Das Forum für Künstlernachlässe, mit Sitz in der Hansestadt Hamburg, feierte kürzlich sein 20-jähriges Jubiläum und erhält einen langersehnten Neubau, um all die vielen in Obhut befindlichen künstlerischen Nachlässe besser erforschen, verwalten und ausstellen zu können.
„Wenn die Idee wirklich gut ist, wird das Geld schon folgen“. Mit diesem festen Glauben, so Kultursenator Carsten Brosda in seiner Ansprache zur Jubiläumsfeier des Forums für Künstlernachlässe in Hamburg, seien engagierte Bürgerinnen und Bürger, allen voran die Kunsthistorikerin Gora Jain und der Kunstpädagoge Thomas Sello, vor 20 Jahren angetreten, Künstlernachlässe vor dem Vergessen und drohendem Verschwinden zu bewahren. Eine Initiative, die im Laufe der Jahre bundesweit Schule machte: Immer mehr kulturbewahrende Institutionen etablierten sich regional, die Kunstwerke „als real-physische und authentische Quellen für die kulturelle Erinnerung bewahren“, wie Gora Jain sagt. 2017 schlossen sich die unterschiedlichen Initiativen schließlich zum Bundesverband Künstlernachlässe (BKN) zusammen. Den Vorsitz übernahm der Hamburger Verein, der auf diesem Gebiet „Pionierarbeit“ leisteten, wie Brosda betonte.
Das unermüdliche Engagement und die Beharrlichkeit der Pioniere wird nun belohnt: Die Stadt Hamburg und ihre Bürgerschaft haben den langersehnten Neubau beschlossen und unterstützen das Projekt mit rund 800.000 Euro aus dem Sanierungsfonds, um „einen würdigen Ort für die wissenschaftliche Erforschung der Hamburger Kunst- und Kulturgeschichte zu erhalten“. Noch in diesem Jahr soll neben dem Künstlerhaus Sootbörn im Stadtteil Niendorf der erste Spatenstich erfolgen.
Platz für die Kunst
Endlich ist es amtlich! Ein schöneres Geburtstagsgeschenk zum 20-jährigen Jubiläum des Forums für Künstlernachlässe (genau genommen ist es der 21. Geburtstag, der gemeinnützige Verein wurde im August 2003 gegründet) hätte der Kultursenator den beiden treibenden Kräften, der Vorstandsvorsitzenden Gora Jain und dem Stiftungsvorsitzenden Thomas Sello, kaum machen können. Seit Jahren kämpfen die beiden für die Erweiterung, denn, wie Gora Jain immer wieder betont: „Künstlerisches Erbe ist kulturelles Erbe, seine Vielfalt gilt es zu bewahren“. Das unterschreibt auch Andreas Horlitz, Partner von SEHW Architekten, der den Neubau als einen eleganten, schneeweißen Kubus entwarf. Unter dem Motto „Platz für die Kunst“ soll das neue Archiv nicht nur der ständig wachsenden Kunstsammlung Raum bieten sondern auch als Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum genutzt werden.
© SEHW Architekten – Entwurf Andreas Horlitz – Visualisierungsstand 2024
Die Genese dieses Neubaus ist lang: Das bestehende Gebäude auf dem Gelände des Künstlerhauses Sootbörn, einer ehemaligen Mittelschule, die Ende der 1920er Jahre im Bauhaus-Stil errichtet wurde, war von Anfang an ein Provisorium, und die Stadt damals noch zu keiner Lösung bereit. Dann ergriff das kunstbegeisterte Ehepaar Sara und Thomas Sello 2021 die Initiative und legte den Grundstock für einen Neubau, indem es Max Pechsteins Gemälde „Brücke“ (1921) aus Familienbesitz an das Max-Pechstein-Museum in Zwickau verkaufte und das Geld in eine Stiftung einfließen ließ. Auf der Jubiläumsfeier erzählte Thomas Sello launig, wie ihn dieses Gemälde aus seinem Elternhaus schon als Kind faszinierte (Gottfried Sello, ein bekannter Kunsthistoriker, und die Fotografin Ingeborg Sello hatten das Werk zu ihrer Hochzeit 1939 erworben). Sara und Thomas Sellos privates Engagement gab den Anstoß für eine sehr erfolgreiche Benefiz-Auktion zugunsten eines Neubaus in der Hamburger Kunsthalle im November 2021 – doch die Stadt Hamburg kam einfach „nicht zu Potte“, um es mal salopp zu formulieren. Dabei war das bestehende Forum mit seiner Lagerkapazität längst an seine Grenzen gestoßen.
Mehr als 15.000 Werke von über 90 Künstlerinnen und Künstlern, Gemälde, Zeichnungen, Radierungen, Fotografien, Plastiken und Objekte, umfasst die ständig wachsende Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe derzeit. Unter ihnen Namen wie Friedrich Ahlers-Hestermann, Tatjana Ahlers-Hestermann, Alma del Banko, Gisela Floto, Arie Goral, Horst Hellinger, Gustav Kluge (lebt in Hamburg), Peter F. Piening, MAKSA und K.R.H. Sonderborg.
Einen Querschnitt der hochkarätigen Sammlung zeigt die Jubiläumsausstellung „Entdeckt & Bewahrt“ noch bis zum 23.6.2024 im Künstlerhaus Sootbörn. Im Werkdialog dazu beteiligen sich die dort ansässigen Künstlerinnen und Künstler mit eigenen Arbeiten, unter ihnen Maria Hobbing, Mariella Mosler und Roland Helmus.
20 Jahre Forum für Künstlernachlässe (FKN) in Hamburg
Weitere Informationen (Forum)
Ausstellung Entdeckt & Bewahrt II.!
Mit: Alma del Banco, Dirk Becker, Christoph Böllinger, Hannelore Borchers, Reni Buček-Reithmaier, Wilhelm M. Busch, Helene Dettmann, Fritz A. Dingkuhn, Jochen Dingkuhn, Bert Düerkop, Hartmut Ebert, Roman Feierstein, Wolfgang Finck, Gisela Floto, Arie Goral, Ingo Groth, Elsa Haensgen-Dingkuhn, Wolfgang Hartmann, Eldo Hell, Horst Hellinger, Günther Helm, Jürgen Hockauf, Werner Homuth, Alfred Jensen, Gustav Kluge, Elk Knaake, Christoph Krämer, Ellen Lindner, Franz Lindner, Peter Lindner, Peter Luksch, Rudolf Mahler, Jan Meyer-Rogge, Aliute Mečys, Christiane Nockemann, Werner Nöfer, Gunda Oehm, Peter F. Piening, Gerhild Pohl-Liebenberg, Kurt Prignitz, Albert Christoph Reck, Franz Reckert, Claus J. Schmidt, Ljubow Simonenko, K.R.H. Sonderborg, Hertha Spielberg, Margrit von Spreckelsen, Heiner Studt, Klaus Stümpel, Kai Sudeck, Werner Thiele, Britta Türck, Burkhardt Vernunft, Verena Vernunft, Alfred Wäspi, Marianne Weingärtner, Karl (Carl) Heinz Wienert und Karin Witte.
Zu sehen bis 23.06.2024 im Künstlerhaus Sootbörn, Sootbörn 22, in 22453 Hamburg
Zur Ausstellung erscheint der zweite FKN-Bestandskatalog, in dem die 58 Neuzugänge dokumentiert sind.
Lesen Sie zu diesem Thema bei KulturPort.De aus dem Archiv:
Forum für Künstlernachlässe in Hamburg: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Geschrieben von Isabelle Hofmann - Freitag, 30. August 2013
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