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Von den Ebenen der Mongolei bis zum südlichen Rand Chinas, vom Pazifischen Ozean bis zu den fernen Gebieten des Nahen Ostens und Europas errichteten Dschingis Khan und seine mongolische Armee im 13. Jahrhundert ein kolossales Reich.

 

Eine umfassende Ausstellung im musée d’histoire de Nantes, Château des ducs de Bretagne, erforscht die Geschichte des riesigen Reiches von Dschingis Khan und seiner Nachfahren.

 

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Auf dem Höhepunkt ihrer Macht kontrollierten die Mongolen mehr als 22 % der Landmasse der Welt, und der Enkel von Dschingis Khan, Kublai Khan, wurde zudem Kaiser von China. Er gründete die Yuan-Dynastie (1279-1368) und errichtete seine Hauptstadt in Dadu (dem heutigen Peking). Nach Jahren der gewaltsamen Eroberung zur Errichtung dieses Reiches ermöglichte die Einführung der „Pax Mongolica“ („Der Mongolische Friede“, 1230-1350) eine Blüte der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, sozialen und künstlerischen Beziehungen zwischen Ost und West.

 

Mit einer außergewöhnlichen Auswahl von über 450 Objekten und davon 140 aus den nationalen Sammlungen der Mongolei, die noch nie zuvor im Westen zu sehen waren – darunter eine beträchtliche Anzahl von Nationalschätzen –, ergänzt durch Objekte aus großen französischen, Schweizern, deutschen und europäischen Museen, bietet die Ausstellung in Nantes – die erste in Frankreich – einen Einblick in die Geschichte des großen mongolischen Reiches. Das 2019 eröffnete Dschingis-Khan-Nationalmuseum (mongolisch: Чингис хаан Үндэсний музей) in Ulaanbaatar, unterstützte das Ausstellungsvorhaben in großzügiger Weise.

 

Dschingis Khan F Ryan Brooklyn unsplashDschingis Khan-Denkmal, Mongolei. Foto: Ryan Brooklyn

 

Bei der Erforschung der Geschichte des Mongolenreichs gibt es viele westliche und östliche Klischees und zwei Fallstricke: erstens das westliche Bild eines brutalen, blutrünstigen Kriegers und seinen Horden, das von feindseliger Geschichtsschreibung und Filmen vermittelt wird, und zweitens das gegenteilige Bild eines friedlichen Nomaden in einer seit Jahrtausenden unveränderlichen Steppe. Der moderne Tourismus versucht jenes friedliche Bild zu befördern. Die historische Realität ist ganz anders und viel komplexer.

 

„Es wird nichts mehr auf der Welt geben außer einer Steppe – eine unendliche Steppe. Eine Welt, ein Volk, und als Herrscher über sie auf einem steinernen Thron, in der mächtigen und üppigen der einzige Herr über sie alle: Dschingis Khan!

Wer hätte das bis jetzt auch nur zu denken gewagt, in Rebellion gegen die traurigen Gesetze der Vergangenheit? Wer hätte dieses Wort des Triumphes auszusprechen gewagt? Die ganze Erde!

Was habt ihr, das sich mit dem Amboss des Mongolen Amboss vergleichen? Was für schwache Hoffnungen, was für arme verblassende Lichter ihr den lodernden Flammen der Hoffnung der Welt entgegensetzen?"

Henry Bauchau: Chinggis Khaan, Akt 4, Szene 2 (Dschingis Kahns Seele), 1960

 

Auf der Grundlage internationaler und aktueller Forschungsergebnisse bietet diese Ausstellung in vier Kapiteln und vielen Unterkapiteln einen neuen Ansatz, der zeigt, wie die Mongolen die damalige Welt des Spätmittelalters verändern konnten.

Die Schau erzählt von der Entstehungsgeschichte, von der Vereinigung der einzelnen Nomadenstämme bis hin zur Expansion in die reichen Gebiete des Ostens und Westens.

 

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Die Besucher erfahren, wie es Dschingis Khan und seinen Nachfolgern gelang, eines der größten Reiche der Welt zu schaffen. Neben vielen Artefakten werden Geräusche in der Ausstellung zu hören sein, die das Publikum auf die Reise durch die Zeit mitnimmt. Mehrere Filme befassen sich mit zentralen Themen wie die Seidenstraße, die Wirkkraft des Dschingis Khan und die von den Mongolen geschaffene neue Weltkarte.

Auf mehreren Touchscreens können die Besucher durch mehrsprachige Dokumente und Informationen zu den einzelnen Objekten scrollen, von denen viele aufgrund ihrer multi- und transkulturellen Herkunft von herausragender Bedeutung sind. Und schließlich wird eine Projektion eines lebensgroßen, fast 3 Meter hohen Grabsteins zu erleben sein, begleitet von Ton- und visuellen Effekten.

 

Die Ausstellung zeigt fokussiert, wie das Mongolenreich mit anderen Mächten, insbesondere mit dem französischen Königreich, interagierte, und beleuchtet die innovativen Prinzipien, nach denen es regiert wurde.

