Bildende Kunst
Klaus Peter Dencker: Sprachspiele - Konkret - Poetisch- Visuell

Kein bildender Künstler, kein Fotograf, kein Filmemacher oder Literat an Alster und Elbe kam zwischen 1985 und 2002 um ihn herum.
17 Jahre lang war Klaus Peter Dencker Leitender Regierungsdirektor der Hamburger Kulturbehörde und – bis auf Musik und Theater – so ziemlich für alles zuständig, was im Bereich Kultur anfiel. Was kaum jemand wusste: Der gebürtige Lübecker mit dem markanten grauen Bürstenschnitt führte ein Doppelleben. In Ahrensburg, seiner Wahlheimat vor den Toren der Hansestadt, legte Dencker den ungeliebten Beamten ab wie eine zu klein gewordene Jacke und widmete sich seiner wahren Profession, der Visuellen Poesie.

Das macht er auch heute noch: Als einer der international wichtigsten Autoren dieser Kunstform zwischen Text und Bild legte der 70-jährige jüngst die erste Enzyklopädie über „Optische Poesie“ bei De Gruyter vor. Von den prähistorischen Schriftzeichen bis zu den digitalen Experimenten der Gegenwart reicht dieses knapp 1.000 Seiten umfassende Kompendium, das mehr sein will, als nur eine Geschichte unterschiedlicher Entwicklungen und Strömungen. Es ist auch ein im Wortsinn schwerwiegender Beweis: Der promovierte Japanologe und Literaturwissenschaftler zeigt hier die Bedeutung und weitreichende Einflussname all jener bild-sprachlichen Formen Kinetischer, Konkreter und Visueller Poesie auf und unternimmt damit den Versuch einer grundsätzlichen Positionierung: „Immer wieder wurde diese Ausdrucksweise desavouiert. Ich will mit meiner Bestandsaufnahme zeigen, dass Optische Poesie eine ernstzunehmende Sache ist“. Also auch der Unsinn, der dabei verzapft wird. Denn dass beim kreativen Umgang mit Sprachmaterial der Spaß am Spiel ausschlaggebend ist, steht außer Frage. Dencker ist ein echter Homo Ludens. Seine Lust an der ästhetischen oder lautmalerischen Qualität eines Buchstaben, an der Veränderung und Verfremdung von Kontexten, beweist der begeisterte Hobby-Jazzer in eigenen Arbeiten ebenso, wie in den von ihm herausgegebenen Anthologien, „Deutsche Unsinnspoesie“, „Poetische Sprachspiele“ oder „Morgenstund hat kurze Beine“ (alle bei Reclam). Wenn er nicht gerade gefundenes Bildmaterial zu wunderbar poetischen, anspielungsreichen Collagen zusammenschneidet, klebt und dichtet – zu Textbildern, die teilweise an Dada, Schwitters oder die russischen Konstruktivisten erinnern – dann liest er oder macht Musik. Am liebsten macht er beides.

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„Ich habe schon als Schüler Gedichte geschrieben“, so Dencker. „Kam in Kontakt mit der Wiener Gruppe um Gerhard Rühm und versuchte auf meine Art Literatur zu visualisieren“. Viel später erst habe er angefangen sich mit Theorie zu befassen, zu sammeln und zu forschen. Ein erstes Ergebnis erschien 1972 bei DuMont: „Textbilder - Visuelle Poesie international“. Die Monographie „Visuelle Poesie 1965-2005“, die zu seiner eigenen großen Ausstellung in Erlangen 2006 erschien (herausgegeben von der Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin), zeigt ein Foto von 1972, das den damaligen Lehrbeauftragten für deutsche Literaturwissenschaft und Film- und Fernsehkunde an der Uni Erlangen an der Seite von Peter Weibel, Timm Ulrichs und Jochen Gerz zeigt. Dieses Foto ist bezeichnend: Die Avantgarde aus Kunst und Literatur begleitete ihn auf allen beruflichen Stationen – als Redakteur und Filmemacher beim Saarländischen Fernsehen 1975-1985 (wo er übrigens die ersten Filme über Kurt Schwitters und George Grosz drehte), auch noch zwischen Anweisungen, Aktenbergen und Ausschüssen in der Hamburger Behörde. Denckers Arbeiten sind längst Bestandteil internationaler Sammlungen und Museen. Wird Zeit, dass er selbst die öffentliche Anerkennung erfährt, die ihm gebührt.

Fotonachweis: Alle Werke (c) Klaus Peter Dencker
Header: Detail aus "ARAKAWA - Under Construction", 2009
Galerie:
01. Portrait Klaus Peter Dencker. Foto: Isabelle Hofmann
02. - 06. "ANTINOMY" entstand 2003 in Zusammenarbeit mit dem japanischen Visuellen Poeten Hiroshi Tanabu (geb. 1938). Der Arbeitstitel ANTINOMY stammt von Tanabu. Die Arbeiten entstanden mit einem ersten Blatt von Tanabu, auf das ich mit meinem ersten Blatt antwortete, Tanabu antwortete dann mit seinem zweiten Blatt auf mein erstes Blatt und es folgte die Antwort auf sein zweites Blatt mit meinem zweiten Blatt usw. Auf diese Weise entstanden jeweils 5 Blaetter, von denen hier meine 5 Blaetter abgedruckt sind. Sie wurden veroeffentlicht In: Antinomy (Peace/War). Zusammen mit Hiroshi Tanabu.- Tokyo : (Tanabu-Edition Nr. 27), 2003.- 24 S. : Abb. (farb). 11 x 14 cm. Vorw. Japan und dt., Text engl., sowie in: Georg Poehlein, Da liegt der Himmel naeher an der Erde. Literaturlandschaft Franken. Weitra 2003, S. 39 ff. (sch/w) und schließlich in dem Band: Klaus Peter Dencker, AMBIGUITY & MORE. Sequences. Redfoxpress, Dugort, Achill Island, County Mayo/Ireland 2010. Das Blatt Nr. 5 in: PEACE/WAR. In: Vreme signalizma/The Times of Signalism. Ed. Miroljub Todorovic. Nish 2005, S. 103, sowie auf dem Bucheinband der Monographie: Klaus Peter Dencker, Visuelle Poesie 1965 - 2005 Bibliothek der Provinz, Weitra/A 2006.

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