Kultur Kolumne
- Geschrieben von Harry Popow -
Die Zitterpartie der Macht
Welch ein Glück im Unglück. Wie üblich nach einem Zwischenfall auf Leben und Tod so auch diesmal, wie erwartet: Kaum war das Kind vom Bahnsteig auf die Gleise zu Tode gestoßen worden, saßen auch schon die Oberen in einem Glashaus mitten in einem riesigen Gelände privaten Grund und Bodens beisammen und knobelten mit Hilfe künstlicher Intelligenz daran, was gegen das unendlich zunehmend scheinende Ungemach ( Feindbilder im Osten, Rassismus, Korruption, Antisemitismus, Nationalismus, rechter Populismus, Gewalt, sogenannte Gefährder, Rechtsradikale und, und, und... ) im deutschen Lande umgehend in Angriff genommen werden muss: Mehr Überwachung. Mehr Polizei. Null Toleranz. Zum Beispiel gegenüber Drogendealern. Vielleicht auch neue Mauern, so an Bahnsteigen? Mehr Rüstung, mehr Drohnen... Dies auf jeden Fall!
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Es startet langsam und ist doch so eindrucksvoll und fesselnd wie lange nicht mehr. Zu hören sind sechs Musiker mit einer Hommage – und unglaublich viel Gefühl für die traditionsreichen Stücke, die sie zu Gehör bringen. Die CD „Pannonica“ birgt aber noch mehr: Produzent Siggi Loch widmet mit dieser CD der „Jazz-Baroness“ Pannonica de Koenigswarter eine starke musikalische Erinnerung.
- Geschrieben von Stefan Diebitz -
Es sollte sein letzter großer Text bleiben: 1932, fünf Jahre, nachdem ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen worden war, veröffentlichte Henri Bergson, von schwerer Krankheit gezeichnet, sein Alterswerk: „Die beiden Quellen der Moral und der Religion“.
- Geschrieben von Marion Hinz -
Zwanzig Jahre haben Fans in aller Welt auf eine Fortsetzung gewartet, jetzt ist sie endlich da! Mit „Echo eines Freundes“ hat der norwegische Bestseller-Autor seinen fünften Roman über den Sonderling Elling im Nautilus Verlag veröffentlicht. Wie alle bisherigen Bücher des in Hamburg lebenden Kultautors hat Gabriele Haefs, seine Ehefrau und vielfach ausgezeichnete Übersetzerin, auch den neuen Roman ins Deutsche übersetzt.
Längst hat Ingvar Ambjørnsen mit seinem Antihelden Weltruhm erlangt: Die Elling-Romane wurden in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Es gibt auch ein vielgezeigtes Theaterstück über den liebenswerten Spinner und einen Film, der im Jahr 2002 als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert war.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
In unterschiedlicher Zusammensetzung haben sie schon gemeinsam gespielt, doch noch nie fanden sich alle vier zusammen. „High-performance four-cylinder engine“ verspricht das Label nun für die neue CD, mit einem perfekten Zusammenspiel aller „Gänge“. Und Jazz als Benzin. Passt, finde ich.
- Geschrieben von Dagmar Reichardt -
In rund 90 Jahren wird wohl jeder Dritte auf unserer Welt Afrikaner sein: Europa muss sich auf gewaltige Migrationsbewegungen aus dem südlichen Kontinent einstellen. Noch ist der Brexit nicht vollzogen, und schon schlagen schottische Intellektuelle Alarm: Obwohl sie Bürger vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Irland sind – ein Staat, der beim Referendum 2016 mit knapper Mehrheit (51,89%) für den EU-Austritt gestimmt hat – will Schottland keinen EU-Austritt, sondern EU-Land bleiben. Droht Europa in einer neoliberalen Welt, die sich Anno 2019 globalen Machtverschiebungen von West nach Ost ausgesetzt sieht, geistig, politisch und kulturell auseinanderzufallen?
- Geschrieben von Marion Hinz -
Die meisten deutschen Leser haben die 91jährige englische Schriftstellerin Jane Gardam erst spät kennengelernt. Das war 2015, als sie mit ihrer Trilogie um Old Filth einen Megaerfolg beim deutschen Publikum und bei der Kritik erzielte. Ein Erfolg, der bis heute anhält. Zu Recht, denn Jane Gardam ist eine großartige Erzählerin – und eine Grande Dame der englischen Literatur.
Die deutsche Lovestory zwischen Autorin und Lesern begann also mit Old Filth. Genau um diesen drehte sich fast alles in „Ein untadeliger Gentleman“, dem ersten Teil der Trilogie. Diesem Roman folgte „Eine treue Frau“ und zu guter Letzt „Letzte Freunde“. Allesamt liebenswerte Bücher. Zum Glück erschienen und erscheinen nach und nach immer mehr „neue“ Gardam-Bücher auf dem deutschen Buchmarkt.
