Bildende Kunst
Mantegna und Bellini Meister der Renaissance Foto David von Becker

Wer sakrale Kunst schätzt, sollte eine bemerkenswerte Ausstellung in Berlin nicht versäumen. In Kooperation mit der National Gallery, London, präsentieren die Staatlichen Museen zu Berlin bis zum 30. Juni 2019 rund 100 Meisterwerke der beiden Malerei-Ikonen Andrea Mantegna und Giovanni Bellini. Bilder und Zeichnungen aus eigenen Beständen werden ergänzt mit Leihgaben aus aller Welt. Sogar die englische Königin Queen Elizabeth hat Mantegnas „Triumphzug Cäsars“ ausgeliehen.

Die Ausstellung geht folgenden Fragen nach: Gibt es eine künstlerische Nähe zwischen diesen beiden italienischen Superstars des „Quattrocento“ (15. Jahrhunderts)? Gibt es gemeinsame Aspekte in ihrer Malerei? Gibt es Unterschiede, Parallelen oder thematische Bezüge im Schaffen dieser beiden Künstler? Porträts, Andachts- und Altarbilder werden in der Schau vergleichend gegenübergestellt, einer genauen Prüfung unterworfen und analysiert.

Es sind herausragende Meisterwerke, die – bis auf ganz wenige Ausnahmen – Szenen aus dem Neuen Testament, aus dem Leben und der Passion Christi, mythologische und allegorische Themen sowie Heiligengeschichten aus der legenda aurea thematisieren: Der Heilige Sebastian, von Pfeilen durchbohrt erleidet den Märtyrertod, Altarbilder aus italienischen Kirchen sind zu sehen oder Madonnenbilder mit dem Jesuskind, die sich an der griechischen und byzantinischen Ikonenmalerei orientieren. Weitere Schwerpunkte bilden die Andachtsbilder der Pietà und der Sacra Conversazione, der heiligen Unterhaltung. Bei diesem Bildtypus ist die thronende Madonna mit dem Kind umgeben von Heiligen, welche in eine gemeinsame Konversation vertieft sind.

Beim Studium der Bilder fällt auf, dass beide Maler hemmungslos kopiert und abgepaust haben. Sie haben nicht nur gegenseitig geklaut und sich künstlerisch befruchtet, sondern ließen sich auch von den Kunstströmungen nördlich der Alpen inspirieren. Ein Urheberrecht, das Recht am „geistigen Eigentum“ gab es damals noch nicht.

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Bereits die „Darbringung Christi im Tempel“, 1454 von Mantegna gemalt und gleich zu Anfang der Schau ausgestellt, zeigt, dass Bellini knapp zwanzig Jahre später, die Komposition fast getreu übernommen hat und neue Figuren im Hintergrund einfügte. Gleichwohl ist die Übereinstimmung in Bildmotiv, Farbauswahl und Ikonografie frappierend. Auffallend ist, dass bei beiden Meisterwerken der Blickkontakt zwischen Maria und dem Kind fehlt. Gibt es keine emotionale Beziehung zwischen Mutter und Kind? Und warum hat Bellini auf den Heiligenschein der Protagonisten verzichtet?

Das Bild belegt jedoch die Nähe der beiden Maler, die lebenslang in regem Kontakt, als Maler, Freunde, Konkurrenten und Verwandte standen. Im Jahr 1453 heiratete Mantegna die Schwester von Bellini, Nicolosia. Der junge Maler wurde damit Mitglied der Familie Bellini, die zur bedeutendsten Malerdynastie in Venedig aufsteigen sollte. Etwa zehn Jahre lang arbeiteten beide Künstler eng zusammen, bis Mantegna sieben Jahre später nach Mantua zog, wo er bis zu seinem Tod als Hofmaler der Fürstenfamilie Gonzaga arbeiten sollte. Bellini dagegen, verbrachte seine Künstlerlaufbahn in Venedig. Im Jahr 1483 wurde er zum offiziellen Maler der Republik Venedig ernannt und mit der Ausmalung der Sala del Maggior Consiglio im Dogenpalast beauftragt. Eine weitere Ehre wurde ihm zuteil, als er 1501 den venezianischen Dogen „Doge Leonardo Loredan“ als Portraitbüste malte, heute in der National Gallery in London. Orientierte sich Bellini an Mantegnas „Portrait of Cardinal Lodovico Trevisano“, datiert auf 1459-1460, als der Künstler noch in Padua lebte, kurz bevor er sich in Mantua niederließ?

Oder ist die Typologie beeinflusst von den altniederländischen Portraitmalern wie Rogier van der Weyden, Jan van Eyck oder Robert Campin. Hier sei dessen Bild „Porträt eines feisten Mannes“, um 1440, erwähnt.

Bellini malte das venezianische Staatsoberhaupt nicht mehr im Seitenprofil, sondern im Dreiviertelprofil. Detailliert, in fotorealistischer Manier skizzierte er die Physiognomie des Gesichtes sowie die kostbare Amtstracht aus Brokat. Dargestellt mit der Corno Ducale, der Dogenkappe, einer steifen Kappe in Form eines Horns über einer weißen leinenen Kappe und dem Stehkragengewand mit den auffallenden Knöpfen, den campanoni d’oro, präsentiert der Doge seinen weltlichen Status, seine Würde und Autorität. Mithilfe der Ölmalerei, einer weiteren Neuschöpfung aus den Niederlanden, gelang Bellini die schimmernde Farbgebung der kostbaren Kleidung - die Ölfarben verdrängten zunehmend die sonst in Italien favorisierten Ei-Temperafarben sowie die Holztafeln als Malgrund, die von der Leinwand ersetzt wurden.

