Passend zur Festspielzeit werden in der Margarethenkapelle von St. Peter, eine der ältesten Kirchen Salzburgs, Fotografien gezeigt, die sich als „interkultureller und -religiöser Dialog“ verstehen.
Widmen sich die Werke, entstanden 2016 in Marokko und Andalusien, einer vergangenen Zeit, so öffnet sich der Blick mit jenen aus dem Iran von 2018, die berufstätige und selbstbewusste Frauen zeigen und eine Brücke in die heutige Zeit schlagen.
Die dreißig fotografischen Werke der in der Mozartstadt lebenden Fotografin Elisabeth Weinek werden bis September auf hochwertigem Barytpapier und ohne Rahmen und Glas in der Margarethenkapelle gezeigt, um einen unmittelbaren, filterlosen Zugang zu erhalten. Schon lange interessiert sie sich für orientalische Kunst und Architektur, aber auch für die Frauen und deren Situation.
Marokko, und insbesondere fokussiert, Andalusien waren Regionen der Überlagerungen: verschiedener Lebensstile, der religiösen, sprachlichen und kulturellen Diversität. 700 Jahre dauerte die Periode dieser Koexistenz an, bis 1492. Dann ging die Ära der Toleranz auf der iberischen Halbinsel zu Ende. Nicht zu verstehen mit der Begrifflichkeit des 21. Jahrhunderts, sondern mit der des Mittelalters. Jedoch gibt es etwas, das bis heute nachwirkt und wohl auch deswegen, weil wir dies so produktiv nicht mehr finden, weder in Europa noch sonst irgendwo.
In Begleitung einer Schaufensterpuppe, die sie, mit Textfragmenten aus römischen, arabischen und hebräisch Buchstaben, unterschiedlicher Typographie und mit Musik-Notationen beklebt hatte, reiste sie an verschiedene Orte. Die Puppe kindlicher Größe schaut aus einer unschuldigen Perspektive meist leicht nach oben in die Welt der Erwachsenen und entdeckt die Zusammenhänge von Raum, Architektur, Ornament und Kunst – und das für uns mit. Sie steht vor Ornamentwänden, Bildern oder in die ehemaligen Hauptmoschee Córdobas, der heutigen Kathedrale. Die Gebetshalle ruht auf vielen Säulen – einem Wald aus Marmor, Onyx und Granit, nun gespickt mit christlicher Symbolik. Auf den Wänden lebten damals Ornamente und Kalligraphie-Schrift in einer Symbiose, in deren Erscheinungsbild sie kaum voneinander zu trennen waren. „Durch das Ornament lernt das Auge“, postulierte der arabische mittelalterliche Gelehrte Alhazen einst „durch die Kalligraphie lernt das Auge und mit ihm der Geist.“ Heute ist das Gebäude von der Hybridität der Jahrhunderte durchwoben.
Das Ornament ist die Verbindung zu der weiteren Reise, in den Iran. Die Motive zeigen keine Kleiderpuppe mehr, sondern Frauenportraits. Zwar steht eine in schwarz gekleidete Perserin im erhabenen und ornamentalen Torbogen einer Moschee, jedoch wirkt ihr Auftreten selbstbewusst.
Die Portraitfotos von Elisabeth Weinek sind keine eingefrorenen Pointen, sie meinen nicht die Momente, in denen das Leben interessant wird, sondern jene, in denen es schutzlos ist und wir etwas von seinem innersten Gesetz wahrnehmen können.
Die persische Tradition des Geschichtenerzählens findet sich in den visuellen Geschichten der Fotografin wieder, sie erzählen weit mehr als den Moment des Drückens auf einen Auslöser, sie erzählen auch das, was wir wissen und das, was wir nicht wissen. Sie erzählen von Zugewandtheit, von Empathie, davon sich Zeit zu nehmen, von gegenseitigem Interesse aneinander.
Wie ein sich selbst ergänzendes Ornament des Lebens entwickeln die Menschen ihre inneren Ziele und gehen diesen nach, auch gegen Widerstände.
Nehmen wir tatsächlich einmal an, das Leben sei Ornament – es gibt bestimmte Muster, wiederkehrende Formen, die sich unbegrenzt in uns weiterentwickeln lassen. Manchmal ist das Leben tatsächlich ein Ornament, zu finden in einem japanischen Computerprogramm, welches auch in arabischen Ländern beliebt ist, namens „Der Lebensplan“ (Jinsei Sekkei). Damit errechnen Programmierer ein optimales Leben, mit optimalen Entscheidungen, zur optimalen Zeit. Das Leben wird zu einem Design-Produkt und besteht letztlich aus zwei Ziffern, einer 0 und einer 1 – ein großes Ornament ergebend.
Wenn wir uns auf das Gedankenkonstrukt das Leben sei ein Ornament einlassen, bekommt alles eine wesentlich vielseitigere Bedeutung. Die Fotografien von Elisabeth Weinek dringen anders in uns, denn wir werden gewahr, dass wir alle Teil eines ganz großen uns verbindenden Ornaments sind – eines in der Sehnsucht nach höheren Werten.
Elisabeth Weinek: Was Sie sah... – Andalusien, Marokko, Iran
Zu sehen bis zum 16. September 2018 in der Margarethenkapelle von St. Peter (Friedhof) in A-5020 Salzburg/Österreich.Täglich geöffnet, Eintritt frei
Ein Katalogheft ist mit Texten (dt./engl.) und Abbildungen erschienen und zum Preis von 15 Euro erhältlich
Weitere Informationen und Katalogbestellung
Einladung als PDF
Abbildungsnachweis:
Alle Fotos © Elisabeth Weinek
Header: Ornament in Yazd, 2018, Iran
Galerie:
01. Schaufensterpuppe, 2016, Marokko
02. Ornament, 2016, Marokko
03. und 04. Kathedrale (Mesquita) von Cordoba (ehemalige Hauptmoschee), 2016, Andalusien
05. Ehemalige Synagoge in Cordoba, 2016, Andalusien
06. Frau im Torbogen der Freitagsmoschee Isfahan, 2018, Iran
07. Die Umweltministerin auf dem Titelblatt einer Zeitung, 2018, Iran
08. Galeristin in Teheran, 2018, Iran
09. Unternehmerin in Teheran, 2018; Iran
10. Henna-Ornamentik Isfahan, 2018; Iran
11. Blick in die Ausstellung
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