Kultur, Geschichte & Management
Altes Schifffahrtsmuseum Kiel

Nach drei Jahren umfangreicher Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten ist Kiels maritime Geschichte in die Fischhalle am Seegarten zurückgekehrt.
Bereits im Oktober 2010 gingen mit dem Ende der damaligen Ausstellung zur Geschichte des Norwegentourismus die Lichter im Schifffahrtsmuseum aus. Als im Frühjahr 2011 mit den ersten Arbeiten an dem über 100 Jahre alten denkmalgeschützten Gebäude begonnen werden konnte, stand einiges auf der Agenda: Unter anderem mussten die Stützen der Seitenschiffe erneuert, die Deckenverkleidung aufgehellt, die Wappenkartusche aus Sandstein ausgebessert, neue Sanitäranlagen und Platz für eine Gastronomie mit Außenbereich geschaffen werden.

Nun sind die rund zwei Millionen Euro teuren Arbeiten abgeschlossen, die Fischhalle erstrahlt in neuem Glanz und die neue Dauerausstellung ist bereit für Gäste aus nah und fern.. Jeweils zwischen 10 und 18 Uhr können Interessierte dann die neue Dauerausstellung alleine entdecken oder aber auch an Führungen teilnehmen. Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer „Mit der Sanierung und Modernisierung hat die Landeshauptstadt ein ganz besonderes Kieler Bauwerk erhalten und gleichzeitig in das städtische Kulturangebot investiert. Die historische Fischhalle, die sehenswerte maritime Dauerausstellung und eine Gastronomie in außergewöhnlicher Lage haben Potenzial, ein neuer Lieblingsplatz an der Innenförde zu werden – für Kielerinnen und Kieler, Gäste und Kreuzfahrttouristen.“

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Auch Kulturdezernent Wolfgang Röttgers ist begeistert von der sanierten Fischhalle und der neuen Dauerausstellung des Schifffahrtsmuseums: „Ich danke dem Land Schleswig-Holstein und dem Förderkreis Kieler Schifffahrtsmuseum für die finanzielle Unterstützung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums haben gemeinsam mit der Gestaltungsagentur eine großartige Ausstellung entwickelt. Sie zeigt Kiels maritime Geschichte auf eindrucksvolle Weise und erweckt die historische Fischhalle zu neuem Leben.“

Aufwändige Sanierung und moderne Ausstellungsdidaktik
Die Modernisierung der 1909/10 errichteten Fischhalle war ausgesprochen umfangreich. Der Eingangsbereich wurde umgebaut und mit neuem Service-Tresen und einem Museumsshop ausgestattet, es wurden neue Sanitäranlagen geschaffen sowie die nutzbare Außenfläche vergrößert und der Museumsvorplatz hergerichtet. Ebenfalls neu ist ein Garderobenbereich mit Schließfächern als besonderer Service für Kreuzfahrtgäste und ein komplett barrierefreier Zugang. Außerdem wurden die wasserseitigen Ausstellungsräume ausgebaut und in diesem Zusammenhang wurden auch die Fensterfronten wieder geöffnet und zur Wasserseite wurde die große Holztür durch Glas ersetzt, sodass man aus dem Inneren des Museums auf den Hafen und die Werft sowie auf die Straße schauen kann. Auch die technischen Betriebseinrichtungen, die gesamte innere Gebäudetechnik wurden ausgetauscht sowie der Fußboden erneuert und mit einer Fußbodenheizung ausgestattet.

Nicht selten bringen Sanierungen von Altbauten Überraschungen mit sich: Im Rahmen der Arbeiten in der historischen Fischhalle wurde klar, dass Bausünden der vergangenen Jahrzehnte schwerwiegender waren als angenommen. Die flache Gründung der Anbauten im Gegensatz zum Hauptgebäude hatte durch den schlechten Baugrund erhebliche Schäden angerichtet, die nur durch eine Neugründung behoben werden konnte. Um die Nischen in einer der Hallenseiten sicher abzustützen, wurden insgesamt 24 Betonpfähle mit Stahlkern und einer Länge von je 15 Metern in den Boden gespült. Darauf wurde eine Stahlkonstruktion errichtet, die das Seitendach trägt.