Neben dem „Bilderklau“ – es wurden auf Wunsch des Auftraggebers äußerst genaue Repliken von fremden Gemälden angefertigt – gab es aber auch Innovationen, inspirierende Bildfindungen, welche die Kunst der Renaissance revolutioniert haben.

Zu diesen „Erfindern“ gehörte der jüngere Mantegna, der fasziniert von der klassischen Antike war. Er entwickelte neue Bildmotive, die für seine Zeit unfassbar und revolutionär waren. So setzte er antike Architekturkulissen in seiner Malerei ein. In akribischer Detailtreue malte er Idealarchitekturen mit Säulen, Arkaden und Loggien. In diese Scheinarchitektur band er testamentarische und mythologische Bildthemen ein. Bellini, der zwar gerne die Bildfindungen seines Schwagers kopierte, räumte dagegen dem Bildhintergrund mit den Ideallandschaften, den Farben- und Lichtspielen sowie den agierenden Figuren im Vordergrund mehr Raum ein.

Ein weiteres Beispiel für ein überaus ungewöhnliches Bildmotiv ist Mantegnas „Beweinung Christi“ aus der Pinacoteca di Brera in Mailand. Mit diesem sehr realistischen Bild gelang dem Maler aus Padua eine Sensation: Nie zuvor wurde der tote, geschundene Körper Christi in einer perspektivisch verkürzten Form auf einem Stein liegend dargestellt. Ein weißes, faltenreiches Leinentuch bedeckt notdürftig die Nacktheit des Toten. Der Betrachter starrt direkt auf die dreckigen Fußsohlen mit den fleischigen Zehen. Der Anblick des Toten von den Fußsohlen her über Bauch und Brust bis zum Kinn und in die Nasenlöcher sei ein würdeloser, profaner Anblick, so der Kunsthistoriker Hans Jantzen, der von „einer Entgöttlichung der Heilandsgestalt“ spricht.

Die fünf, von den Nägeln zugefügten Stigmata, sind gut am Körper des Gekreuzigten zu erkennen, vor allen Dingen an den Füßen. Das schräg angeordnete, vom Todeskampf gezeichnete Gesicht ruht auf einem Kissen. Drei weinende Figuren stehen auf der linken Seite.

Trotz aller Nähe, entwickelten Bellini und Mantegna über die Jahre hinweg sehr ausgeprägte und persönliche Malstile. Die italienischen Malerstars aus dem 15. Jahrhundert adaptierten vorzugsweise religiöse Bildthemen, welche dem Zeitgeist der frühen Renaissance entsprachen, aber auch den Einfluss der katholischen Kirche und des Papsttums verdeutlichen. Immerhin galt die Geistlichkeit als einer der größten Auftraggeber der Renaissance-Maler. Erst mit dem Erstarken des Bürgertums sollten sich die Entwürfe der Künstler ändern.

Die Gemälde, die ursprünglich zur Andacht und Anbetung in italienischen Adels-, Patrizier- oder Gotteshäuser hingen, sind jetzt in Berlin zu bewundern. Haben diese religiösen Motive auch heute, 500 Jahre später, auf den Betrachter noch dieselbe Wirkung und Aussagekraft? Wie zum Beispiel, die makellose Schönheit der Jungfrau Maria? Oder die wohlproportionierten männlichen Körper der nackten Heiligen? Fragen, deren Antwort der Betrachter selbst finden muss.

Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance

Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni 2019 im Kulturforum, Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, Berlin, zu besichtigen.
Die Öffnungszeiten sind von Di., Mi. und Fr. 10–18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, Sa. und So. 11 bis 18 Uhr.
Weitere Informationen

YouTube-Video:
Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance | Gemäldegalerie | Ausstellungstrailer
#mantegnabellini


Abbildungsnachweis:
Header: Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie, 2019, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Galerie:
01.
Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie, 2019, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
02. Andrea Mantegna: Die Darbringung Christi im Tempel, ca. 1453, Leinwand, 77,1x94,4cm. © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
03. Giovanni Bellini: Die Darbringung Christi im Tempel, ca. 1472, Holz, 80x105cm. © Fondazione Querini Stampalia, Venedig / cameraphoto arte snc
04. Andrea Mantegna: Christus am Ölberg, um 1458-60 Holz, 62,9x80cm, erworben 1894 © The National Gallery, London
05. Giovanni Bellini: Christus am Ölberg, um 1465 Holz, 81,3x127cm, erworben 1863 © The National Gallery, London
06. Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie, 2019, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
07. Andrea Mantegna: Studien für die Figur des Christus an der Geißelsäule (recto / verso), frühe bis Mitte 1460er-Jahre, Feder und Tinte in Braun, auf Papier, 23,7x14,5cm. © The Samuel Courtauld Trust, The Courtauld Gallery, London
08. Giovanni Bellini: Der tote Christus, von Engeln gestützt, um 1475, Pappelholz, 82,9x66,9cm. © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
09. Andrea Mantegna: Pietà, 1456-59, Feder in Braun, auf Papier, 12,7x9,8cm. © Su concessione del Ministero dei beni e delle attività culturali e del turismo, Museo Nazionale delle Gallerie dell‘Accademia di Venezia
10. Giovanni Bellini: Bildnis des Dogen Leonardo Loredan, 1501-2 Pappelholz, 61,6x45,1cm, erworben 1844. © The National Gallery, London
11.
Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie, 2019, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker.

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