Kultur, Geschichte & Management

Seit Jahrtausenden wird der Glaube missbraucht, um Menschen unsagbares Leid zuzufügen, Völkermord zu begehen, skrupellos geostrategische Machtpolitik durchzusetzen. Wer dachte, Deutschland sei seit dem Holocaust dagegen gefeit, erlebt gerade wieder ein böses Erwachen.

Umso wichtiger die neuaufgelegte Schau im Altonaer Museum: „glauben und glauben lassen – Eine Ausstellung über Freiheiten und Grenzen“.

 

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Altona diese ebenso umfangreiche wie textlastige Ausstellung präsentiert. Altona hat sich zu allen Zeiten als „offene Stadt“ verstanden, das zeigt schon das geöffnete Tor im Altonaer Stadtwappen. Politisch und religiös Verfolgte, Hugenotten, Mennoniten, holländische Reformierte, Juden und Katholiken fanden hier seit dem späten 16. Jahrhundert nicht nur Aufnahme, sondern ab 1601 auch das verbriefte Recht, ihren Glauben auszuüben.

 

Straßennamen wie „Große Freiheit“ und „Kleine Freiheit“, Namen, die heute eher mit sexueller Freizügigkeit als mit Religionsfreiheit in Verbindung gebracht werden, gehen auf dieses Recht zurück. Das lutherische Hamburg dagegen rühmt sich zwar als „Tor zur Welt“, doch sein Tor im Stadtwappen ist geschlossen und der Umgang mit religiösen Minderheiten war bis weit ins 19. Jahrhundert entsprechen: Andersgläubige galten als Bürger zweiter Klasse.

 

Glauben und glauben lassen Blick in die Ausstellung F SHMH

Blick in die Ausstellung. Foto ©: SHMH

 

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Obwohl die Ausstellung vorwiegend mit historischen Texten und Bildern bestückt ist, einen weiten Bogen schlägt, vom 16. Jahrhundert über die Aufklärung im 17. / 18. Jahrhundert und den Antisemitismus im 19. Jahrhundert bis zu Gräueltaten im NS-Staat und die Entwicklung neuer Gemeinden (stark auf Hamburg bezogen) nach dem Zweiten Weltkrieg, geht es hier keinesfalls nur um eine Geschichtsausstellung. Mit der Wiederaufnahme der Schau aus dem Jahr 2020 möchte das Altonaer Museum vielmehr zum interreligiösen Dialog anregen.

 

Der Anschlag auf die Synagoge in Halle/Saale 2019, vor allem aber die explosionsartige Zunahme dumpfer Hasstiraden und antisemitisch motivierter Straftaten seit dem 7. Oktober 2024 machen deutlich, wie wichtig diese Diskussion gerade unter der Jugend heute ist. Und auch, dass sie in den vergangenen Jahren viel zu kurz kam. Im Mittelpunkt steht deshalb der multimediale Austausch mit Zeitgenossen: Auf großen Videotafeln erzählen rund 50 Hamburger und Hamburgerinnen aller Couleur und Glaubenszugehörigkeiten in einfachen Worten und mit großer Eindringlichkeit, was Glaubensfreiheit für sie ganz persönlich bedeutet und ob sie ihrer Ansicht nach in Deutschland tatsächlich gewährleistet ist. Das ist leider nicht der Fall, wie auf der Kommentarwand am Schluss zu lesen ist. Ein Besucherwunsch lautet da: „Es wäre schön, wenn man mit Kippa sicher durch Hamburg laufen könnte“.


„glauben und glauben lassen. Eine Ausstellung über Freiheiten und Grenzen“

Zu sehen bis 15.7.2024, im Altonaer Museum, Museumstraße 23, in 22765 Hamburg.

Geöffnet: Montag 10 – 17 Uhr, Dienstag geschlossen, Mittwoch bis Freitag 10 – 17 Uhr, Samstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr

Weitere Informationen (Altonaer Museum) 

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