Die Kunst Kino zu sehen
- Geschrieben von Steven Gätjen -
Beitragsseiten
Ich habe mich immer gefragt, was Kino in den Menschen auslöst, das sie seit den Anfängen des 20ten Jahrhunderts Jahr für Jahr, zu Millionen in die Säle stürmen und manchmal bis zu 3 Stunden gebannt auf die Leinwand starren.
Was ist die Faszination, was ist das Interessante, was ist das Magische an diesem einen gesellschaftlichen Ereignis oder dieser Art der Freizeitbeschäftigung?
Eine Frage die jeder nur subjektiv für sich beantworten kann, denn genauso wie bei vielen Dingen im Leben sind die Geschmäcker unterschiedlich und somit auch der Anspruch an das, was man auf der Leinwand sieht.
Und genau das ist es, was mich nicht nur einmal in den letzten Jahren extrem fuchsig gemacht hat, wenn ich eine Kinokritik gelesen habe oder mit Freunden das „Gesehene“ diskutiere.
Ich bin, Dank meiner Eltern, schon sehr früh mit diesem fantastischen Medium in Berührung gekommen und bin seitdem absolut abhängig davon. Das schöne ist, dass über die Jahre meine Brüder, meine Freunde und ich mit jeder Art von Film in Berührung gekommen sind und meine Eltern den Kinogang regelrecht zelebrierten. Für mich ist Kino immer ein Ereignis und Erlebnis. Meine lebhaftesten Erinnerungen habe ich an die Autokinobesuche in Hamburg-Billbrook. Eine grauenhaft kalte Ecke Hamburgs, ein Ort, an dem man nicht aus dem Fahrzeug steigen will, wenn man es nicht muss. Ausgerechnet dort, haben sich einige der einprägsamsten Momente meiner „professionellen“ Kino-Guck-Karriere ereignet.
Es gab ein Ritual: Mein Vater sagte mir ein paar Tage bevor er ins Autokino wollte Bescheid und wir konnten ihn dann mit unseren Freunden begleiten. Kaum jemand von uns entschied sich dagegen. So ging es also los, mit Sack und Pack in einem alten Mercedes Kombi. Wolldecken wurden eingepackt und wir fuhren Richtung Billbrook. Kurz bevor wir an die Kasse des Autokinos kamen, versteckte wir uns unter den Wolldecken, weil pro Person und nicht pro Fahrzeug ein Ticket bezahlt werden musste...
So etwas wie von der FSK geprüfte Trailer gab es damals noch nicht. Die Vorschauen hatten es in sich, alte George A. Romero Zombiefilme, bizarre Kino-Auswüchse der aufklärenden 1970er und 80er Jahre mit Sascha Hehn in etwas pikanten Rollen und alte Godzilla Katastrophenfilme standen auf dem Vorprogramm.
Wir Kinder saßen alle auf den beiden Vordersitzen mit Kissen und Wolldecken und waren völlig fasziniert von dem, was sich dort auf der Leinwand abspielte.
Klassiker wie „Excalibur“, „Superman“ oder „Kampf der Titanen“ waren dann im Hauptfilm zu sehen. Großartig! Kino pur.
Aber was hat dies mit der Frage zu tun: Wie guckt man Kino? Obwohl ich beruflich mit dem Genre fast täglich zu tun habe, versetze ich mich nun einmal wieder in die unvoreingenommene Haltung, die ich damals aus meinen Kindertagen noch kenne. Mit welcher Erwartung gehe ich ins Kino und was möchte ich erleben? Mit ein paar Aussagen und Fragen möchte ich gerne den Dingen näher kommen: Ich kann es schon fast nicht mehr hören, wenn ich mit jemandem über „Avatar“ spreche und mein Gegenüber sagt: „Der Film war sehr gut, aber die Geschichte war platt!“ Warum? Was hat man erwartet? Man ist sich doch darüber im Klaren, dass es in „Avatar“ darum geht, durch fantastische Bilder in eine andere Welt gebeamed zu werden. Die Geschichte „Gut gegen Böse“ und die Tatsache, das sich unsere beiden Hauptfiguren ineinander verlieben, ist doch eine super Geschichte. Bei einem Woody Allen Film sagt doch auch niemand: „Super Film, aber überhaupt keine Action und Special Effects!“ Einige werden jetzt sagen, der Vergleich hinkt aber. Wieso? Wenn ich mir einen Jerry Bruckheimer Film anschaue erwarte ich: Action, knallbunte Farben, letztendlich 'Popcorn-Kino'. Bei Michael Haneke lebt die Geschichte von wundervollen Kamerafahrten und Farben - passend zum Inhalt. Ein 60jähriger Kinokritiker, weiß doch nicht, ob „Prinzessin Lillifee“ etwas für Kinder ist oder nicht. Weil er oder sie sich langweilt, heißt dies noch lange nicht, dass die 5- bis 10-jährigen das tun. Logisch, es gibt schlechte Filme, handwerklich grauenhaft in Szene gesetzte Streifen, aber ich bin der Meinung, man sollte wieder versuchen mit offenen Augen ins Kino gehen.
Nicht immer mit dieser sehr deutschen Mentalität und Einstellung, wo sehe ich etwas, was mir nicht passt, sondern völlig unvoreingenommen.
Damit meine ich nicht, nicht kritisch zu sein, aber man sollte sich Gedanken darüber machen, warum man diesen Film nicht mag. Ich schaue gerne alles vom Arthaus-Film bis zum Blockbuster, aber darf ich deshalb nicht mit einem Federico-Fellini-Fan diskutieren?
Das Genre Film deckt unglaublich viele Themenbereiche ab, da ist für jeden etwas dabei.
Und ganz wichtig: Man sollte alles mal probieren, wie beim Essen, wenn man nur Spaghetti mit Tomatensauce isst, weiß man doch gar nicht wie ein Salat schmeckt und ob man dem nicht doch etwas abgewinnen kann.
Manchmal verliere ich auch meinen Blick für einen Film, dann ist es umso wichtiger, sich mal wieder mit anderen Leuten zum Kino zu verabreden, damit man neu inspiriert wird.
Kino wurde schon häufig tot gesagt, aber es wird uns noch ganz lange erhalten bleiben und vielleicht haben Sie ja Lust, in den nächsten Wochen mit mir über Ihre Erlebnisse zu sprechen.
Welche Filme Ihnen gefallen oder was für Sie bei einem Kinobesuch ganz wichtig ist.
Ihr Steven Gätjen
(Steven Gätjen arbeitet in Deutschland und den USA als Event- und Fernsehmoderator. U.a. war er für Sender wie MTV, ZDF, Pro7, Kabel Eins und SAT 1 tätig. Weitere Informationen unter: www.stevengaetjen.com)
Foto: © Fox Avatar - Aufbruch nach Pandora / Sam Worthington
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment