Frank Peter Zimmermann spielt Mozart
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Frank Peter Zimmermann hat auf seiner Stradivari „Lady Inchiquin“ drei Violinkonzerte von Mozart und zwei Einzelsätze neu eingespielt. Die großartige Aufnahme ist die erste von drei CDs bei Hänssler, auf denen Zimmermann alle Werke Mozarts für Violine und Orchester neu aufnimmt. Schon auf der ersten CD strahlt die überlegene Heiterkeit und gelassene Extraklasse eines Violinisten, für den Mozart die musikalische Mitte ist.
Mozart mochte nicht mehr geigen. Aus Paris schrieb er am 11. September 1778, kurz vor seiner Rückreise nach Salzburg, an den Vater: „Nur eines bitte ich mir zu Salzburg aus, und das ist: dass ich nicht bey der Violin bin, wie ich sonst war. Keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beym Clavier will ich dirigieren.“ Der Satz markiert nicht nur die Absage an ein Instrument, das er seit seiner Kindheit brillant spielte. Es ist auch ein Stück Loslösung vom Vater und seiner beständigen Einflussnahme.
Der junge Mozart war als Violinspieler mindestens so bekannt wie als Pianist; seine Konzerte wurden bejubelt, seine erste Anstellung 1772 als Konzertmeister in der Hofkapelle des Salzburger Erzbischofs, im Alter von 16 Jahren, verdankt er der Geige (und dem Vater, der dort zweiter Konzertmeister war). Darüber hinaus hatte sich Leopold Mozart als Violinpädagoge einen bedeutenden Namen gemacht. Und war hartnäckig der Meinung, dass Wolfgang Amadeus noch mehr aus seiner Geigenkunst machen könnte.
Schrieb der von einem Erfolg in Paris: „Zu guter Letzt spielte ich die letzte Cassation aus dem B von mir. Da schaute alles groß drein. Ich spielte, als wenn ich der größte Geiger in ganz Europa wäre“, dann nörgelte der Vater, sein Geigenlehrer, zurück: „Du weißt selbst nicht, wie gut du Violin spielst, wenn du nur dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit und Geist spielen willst, ja so, als wärest du der erste Violinspieler in Europa.“ Dem setzte Wolfgang Amadeus mit seinem „Keinen Geiger gebe ich mehr ab“ den Schlusspunkt und widmete sich fortan dem Klavier. Das war sein Instrument und nicht mehr das des Vaters. Sein neuer Brotjob in Salzburg: Hoforganist. Der Opernkomponist Mozart war in Salzburg damals noch nicht gefragt.
Sein erstes Violinkonzert und sein erstes Klavierkonzert hat er 1773 geschrieben. 1775 folgten vier weitere Violinkonzerte – und dann keines mehr (die Autorenschaft zweier weiterer steht in Zweifel). Klavierkonzerte dagegen schrieb er bis zu seinem Tod – die stattliche Zahl von 27.
...als ob es gerade komponiert worden wäre
Frank Peter Zimmermann hat jetzt für die erste CD seines neuen Mozart-Projekts das erste und das dritte und vierte der Mozart-Violinkonzerte aufgenommen. Die Mozart-Konzerte begleiten den Weltklasse-Geiger aus Duisburg, Jahrgang 1965, seit Jahrzehnten. Jedes von ihnen hat er an die 300mal im Konzert gespielt, sie sind so etwas wie der ruhende Pol, um den sich seine musikalische Welt dreht und zu dem er immer wieder zurückkehrt, um sich neu zu justieren. Es sind Stücke, an denen man überprüfen kann, ob die eigene Linie im Lot ist, Stücke, an denen man wächst. Sie sind nicht einfacher zu spielen, wenn man Ausflüge ins romantische oder zeitgenössische Violinrepertoire gemeistert hat – das Leise, Dezente, das Feine, die Lockerheit und Spontanität und die entspannte Heiterkeit von Mozarts Musik muss man sich jedes Mal zurückerobern. „Es muss klingen, als ob es gerade komponiert worden wäre.“
Zwei Jahre nur brauchte Mozart, um vom ersten Konzert in B-Dur, das noch von etlichen Konventionen aus dem italienischen Stil Vivaldis und den Überraschungen der empfindsamen Epoche geprägt ist, zu seiner ganz eigenen Tonsprache zu finden. Sie findet im dritten, im G-Dur-Konzert ihren ersten grandiosen Ausdruck, im unmittelbaren Ansprechen menschlicher Gefühle, weniger im Einsetzen großartiger Effekte. Mozart integriert mit Finesse Volksmusik, Opernthemen und eigene himmlische Melodien.
