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Verzaubert. Aus den Motiven der

Er ist deutscher Meister, stammt aus Schleswig-Holstein und kämpft im Juli um den Weltmeistertitel. Nein, nicht der THW Kiel. Die Handballer sind zwar motorisch nicht schlecht, doch der Mann, von dem hier die Rede ist, hat wahrhaft magische Hände: Der gebürtige Fehmarner Jan Logemann ist Zauberer.
Als amtierender Champion in der Sparte Kartenkunst vertritt er (gemeinsam mit neun weiteren Zauberkünstlern) Deutschland bei den diesjährigen Zauberweltmeisterschaften in Blackpool.

Zauberer stellt man sich landläufig mit schwarzem Umhang und Zylinder vor, zumindest mit Nickelbrille und Zauberstab. Wie aus „Harry Potter“ eben.
Jan Logemann hingegen ist ein schlaksiger, freundlicher junger Mann in Jeans und Pulli, die langen blonden Haare lässig im Nacken zum Knoten gebunden. Harry Potter hat er nie gelesen, geschweige denn die Filme gesehen. Nein, Logemann sind die magischen Fähigkeiten wirklich nicht anzumerken, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Er ist vielmehr der Typ Zivi. Oder Heilpraktiker. Oder Student. Stimmt auch alles drei. Der 27-jährige Apothekersohn, der seit seinem 9. Lebensjahr vom Bazillus magicus befallen ist, absolvierte den Zivildienst und eine Ausbildung zum Heilpraktiker, bevor er das Medizinstudium in Hamburg begann. Derzeit bereitet er sich parallel auf zwei entscheidende Prüfungen vor: Die Zauberweltmeisterschaft und das Physikum. Wenn Jan Logemann von dem Stress erzählt, vor Zauberern zu zaubern („Das Schlimmste, was einem passieren kann“), ist er ganz Medizinstudent. Sobald er jedoch seine Karten aus der Hosentasche zieht, passiert etwas Merkwürdiges: Die blauen Augen fangen an zu funkeln, die Stimme wird leiser und eindringlicher und mit jeder Handbewegung zieht er die Autorin dieser Zeilen mehr in den Bann. Er sitzt unmittelbar vor mir, zeigt mir eine Herz 5 und legt sie verdeckt in meine Hand. Als ich sie umdrehe, halte ich eine Pik 10 in den Fingern. Hexerei? Natürlich nicht. Aber eine Zauberkunst, „die den Zuschauer an den Punkt bringt, an dem ihm nichts mehr einfällt“, wie Thomas Gundlach, sagt. „Erst dann wird nämlich aus einem geschickten Trick etwas wahrhaft Magisches“.

Gundlach, Vorsitzender des Magischen Zirkels Hamburg und in Zauberkreisen bekannt als Inspektor Merlin oder Hans Schock, ist von Beruf Professor für Kriminalistik an der Hamburger Polizeihochschule und weiß so gut wie alles über die unterschiedlichen Spielarten der Zauberkunst. Da gibt es die Comedy Zauberkunst, sein Spezialgebiet, die Allgemeine Magie mit Musik, in der seine Hamburger Kollegin Alana deutsche Meisterin wurde, die Kinderzauberkunst, die Mentalmagie, also Gedankenlesen und Hellsehen, sowie die hohe Kunst der Manipulation und das Close-Up-Zaubern (das heißt unmittelbar vor der Nase des Zuschauers), wie Jan Logemann es beherrscht. Am spektakulärsten ist aber wohl die Sparte der „Großen Illusion“ mit schwebenden Jungfrauen oder Elefanten, die sich in Luft auflösen, wie es Harry Houdini (1847-1926) beherrschte, der gemeinsam mit David Devant (1861-1941) und Harry Kellar (1849-1922) einer der größten Zauberer zu Beginn des 20. Jahrhunderts war.

