch deutlicher zum Tragen als geplant. Aber der Kölner ist eben nicht nur ein Musiker, der im Augenblick lebt, sondern auch ein Vordenker. Schon in der Anlage der Stücke hat er Seabrooks halsbrecherische Stilistik und anarchistische Herangehensweise an die Musik antizipiert und den Garten so bestellt, dass sich der Gitarrist darin voll abarbeiten kann. Das Ergebnis ist verblüffend. Denn so radikal der New Yorker bei sich und seinen Maximen bleibt und so oft man sich denkt, was macht der da eigentlich gerade, lässt er sich doch auch sehr weit auf die Kommunikation der Band ein.

 

Diese Metaebene des neuen Miteinander führt dazu, dass die Konturen in der Musik der Band wesentlich weniger scharf umrissen sind, als man das von Janning Trumann gewohnt ist. Seine Signatur als Komponist bleibt zwar erhalten, aber die Sounds von Posaune, Gitarre und Keyboards fließen oft derart aquarellhaft ineinander, dass das Ohr sie kaum noch voneinander lösen kann. Trumann selbst fühlte sich von diesem Phänomen umso mehr herausgefordert, in seinem Spiel Gas zu geben, um sich im Gesamtsound hörbar durchzusetzen. „Hier passiert etwas Neues“, ruft er begeistert aus, „die klassische Rollenzuteilung gibt es nicht mehr. Alle müssen aus der gewohnten Haltung, im Quartett zu spielen, raus und ein Stückweit mehr nach vorn gehen. Deshalb muss eben auch ich mehr aus mir herauskommen. Und ich merke, dass ich klanglich ein bisschen fester zupacke, um da durchzukommen.“

 

All diese kalkulierten und unerwarteten Faktoren zusammengenommen, erlangt das Janning Trumann Quartett mit seinem Gast Brandon Seabrook ein neues Level der Offenheit. Die Interaktion wird noch unvorhersehbarer, der Sound urbaner, das Gesamterscheinungsbild komplexer und für Spieler wie Hörer gleichermaßen herausfordernder, vielleicht sogar provokanter. Janning Trumann und sein Quartett nehmen die Herausforderungen der Gegenwart couragiert an und stellen sich der Realität mit einem musikalischen Konzept, das die Gegensätze und Widersprüche unserer Zeit bewusst ins Visier nimmt. Sie erspielen sich ein kreativ ästhetisches Beziehungsgeflecht, das das Tradierte und Vertraute nicht komplett negiert, aber dem Neuen darüber noch viel mehr Raum gibt. Janning Trumann braucht keine Parolen, um mit „Echo“ genau das richtige Statement zurzeit formulieren.


Janning Trumann 4 feat. Brandon Seabrook: Echo

Brandon Seabrook: guitar | Janning Trumann: trombone | Lucas Leidinger: piano, synth | Florian Herzog: electric bass | Thomas Sauerborn: drums

Label: Tangible Music, Vertrieb: tangible-music.de / bandcamp

Nur digital

EAN 0764137108090

VÖ: 26.01.2024

Weitere Informationen (Label)

 

Tracklist:

1. For a Reason

2. Seasons #5

3. Echo

4. Shift

5. Brach

6. Watt

7. Amoresque

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