Das Dritte begleitet Zimmermann seit seinem Debüt im Alter von 16 Jahren mit den Berliner Philharmoniker. Heute, mehr als dreißig Jahre später, ist er ein Meister der fein phrasierten Ton-Sprache, die der Musik dient, sie zum Klingen bringen und sie nicht in die eine oder andere Richtung interpretieren will. Es ist eine Lust, der noblen Eleganz seines Bogenstrichs zu folgen, die feinste Nuancen herausarbeitet, als wären sie ihm im Augenblick eingefallen. Genau diese Dezenz, seine kammermusikalische Intimität, aber auch ihre Intensität ist im Zeitalter der Effekthascherei und Äußerlichkeiten das Spektakuläre an Zimmermanns Mozart-Spiel. Besonders gut zu hören ist das im geradezu göttlichen Adagio des G-Dur-Konzerts, bei dem die Violine über den Pizzicato-Bässen und gedämpften Streichern aufblühen und singen darf.
Will West-LB-Nachfolger Zimmermanns Stradivari verkaufen?
Die Violine: Zimmermann spielt seit zwölf Jahren auf der Stradivari „Lady Inchiquin“ von 1711. In einem Interview schwärmt er von diesem Instrument: „Es ist nicht leicht, mit einem solchen Top-Instrument zusammenzuwachsen. Vier, fünf Jahre hat es gedauert, bis sie ein Teil meines Körpers geworden ist. Sie hat mich verfeinert“, sagt er. Man hört das: Die „Lady“ spricht auf jede Art Bogenstrich warm und voll an, kann aber bei hingetupften Noten auch keck klingen, regiert auf die kleinsten Nuancen. Inzwischen muss man ein wenig Angst haben, dass diese fruchtbare Symbiose zu Ende gehen könnte. Die Besitzer der Geige, die Portigon – ein Finanzdienstleister in der Rechtsnachfolge der West LB – möchte das an Zimmermann als Leihgabe vergebene Instrument, so hörte und las man’s kürzlich, zu Geld machen. Was bei einer Stradivari immerhin zwischen vier und zwölf Millionen Euro bringen kann. Ob sie dann aber weiter bei Zimmermann bleiben darf? Hoffen wir’s – für ihn und uns.
Der andere Partner in Zimmermanns Mozart-Projekt ist das Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Radoslaw Szulc. In der schlanken „neapolitanischen“ Besetzung des Orchesters mit zwei Oboen, zwei Hörnern und Streichern – so hell, leicht und luftig wie der Himmel an einem sonnigen Frühlingstag über Neapel – sind sie dem Solisten Dialogpartner, aber auch Dienstleister für Mozarts Musik, die sie aus derselben fließenden Leichtigkeit heraus spielen. Auf die beiden folgenden Mozart-CDs mit Zimmermann und seinen Münchener Begleitern darf man mit Recht gespannt sein.
W.A. Mozart: Violin Concertos 1,3,4, Rondo KV 373 und Adagio 261
Frank Peter Zimmermann (Violine), Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Leitung: Radoslaw Szulc.
Hänssler Classic
Nr. 98.039.
CD erscheint am 3. Februar.
Abbildungsnachweis:
Header: Frank Peter Zimmermann. Foto: Harald Hoffmann
CD-Cover
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