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Heute gilt David Copperfield als einer der größten Illusionisten weltweit. Zu Recht, findet Thomas Gundlach. Copperfields „Flying“-Nummer hätte ihm die Tränen in die Augen getrieben, so schön sei sie, erzählt Hamburgs Chef-Zauberer. Natürlich weiß er, wie der Amerikaner es anstellt, kreuz und quer über die Bühne zu schweben und dazu noch eine Zuschauerin auf dem Arm zu tragen. Er verrät es nur nicht, das widerspricht dem Berufsethos, Dafür erzählt er umso ausführlicher, wie vorsichtig man mit den schwarzen Schafen des Metiers sein muss, den Trickbetrügern, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Seinen verblüfften Studenten führt der Professor zur Demonstration gern das berühmt-berüchtigte „Hütchenspiel“ mit den drei Bechern vor, die hin und hergeschoben werden: Dieses Glückspiel, bei dem die Zuschauer raten müssen, unter welchem Becher sich der Ball (oder ähnliches) befindet, wird immer noch gern an Urlaubsorten gespielt, um die Touristen auszunehmen, weiß Gundlach und warnt. „Bloß nie mitmachen! Der Vorgang geht so schnell, dass die Augen nicht folgen können“.

Einen Vorläufer des Hütchenspiels beschrieb bereits der römische Staatsmann und Philosoph Seneca vor rund 2.000 Jahren. Schon damals war der Taschenspielertrick populär, der im Mittelalter wohl auf keinem deutschen Jahrmarkt fehlte. Dokumentiert ist die Geschichte der Zauberkunst zwar erst seit dem 16. Jahrhundert, doch punktuell lässt sie sich bis ins alte Ägypten zurückverfolgen. Die im Ägyptischen Museum Berlin verwahrte „Papyrus Westcar“ (benannt nach dem Briten Henry Westcar, der sie 1823 auf seiner Ägyptenreise erwarb) berichtet von „Wundern“, die Pharao Cheops (2620-2580 v. Chr.) selbst erlebt haben will, beispielsweise das Wiederanbringen abgetrennter Tierköpfe. Unter zauberkundigen Historikern wird heftig diskutiert, ob der Trick damals wohl schon bekannt gewesen sein mag. Denn dass es ein Trick gewesen sein muss, steht für Thomas Gundlach außer Frage. „Alle Phänomene sind mit Tricktechnik erklärbar“, sagt er mit Nachdruck. Wer anderes behaupte, bringe den Stand nur in Misskredit. Dementsprechend klar ist auch die Satzung des zurzeit 44 Mitglieder starken Hamburger Vereins, der zu den ältesten der Welt zählt: „Wir begreifen uns als Unterhaltungskünstler, die ihr Publikum auf eine Fantasiereise mitnehmen. Der Zuschauer weiß, dass er getäuscht wird“, so Gundlach. „Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von Zauberern, die behaupten, tatsächlich übersinnliche Kräfte zu haben“.

Uri Geller ist so ein Fall. In den 70er-Jahren hielt der Bühnenmagier mit seinen verbogenen Löffeln die Fernsehnation in Atem. Dabei hatte ihn ein kritischer US-Kollege längst durchschaut. Heute kann jeder auf YouTube verfolgen, mit welch billigen Tricks Geller seine „rätselhafte Kraft“ (Spiegel 1974) damals vortäuschte.
Obwohl das Internet alle Möglichkeiten der Information und Aufklärung bereithält, ist es erstaunlich, wie viele Menschen immer noch Scharlatanen wie Geller auf den Leim gehen. Wie muss es da erst im Mittelalter gewesen sein, als der Aberglaube Hochkonjunktur hatte und im Namen der Kirche Millionen von Frauen als Hexen verbrannt wurden?! Dem englischen Friedensrichter Reginald Scot (1538-1599) waren die Anschuldigungen und Verhörmethoden der Hexenprozesse so zuwider, dass er in einem Buch en Detail erklärte, wie die angebliche Zauberei tatsächlich funktioniert. „The Discoverie of Witchcraft“ von 1584 gilt als die Geburtsstunde der Zauberliteratur und ist jetzt eines der Highlights in der „Verzaubert!“-Schau, die der Hamburger Notar Peter Rawert, ein passionierter Sammler von Zauberbüchern und Zauberutensilien, gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Vanessa Hirsch im Altonaer Museum kuratiert hat.