 

Dschingis Khan Frankreich

Links: Messgewand, bekannt als das „Saint Aldegonde Chasuble". 13. Jhdt., Seidenstoff und Goldfäden, vergoldetes Leder. Schatzkammer der Kirche Saint-Pierre-et-Saint-Paul, Frankreich. Rechts: Dschingis Khan auf seinem Thron (Detail), in Rachid al-Din, Djami al-Tawarikh (Ms Sup persan 1113, folio 44v.Bnf), Paris

 

Dank der „Pax Mongolica“ werden vor allem die Beiträge der Mongolen und ihr Einfluss auf die wirtschaftliche, künstlerische, wissenschaftliche, kulturelle und religiöse Kultur der damaligen Zeit hervorgehoben, wobei die wichtige Rolle von Dschingis Khan und seinen Nachfolgern in einer der ersten großen Globalisierungen verständlich gemacht wird.

 

Die Ausstellungskuratoren gingen im Vorfeld explizit folgenden Fragen nach und setzen diese in der Ausstellung um:

Wie gelang es Dschingis Khan und seinen Nachkommen, ein so großes Reich zu errichten?

Waren die Mongolen blutrünstige Barbaren, wie die Chroniken der Zeit suggerieren?

Wie förderte dieses Reich durch seine Herrschaft den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch in einem neuen Weltsystem?

Und wie veränderten die Mongolen Eurasien durch diese Ausweitung der Netzwerke und trugen so dazu bei, dass die Geschichte der Menschheit anders und präziser geschrieben werden muss?

 

„Während sich sogenannte Globalisierungshistoriker gewöhnlich auf die Verbindungen zwischen Europa und China fokussieren, ignorieren sie dabei allzu oft die entscheidende Rolle der mongolischen Nomaden im Nachfahren von Dschingis Khan. Diese treibende Kraft und die Geheimnisse dieses außergewöhnlichen Phänomens der globalen Entwicklung im 13. und 14. Jahrhundert, benötigt einen besonderen Blick.

Die Mongolen trugen zu allem bei, was wir heute als Symbol der Moderne betrachten: Wissenschaft, Verwaltung, Toleranz gegenüber religiöser Vielfalt, Schrift, Kunst, Medizin, Mathematik und sogar Kartografie sowie Astronomie.“ Marie Favereau (Ko-Kuratorin)

 

Eine europäische Persönlichkeit fokussierte die Begegnung mit den Mongolen in besonderer und differenzierter Weise als Zeitzeuge: Marco Polo (1254-1324). Sein Buch „Die Reisen des Marco Polo" wurde an allen europäischen Höfen der damaligen Zeit gelesen. Diese europäische Reflexion spielt ebenso eine Rolle wie der heutige Blick auf die Historienforschung.

 

Nach Nantes wird die Ausstellung im Sommer 2024 zunächst in Ulaanbaatar im Dschingis-Khan-Nationalmuseum zu sehen sein. Weitere Stationen in Kanada und den USA sind in Planung oder Vorbereitung.


Dschingis Khan – wie die Mongolen die Welt veränderten

Zu sehen vom 14. Oktober 2023 bis 5. Mai 2024

Im Château des ducs de Bretagne – musée d’histoire de Nantes, 4, place Marc Elder in F-44000 Nantes/Frankreich

Geöffnet: 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen. (Die Kasse schließt jeweils 30 Minuten vor 18 Uhr). An folgenden Feiertagen geschlossen: 1. Januar, 1. Mai, 1. November, 25. Dezember.

Weitere Informationen

 

Die Ausstellung präsentiert Objekte aus den nationalen Sammlungen der Mongolei, darunter zahlreiche nationale Schätze, die durch Objekte aus großen französischen und europäischen Museen ergänzt werden: Musée Guimet, Le Louvre, Musée de Sèvres, Bibliothèque Nationale de France, Archives Nationales de France, Musée de Limoges, Musée des Arts Décoratifs, Musée de Cluny, Museen in Berlin und Zürich und viele mehr.

 

Kuratiert und recherchiert von Jean-Paul Desroches, Marie Favereau und Bertrand Guillet.

 

Die Ausstellung wird durch ein vielfältiges kulturelles Programm ergänzt, das es den Besuchern ermöglicht, die zeitgenössische Mongolei zu entdecken. Veranstaltungen zu den Themen Kino, zeitgenössische und traditionelle Musik, volkstümliche Erzählungen, zeitgenössischer Tanz, Volkskultur, traditionelle mongolische Spiele, kulinarische Traditionen, Kalligrafie, Geschichte, Literatur und Fotografie werden für eine unvergessliche Kultursaison sorgen.

 

Es erscheint eine Katalog: Les Mongols et le monde. L’autre visage de l’empire de Gengis Khan (franz.)

24 x 30 cm, 324 Seiten (ca. 300 Abbildungen)

Erhältlich in der Buch- und Geschenkboutique und in der e-Boutique des Château.

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