Im Außenbereich wurden der figürliche Fassadenschmuck aus Main-Sandstein sowie das Jugendstil-Westportal zum Wall hin ausgebessert. Auch Sprenggiebel, Wappenkartusche und der Ornamentstein mit dem Schriftzug „Fischhalle“ wurden restauriert und in Einzelteilen mit Originalmaterial ergänzt. Mit den erforderlichen Arbeiten wurde das Unternehmen „Bamberger Natursteinwerk“ beauftragt. Dessen Mitarbeiter haben geschädigte Einzelteile herausgelöst, um sie in der Bamberger Werkstatt fachgerecht zu restaurieren oder nach alten Vorlagen zu erneuern. Die Steinarbeiten erfolgten in Abstimmung mit der städtischen Immobilienwirtschaft, der Unteren Naturschutzbehörde und dem Architekten Günter Szymkowiak, der bereits die Sanierung des Stadtmuseums Warleberger Hof geleitet hatte.

Nicht nur das historische Gebäude erstrahlt in neuem Glanz, auch die maritime Dauerausstellung des Schifffahrtsmuseums hat ein neues Antlitz bekommen. Die Berliner Ausstellungsagentur Iglhaut & von Grote hat ein neues Ausstellungskonzept entworfen. Darin wird über die Vermittlung von Inhalten hinaus mehr Wert auf deren Präsentation gelegt.

Die neue Dauerausstellung zur maritimen Geschichte Kiels zeigt einen kleinen Ausschnitt der umfangreichen und ständig wachsenden maritimen Sammlung des Stadt- und Schifffahrtsmuseums. Das neue Konzept besticht durch die Erschließung neuer Themenfelder, den Einbau moderner Vitrinen sowie durch Text- und Medienelemente und den Einsatz digitaler Begleitmedien wie Voiceguides und Touchscreens. Die vier Ausstellungsschwerpunkte zeigen Kiel als Marinestandort, Hafenstadt, Werftstandort und als Stadt des Segelsports jeweils im chronologischen Abriss der letzten 150 Jahre.

Präsentiert werden diese Themengebiete in vier Bereichen im großen Hauptraum der Fischhalle, in dem früher die großen Becken zum Frischhalten der Fische für den Großhandel untergebracht waren. Als freie Durchsicht bleibt der Mittelgang mit offenem Blick zum Wasser durch große Glastore an den Giebelseiten. Mit diesem Durchblick, der direkt über die Förde zu den Werften geht, wird zugleich eine optische Verbindung von der maritimen Geschichte zur maritimen Gegenwart Kiels hergestellt.
Auch die statisch neu gesicherten Seitenschiffe des historischen Gebäudes, die sogenannten Kabinette, dienen als Ausstellungsräume. Wo früher in Nischen der Fisch-Einzelhandel untergebracht war, sind heute unter anderem Exponate zu den Themenfeldern Marinemalerei, Fischerei, Kolonialgeschichte und Matrosenaufstand zu sehen. Dort werden die nautischen Antiquitäten des Kieler Sammlers Gerd Grimm, wie ein Walzahn und ein Südseeschädel, ausgestellt. Um in diesen Nischen Möglichkeiten für Stellwände zu schaffen, wurden die Fenster an den Seiten der Fischhalle mit transparent wirkenden Gazestoffen verhängt. In der Grundfarbe Türkis zeigen diese den Vorbeigehenden maritime Schwarzweißfotos aus der Stadtgeschichte. Zudem wird Kindern im Grundschulalter wieder eine eigene kleine Ausstellung geboten, die sich in dieser Saison auf spielerische Weise mit dem Thema Fischereigeschichte befasst.

Unter der Decke der 700 Quadratmeter großen Halle hängen Porträts von Personen, die die Kieler Stadtgeschichte geprägt haben. Abgebildet sind unter anderem Stadtgründer Adolf IV., Zarin Katharina II., Prinz Heinrich, Professorin Johanna Mestorf, Nobelpreisträger Max Planck, Oberbürgermeister Andreas Gayk und Stadtpräsidentin Ida Hinz. Außerdem sind aber auch namenlose Matrosen, Lotsen, Werftarbeiter sowie eine Kieler Hausfrau aus dem Jahr 1967 zu sehen. Namen und weitere Informationen zu den abgebildeten Personen liefern Hörstationen, die unterhalb der Banner entlang der zentralen, granitbepflasterten Achse durch die Halle platziert wurden.