- Geschrieben von Willy Theobald -
Der deutsche Jazzpapst Joachim-Ernst Berendt schrieb über Inge Brandenburg: „Endlich hat der deutsche Jazz seine Stimme!“. „Time Magazin“ verglich sie mit Billie Holiday. Die 1990 verstorbene Sängerin spielte mit Musiklegenden von Chet Baker über June Christie bis Ted Heath.
800 Euro wurden vor einigen Monaten bei einer Online-Auktion für ihr einziges Solo-LP „It’s Alright With Me“ aus dem Jahr 1965 gezahlt.
- Geschrieben von Stefan Diebitz -
In diesen Tagen ist die Wohnungsnot eines der wichtigsten Themen der Politik. Sonst kann man sich ja auf überhaupt nichts einigen, aber hier kennt man über alle Parteigrenzen hinweg immer nur die eine Antwort: Bauen, bauen, bauen… Wie kann man in einer solchen Situation das Bauen verbieten wollen? Ist der Autor noch ganz bei Sinnen?
- Geschrieben von Hans-Joachim Schneider -
Wie schreibt man eine Kunstkritik, wenn man mit dem Künstler seit Kindertagen befreundet ist? Vielleicht lieber gar nicht!? Gerade auch, weil sich die Kunst eines Michael Knepper nicht so einfach in die Moderne einordnen lässt!
Man kann seine Malerei als hyperrealistisch bezeichnen. Aber was ist damit gewonnen? Dafür sind seine Motive zu unterschiedlich. Da sind Porträts bekannter Persönlichkeiten, die den Betrachter im ersten Augenblick stutzen lassen (Ist das ein Foto oder ist es gemalt?). Da gesellt sich Amy Winehouse zu John F. Kennedy, da blickt uns Jean Michell Basquiat aus skeptisch-müden Augen an.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Das Schlagzeug als Solo-Instrument ist nicht unbedingt das, was man auf einer Jazz-Platte erwartet. Denn eigentlich ist es nichts selbstverständlicher, beweist der Schweizer Dimitri Monstein mit seinem Ensemble auf seinem Album „Landscape“.
Der junge Drummer mixt Klassik und Jazz mit einem Quäntchen Filmmusik, setzt dabei aber eben vorrangig auf das Schlagzeug – und erzeugt so jede Menge Kino im Kopf.
- Geschrieben von Claus Friede -
Eigenartiger Name für eine Band! Ein fokussiertes Jahr – was hat es mit der zeitlichen Limitierung auf sich?
Focusyear ist ein einjähriges Programm für ein international zusammengestelltes Ensemble von neun Studenten, das in regelmäßigen Abständen von anerkannten Meistern der internationalen Jazzszene trainiert wird. Dahinter steht die Musik Akademie in Basel mit dem Jazzcampus.
- Geschrieben von Stefan Diebitz -
Manchmal findet sich der Mensch in Situationen wieder, in denen er sich gar nicht richtig verhalten kann – was auch immer er tut, er wird jemanden verletzen oder gar töten. Der Philosoph Thomas Zoglauer diskutiert tragische Konflikte aller Art und kritisiert die Lösungsansätze seiner Kollegen.
Es sind fast immer Gedankenexperimente, mit denen zeitgenössische Philosophen ihre Überlegungen zur Moral illustrieren oder von denen sie ausgehen. Ein solches Gedankenexperiment stellt den Führer einer hügelab rasenden Straßenbahn vor das Dilemma, mit jeder möglichen Aktion einen unbeteiligten Menschen zu töten. Er will den Zug bremsen, aber er kann das nur tun, indem er den Tod eines Unbeteiligten in Kauf nimmt. Wie diskutiert man ein solches Problem? Ist es legitim, den Tod eines Einzelnen gegen den Tod vieler aufzurechnen? Und kann ein solches Szenario eine Grenzsituation wirklich realistisch abbilden? Lässt sich Moral ausrechnen, kann man einige Zahlen zusammenzählen und dann sagen, hier sterben so und so viele Menschen, auf diese Weise einige weniger, also wäre folgendes zu tun?
- Geschrieben von Harry Popow -
Mutters Salon
Bei einem fröhlichen Gartenfest mit Kindern, Enkeln und guten Bekannten sitzt Großvater Michel etwas abseits im großen Sessel, ganz Ohr für die lustigen Reden und Witze, leise lächelnd. Auf seinem Schoß ein soeben zu Ende gelesenes Buch, denn er ist nach wie vor eine Leseratte. Der Titel: „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“. Gerne würde er, der die letzten Kriegsjahre als Junge – ebenso wie der Autor – noch miterlebt hat, diese Lektüre mal anderen zeigen, aber er will die fröhliche Runde nicht stören. Weiß er doch aus Erfahrung, politische Bücher sind nicht jedermanns Ding. Und wenn, dann nähert man sich ihnen nur mit sehr spitzen Fingern und mit bedeutungsvollem Schweigen. Also sitzt er still und bescheiden, noch tief ins Gelesene versunken.