Das 19. Filmfest Hamburg überrascht auch dieses Jahr wieder mit ungewöhnlichen Themen und Schwerpunkten. „Wir zeigen rund 140 Spielfilme, Dokumentationen und Experimentelles aus dem In- und Ausland“, sagt Festivalleiter Albert Wiederspiel. „Dazu gehören Filme über Musik, die berühren, Filme über Umweltsünden, die aufregen, Krimis zum Gruseln und Liebesfilme, die zum Träumen einladen.“ Fast alle Filme laufen als Deutschland-, Europa- oder Weltpremieren und sind somit das erste Mal in einem deutschen Kino zu sehen.
Neu bei Filmfest Hamburg 2011 ist die Sektion MUSIK! mit insgesamt neun Produktionen. Gezeigt wird unter anderem der isländische Dokumentarfilm „Backyard“. Hier hören und sehen wir die besten isländischen Bands, wie sie in einem Hinterhof in Reykjavik bei Pizza und Pfannkuchen ein Konzert für ihre Fans geben.
Von ganz anderem Kaliber ist dagegen der Film „God Bless Ozzy Osbourne“ aus den USA. Zwei Jahre lang haben die amerikanischen Regisseure Mike Fleiss und Mike Piscitelli den „Fürsten der Finsternis“ auf seiner Tour begleitet. Ein ungeschminktes Porträt, in dem auch Freunde und Familienmitglieder zu Wort kommen. „Die Sektion MUSIK! ist der Nachfolger der Sektion KUNST! vom letzten Jahr. Die besten Spannungen entstehen, wo sich Kunstformen treffen, kreuzen oder ergänzen“, sagt Albert Wiederspiel.
Eyes on PARIS – Filmklassiker und Fotokunst
„Besonders freut mich, dass wir dieses Jahr eine Hommage an die Filmstadt Paris auf die Beine stellen konnten. Mit Paris verbindet jeder eine ganz persönliche Geschichte. Und wir alle assoziieren ganz bestimmte Bilder mit dieser Stadt“, begründet Festivalleiter Albert Wiederspiel seine Entscheidung. „Zudem spielt Paris in allein über 7000 Filmen entweder die Hauptrolle oder bietet die Bühne für die Handlung.“ Die Retrospektive mit dem Titel Eyes on PARIS zeigt neun Klassiker, von 1938 bis 2007, von Marcel Carnés „Hôtel du Nord“ bis „Chanson der Liebe“ von Christophe Honoré. Die Sektion wird vom Institut français unterstützt und in Kooperation mit den Deichtorhallen Hamburg präsentiert. Im Haus der Photographie eröffnet am 15. September die Ausstellung „Eyes on PARIS – Paris im Fotobuch 1890 bis heute“.
Aufgrund ihres großen Erfolges beim Publikum ist die Sektion Drei Farben Grün wie im letzten Jahr erneut im Programm. Hintergrund ist die Auszeichnung Hamburgs zur Umwelthauptstadt Europas 2011. Filmfest Hamburg präsentiert neun internationale Dokumentationen zum Thema Umwelt. Sehenswert ist unter anderem die mit Unterstützung der Filmförderung Hamburg Schleswig Holstein realisierte deutsch-türkische Koproduktion „Ecumenopolis: Stadt ohne Grenzen“. Es geht um Istanbul, im Zeitraffer aufgestiegen zu einer Weltmetropole. Das hat seinen Preis; jetzt soll eine dritte Bosporusbrücke gebaut werden und das letzte Waldgebiet im Norden der Stadt muss weichen.
Mit einem ganz anderen Problem beschäftigt sich der Film „Detroit Wild City“. Die US-Produktion zeigt sowohl die apokalyptische Seite der ehemaligen Autostadt als auch Lösungen: Grüne Pioniere verwandeln aus der Not heraus mitten in der Innenstadt brachliegende Grundstücke in fruchtbare Felder.
Schwerpunkt Macht: Politische Dramen und Revolutionen
Durch das gesamte Programm von Filmfest Hamburg zieht sich zudem der Schwerpunkt Macht. „Es gibt in diesem Jahr auffallend viele Filme über politische Machtstrukturen. Schade nur, dass in Deutschland selten Filme zu aktuellen politischen Themen produziert werden“, sagt Albert Wiederspiel. Bemerkenswert ist der Spielfilm „The Minister“ von Regisseur Pierre Schoeller aus Frankreich. Der Zuschauer hetzt mit Verkehrsminister Bertrand Saint-Jean von Termin zu Termin, sei es in der Öffentlichkeit oder im Privatleben. Ein fesselndes Drama über den Irrsinn der Politik. Schoeller war bereits im Jahr 2008 mit seinem Film „Versailles“ bei Filmfest Hamburg vertreten.