Insgesamt wurden etwa 800 Exponate in der neuen maritimen Dauerausstellung untergebracht. Zudem sind durch digitale Technik über 1000 historische Fotos aus dem Kieler Stadtarchiv zu sehen, darunter die bisher unveröffentlichten Bildbestände des Kieler Marinefotografen Wilhelm Schäfer, der alle Schiffe der kaiserlichen Marine abgelichtet hat. Mit Hilfe raffinierter Schubladenauszüge haben auch lichtempfindliche Papierobjekte und Plakate einen Platz in der Ausstellung gefunden. Auch vertraute Ausstellungsstücke sind weiterhin im Schifffahrtsmuseum zu sehen. Der zwölf Tonnen schwere Deutsche-Werke-Schiffsmotor aus dem Zweiten Weltkrieg hat die Fischhalle während der Bauarbeiten gar nicht erst verlassen, sondern wurde auf ein mit Betonpfeilern stabilisiertes Fundament umgesetzt. Ebenfalls ein vertrauter Anblick im Schifffahrtsmuseum sind das Modell des Brandtauchers und das Wrack des Kleinst-U-Bootes „Seehund“.

Neu in der Dauerausstellung zu sehen sind ein original Ellerbeker Fischerboot, das Beiboot eines Torpedobootes der kaiserlichen Marine sowie ein Pirat aus den 1950er Jahren und ein Finn Dinghy von den Olympischen Segelwettbewerben 1972. Auch das alte Kaiserpanorama über dem Tor zum Hafenbecken sowie die großen Ölbilder des kaiserlichen Marinemalers Carl Saltzmann und des modernen Realisten Harald Duwe haben einen Platz in der neuen Dauerausstellung gefunden.

Ein zentraler Punkt der Umbauarbeiten war die Integration eines Cafés. Den Pächtern Igor Hinnekeuser und Jens Lause, die gemeinsam in Kiel bereits das Café exlex und das Weltruf betreiben, stehen jetzt knapp 85 Quadratmeter Innenbereich und etwa 120 Quadratmeter Außenbereich zur Verfügung. Das neue Museumscafé, das neben einer vielfältigen Auswahl an Getränken und Snacks auch mit seinem maritimen Charme besticht, ist auf den Namen „Der Alte Mann“ getauft. Sowohl Museumsbesucherinnen und Museumsbesucher als auch andere Gäste können hier in Zukunft mit Blick auf die Kreuzfahrtschiffe, den Hafen und die Werftkräne Caféspezialitäten, kalte Getränke und Kuchen genießen. Zusätzlich zu den typischen Angeboten eines Cafés stehen auch verschiedene Snacks wie Fischbrötchen, Salate und Fish and Chips, Abendbrot mit Leckereien regionaler Bauern und Lebensmittelproduzenten sowie ein wechselnder Mittagstisch auf der Speisekarte.

Durch zwei große Glasscheiben kann direkt vom Café das Treiben in der maritimen Dauerausstellung beobachtet werden. Durch einen separaten zweiten Eingang kann „Der Alte Mann“ auch außerhalb der Öffnungszeiten des Schifffahrtsmuseums seine Gäste willkommen heißen. Der Betrieb im Museumscafé startet am Sonnabend, 26. April, um 10 Uhr. Am selben Tag um 20 Uhr findet die offizielle Eröffnungsfeier statt. Danach hat „Der Alte Mann“ dann dienstags bis sonnabends von 10 bis 24 Uhr sowie sonntags und montags von 10 bis 20 Uhr geöffnet.