Die Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag des Magischen Zirkels Hamburg spannt anhand zahlreicher Gemälde, Gerätschaften, Bücher und Filme einen großen Bogen vom Mittelalter bis zur „Zauber-Pädagogik“ des 19. Jahrhunderts und weiter zur Gegenwart. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der faszinierenden Verknüpfung zwischen Zauberkunst und den aufkommenden Naturwissenschaften im 17. und 18. Jahrhundert. Die Magier waren damals zum Teil hochgebildete Wissenschaftler und konnten ihr Publikum mit elektrischen oder magnetisch gelenkten Apparaten verblüffen. Neben dem magisch gelenkten „Klugen Schwan“ von 1790, einer Kultfigur der Zauberapparatur, ist in der Ausstellung auch eine Abbildung des spektakulären Kugelfänger-Tricks zu sehen, des wohl gefährlichsten Kunststücks der Branche. Er kam im 16. Jahrhundert auf und kostete im Laufe der Zeit einer ganzen Reihe ambitionierter Illusionisten das Leben – zuletzt dem schweigsamen Meister Chung Ling Soo (1861-1918), der zum Höhepunkt jeder Show zwei auf ihn abgefeuerte Bleikugeln mit seinen Zähnen auffing. In Wahrheit hatten die Flinten, mit denen die beiden Assistenten auf den Magier anlegten, jeweils zwei Läufe. In dem einen befanden sich Bleikugeln, in dem anderen, Platzpatronen. Doch am 23. März 1918, während der Vorstellung im Londoner Wood Green Empire, versagte der ausgeklügelte Mechanismus und der angebliche Chinese sagte seine ersten und letzten Worte vor Publikum: „Oh Gott! Irgendetwas ist passiert. Vorhang zu“. Und zwar auf Englisch.
Von solch dramatischen Auftritten ist Jan Logemann weit entfernt. Wenn der blonde junge Mann aus Fehmarn am 11. Juli, morgens um acht Uhr (was für eine unchristliche Zauber-Zeit) beim Gipfeltreffen der mehr als 200 weltbesten Zaubermeister seine zehnminütiges Programm präsentiert, geht es nur um eine einzige Karte. Aber die – das zeigt schon sein kleiner Film im Altonaer Museum – hat es in sich.


„Verzaubert! Von geheimen Wissenschaften und magischen Spektakeln“
Noch zu sehen bis zum 7. Oktober 2012
Im Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Museumstraße 23, in 22765 Hamburg.
Führungen jeden 2. und 4. Sonntag im Monat um 14 Uhr. Dauer: 60 Minuten.
Jeweils jeden 1. Sonntag im Monat, 12 Uhr, erklären Mitglieder des Magischen Zirkels Hamburg anhand von Tricks und Zaubereien, wie die Exponate funktionieren. Die Führung ist kostenlos.
 

Fotonachweis:
Header: Detail aus den Motiven der "Liebig-Sammelkarten zur Zauberkunst", um 1890
Galerie:
01. Zauberer Logemann, Foto: Isabelle Hofmann
02. Mr. Robert Houdin, 1845, Radierung
03. Demonstration eines physikalischen Zaubertricks. Der Zauberer Pinetti, Kuperstich, 1784, Foto: Privatsammlung
04. Thomas Gundlach mit einem seiner magischen Apparate. Foto: Isabelle Hofmann
05. "Wie stellt man einen verbrannten Faden wieder her?". Aus den Motiven der "Liebig-Sammelkarten zur Zauberkunst", um 1890

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