Ganz aktuell ist die Kurzfilmkollage „18 Days“ aus Ägypten. Zehn ägyptische Regisseure dokumentieren anhand von individuellen Schicksalen die Revolution in ihrem Land. Eine junge Frau aus den Slums gerät in den Straßenkampf, während ein Techniker brutalen Verhörmethoden ausgesetzt ist. Ein kleiner Schneider wiederum weiß gar nicht, wie im geschieht, und glaubt an einen Einmarsch der Israelis. Zentraler Schauplatz ist der Tahrir-Platz in Kairo, der zum Symbol des Widerstandes in der arabischen Welt wurde.
In der Sektion Agenda 11 stehen ebenfalls schon mehrere Filme für das Programm fest. Besonders zu erwähnen ist der Film „Once Upon a Time in Anatolia“ von dem mehrfach preisgekrönten türkischen Regisseur Nuri Bilge Ceylan. Zwölf Männer begeben sich mitten in der Nacht auf die Suche nach einer Leiche. Details leuchten auf im Scheinwerferlicht, es kommt zu Diskussionen über den Tod. Ist er ein unbegreifliches Mysterium oder eine Banalität der Natur? Ein Film von einzigartiger Intensität, dessen Sog sich das Publikum im Kino kaum entziehen kann. „Once Upon a Time in Anatolia“ erhielt dieses Jahr in Cannes den Grand Prix.
Der US-amerikanische Regisseur Gus Van Sant wurde mit seinen Filmen „Good Will Hunting“ (1997) und „Milk“ (2008) bekannt. Jetzt zeigt Filmfest Hamburg seinen neuesten Film „Restless“. Es geht um die ungewöhnliche Liebe zwischen zwei ungleichen Teenagern: dem morbiden Enoch – sein bester Freund, der Geist eines japanischen Kriegspiloten aus dem zweiten Weltkrieg existiert nur in seiner Phantasie – und der das Leben und die Natur genießenden Annabel.
Neue Filme aus Argentinien – Meisterwerke aus Island
Hervorzuheben beim 19. Filmfest Hamburg ist auch der Film „Las Acacias“ aus Argentinien, der in der Sektion Vitrina gezeigt wird. Das lateinamerikanische Land kann im Gegensatz zu seinen Nachbarn auf eine lange Kino- und Filmtradition zurückblicken. Im Roadmovie „Las Acacias“ transportiert ein wortkarger Lastwagenfahrer Holz von Paraguay nach Argentinien. Sein Leben verändert sich, als er eine junge Frau und ihr fünf Monate altes Baby auf seine Reise mitnehmen muss. Der Film gewann dieses Jahr in Cannes die Camera d´Or für das beste Debüt.
In der Sektion Deluxe zeigt Filmfest Hamburg 2011 Filmklassiker aus Island. „Kein anderes kleines Land auf der Welt produziert im Verhältnis zu seinen Einwohnern – dort leben nur so viele Menschen wie in Eimsbüttel und Ottensen zusammen – rund acht Spielfilme im Jahr. Vielleicht liegt es an der Tradition des Geschichtenerzählens. Ihre uralten Sagen bilden für die Isländer die Grundlage ihrer nationalen Identität.“ sagt Albert Wiederspiel. Zudem ist Island dieses Jahr auch Gastland der Frankfurter Buchmesse.
Eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang der Experimentalfilm „Der Ring“ (1985) von Fridrik Thor Fridriksson. Der Regisseur schraubte sich eine Kamera aufs Autodach und umkreiste auf der Hauptverkehrsader einmal die Insel. Alle zehn Meter machte die Kamera ein Bild und das auf insgesamt 1300 Kilometern. Entstanden ist ein fast psychedelischer Trip durch eine skurril-schöne Landschaft.
Die Sektion Nordlichter, Filme aus Hamburg und dem Norden, präsentiert dieses Jahr unter anderem den Film „Simon“. Als Vorlage diente der gleichnamige Roman der schwedischen Bestsellerautorin Marianne Fredriksson. Im Mittelpunkt steht eine jüdische Familie aus Deutschland, die vor den Nazis nach Schweden geflohen ist und sich dort mit einer einheimischen Familie anfreundet. In einer der Hauptrollen ist der Schauspieler Jan Josef Liefers zu sehen, der extra für diesen Film Schwedisch lernte.
Ab dem 11. August ist der neue Trailer von Filmfest Hamburg 2011 in ausgewählten Kinos der Hansestadt und auf der Webseite von Filmfest Hamburg zu sehen. Regie führte der Hamburger Filmemacher Henna Peschel, der letztes Jahr den Montblanc Drehbuch-Preis des Festivals gewann.
Das 19. Filmfest Hamburg findet vom 29. September bis 08. Oktober 2011 im Abaton, CinemaxX Dammtor, Metropolis im Savoy, Passage, 3001 und im B-Movie statt. Das 9. Michel Kinder- und JugendFilmfest findet vom 30. September bis 08. Oktober 2011 im CinemaxX Dammtor statt.
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