Finanziert wurde die Sanierung und Modernisierung der Fischhalle aus zwei unterschiedlichen Haushaltstiteln. Förderungsfähig sind die Maßnahmen zur Umgestaltung der Ausstellungsflächen, die Planung einer neuen Dauerausstellung, die architektonische Aufwertung der Fischhalle und die Schaffung besucherfreundlicher Serviceeinrichtungen und einer neuen Gastronomie. Die hierfür genehmigten Gesamtbaukosten in Höhe von 950.000 Euro werden eingehalten. Davon entfallen 360.000 Euro für die Ausstellungskonzeption sowie die Anschaffung neuer Stellwände mit Vitrinen und Bildschirmen für digitale Inhalte, die mehrsprachigen Audioguides und entsprechend notwendige Handwerkerarbeiten. Unter anderem für Restaurierungen sind Kosten in Höhe von etwa 50.000 Euro angefallen. Diese zuwendungsfähigen Kosten werden zur Hälfte vom Land Schleswig-Holstein mit Mitteln des Zukunftsprogramms Wirtschaft und jeweils zu einem Viertel vom Förderverein Kieler Schifffahrtsmuseum e.V. und der Landeshauptstadt Kiel getragen.

Die Sanierung von Gebäudeteilen innen und außen wird aus Mitteln der allgemeinen Bauunterhaltung der Immobilienwirtschaft finanziert. Die Ausgaben werden sich im Rahmen der veranschlagten Schätzkosten in Höhe von rund einer Million Euro bewegen. Es sind derzeit noch nicht alle Arbeiten abgerechnet, sodass eine abschließende Summe nicht benannt werden kann.

Zur Geschichte der Fischhalle und des Schifffahrtsmuseums
Vor dem Bau der Fischhalle wurde der Fischhandel in Kiel am Schuhmachertor mit der Anlegestelle der Ellerbeker Fischerboote, am Wall und am Seegarten unter freiem Himmel abgehalten. Um die großstädtischen Ansprüche auch zukünftig zu erfüllen, beschloss man eine Konzentration des Handels in einer städtischen Fischverkaufshalle bei den Seegartenbrücken. Im Juni 1909 wurde mit dem Neubau nach einem Entwurf des Stadtbaurates Georg Pauly begonnen. Ende Oktober 1910 wurde die Fischhalle eingeweiht.

Im Innern des Gebäudes befanden sich zwei in den Boden eingelassene Seewasserbehälter. Mit ihren acht Meter Länge konnten sie ganze Netze mit frischem Fang aufnehmen. Zwölf Verkaufsstände mit Bassins für lebende Ware reihten sich an den Längswänden der Halle. Und um die großen Becken herum gab es zahlreiche „fliegende“ Stände. An den Außenseiten und nur von außen zugänglich befanden sich 24 kleine Läden für Räucherfisch sowie sechs größere an den Ecken und am Haupteingang. Die große Halle wurde von einer gewölbten Holzdecke überspannt.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Fischhalle ohne größeren Schaden. Allerdings verlor sie ihre Funktion, als an der Schwentinemündung von 1948 an ein neuer Seefischmarkt entstand. Damit begann ein jahrelanges Tauziehen um ihr Schicksal. Erst war die Fischhalle Getreidelager, danach stand sie lange Zeit leer. 1966 plante die Stadt den Abriss des Gebäudes zugunsten eines Parkhausneubaus. Erst das Eingreifen des Denkmalschutzes sicherte den Fortbestand dieses historischen Gebäudes.
1973 machte das Kulturamt den Vorschlag, die Fischhalle als maritimes Museum zu nutzen. Ein Jahr später bewilligte die Ratsversammlung die benötigten Gelder zur Instandsetzung des Gebäudes und beschloss die zukünftige Nutzung als Schifffahrtsmuseum. Den Anstoß zur schnellen Verwirklichung gaben die wertvollen schifffahrtsgeschichtlichen Privatsammlungen von Rolf Böttcher und Dr. Claus Grimm. Sie überließen der Stadt ihre Sammlungen unter der Maßgabe, dass die maritimen Exponate in einem Museum den Bürgerinnen und Bürgern ständig zugänglich sein sollten. Ende 1975 begannen die Renovierungsarbeiten an der Fischhalle und Ende April 1978 öffnete dort das Kieler Schifffahrtsmuseum seine Türen.


Abbildungsnachweis:
Header: Detail des Schiffahrtsmuseum Kiel, 2009. Quelle: Wicki Commons (Karle Horn)
Galerie:
01. Fassade der Fischhalle
02. Kulturdezernent Wolfgang Röttgers und Dr. Doris Tillmann, Direktorin des Stadt- und Schifffahrtsmuseums. Foto: Landeshauptstadt Kiel, Pressestelle.

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