Wie schreibt man eine Kunstkritik, wenn man mit dem Künstler seit Kindertagen befreundet ist? Vielleicht lieber gar nicht!? Gerade auch, weil sich die Kunst eines Michael Knepper nicht so einfach in die Moderne einordnen lässt!
Man kann seine Malerei als hyperrealistisch bezeichnen. Aber was ist damit gewonnen? Dafür sind seine Motive zu unterschiedlich. Da sind Porträts bekannter Persönlichkeiten, die den Betrachter im ersten Augenblick stutzen lassen (Ist das ein Foto oder ist es gemalt?). Da gesellt sich Amy Winehouse zu John F. Kennedy, da blickt uns Jean Michell Basquiat aus skeptisch-müden Augen an.
Andere Arbeiten verweisen auf die romantische Weltsicht von Michael Knepper, wobei die Natur gerade in den älteren Arbeiten übermächtig bedrohlich wirkt. Ein Floß mit Segel wird zwischen Eisschollen zerdrückt (Titel: Don’t let anybody take the wind out of your sail. Ironie?) oder der Arm eines riesenhaften Kraken greift aus bedrohlich aufgewühltem Meer nach einem Segelschiff.
Wie bin ich ihm begegnet? Wir kommen beide aus dem Hunsrück. Ein Landstrich zwischen Mosel und Nahe, ohne größere Stadt, während unserer Jugend noch bäuerlich geprägt. Armes Land, bald hieß es: strukturschwache Region. Das Leben war vom Überleben bestimmt. Kunst war nicht vorgesehen. Michael lebte im Nachbardorf. Wir lernten uns mit etwa 14 kennen. Bald spielten wir gemeinsam in einem Verein (anfänglich in der Schüler-, später in der Jugendmannschaft Fußball). Damals wusste ich noch nichts von seinem Talent.
Zwei, drei Jahre später, vielleicht mit 17, kam ich in eine Kneipe seines Heimatortes. Dort wurde wie üblich das Fußballspiel des kommenden Wochenendes per Aushang angekündigt. Was mir sofort auffiel: Dieser Aushang war künstlerisch gestaltet. Im ersten Moment war ich völlig überrascht. Wer machte denn sowas? Wer verfügte hier über solches Talent? Das hatte es bei uns noch nie gegeben. Als ich den Wirt danach fragte, nannte er mir den Namen meines Freundes: Michael Knepper. Er selbst hatte mir nie davon erzählt.
Er machte zu der Zeit eine Ausbildung zum Automechaniker. Die hat er gottseidank aufgeben müssen. Sonst würden wir heute vielleicht nicht diese großartigen Kunstwerke sehen. Aber – es war C.G. Jung, der dies schrieb: Eine große Begabung bricht sich immer Bahn.
Anstatt Autos zu reparieren, studierte er dann Visuelle Kommunikation in Trier. Die Ausbildung bei Prof. Borkham war die Grundlage für seine Karriere als Illustrator und Grafiker. Zwei Jahre verdingte er sich nach seinem Diplom in einer Werbeagentur in München. Ab 1982 arbeitete er als freiberuflicher Illustrator und Maler. Es entstanden u.a. Großflächenplakate für die Spatenbrauerei in München.
1994 zog er mit Frau und Kind nach Hamburg. Zu seinen gewerblichen Kunden zählten Siemens, Mercedes, Opel, Adidas, Bayer, Provinzial, Mustang, Jever, Diet, König, Ludwig Musical und Samson (ja, die mit dem Löwen auf dem Tabak).
Über viele Jahre gestaltete er Titelseiten für Spiegel, Stern, Playboy, National Geographic und andere Verlage. Er war eine der gefragtesten, wenn nicht der gefragteste Illustrator Deutschlands.
Er hörte auf, als die Verlage zunehmend nur noch digital erstellte Vorlagen verlangten. Dazu hatte er keine Lust. Er wollte weiterhin sein Handwerk ausüben. So konzentrierte er sich in der Folge ganz auf die Malerei.
Erfolge hatte er damit zunächst in Amerika. Dort liebt und schätzt man seine Kunst. Man sah seine Bilder in Miami, New York, Washington, Daytona, Sturgis und Las Vegas.
Nun also in Hamburg: Giving Art a Face.
Warum aber der Kunst ein Gesicht geben? Vielleicht als Kontrapunkt zur modernen Malerei, in der fast nur noch das Abstrakte, das Nicht-Gegenständliche als zeitgemäß gilt. Abstraktion ist Michael Knepper fremd. Seine Kunst hat ein Gesicht, hat viele Gesichter. Ich bin immer wieder davon angetan, wenn ich erlebe, wie – auch und gerade – junge Menschen vor der Galerie stehen bleiben und sich – durchaus laut und vernehmlich ¬ staunend über die Lebendigkeit und Detailtreue der dargestellten Gesichter auslassen.
Hier ist Michael ganz einem Kunstideal verpflichtet, das vielen Kritikern als banal, weil antiquiert gilt. Kunst hat für ihn mit Kreativität und mit Können zu tun. Wer die Gelegenheit hat, ihm einmal beim Malen zuzuschauen, versteht, was damit gemeint ist. Er ist nicht eher zufrieden, bis jedes einzelne Haar stimmt, jede Pore, jeder Reflex. Er ist keiner, der noch schnell sechs Bilder in der Nacht vor der Ausstellungseröffnung malt.
Gesichter gibt es in dieser Ausstellung viele zu sehen: Sowohl fotorealistische Porträts als auch der Phantasie des Künstlers entsprungene Frauen mit überbordendem Kopfschmuck. Nein, das stimmt nicht ganz. Diese Frauengesichter hat er gesucht, in Modelkarteien, bei Fotoagenturen, im Internet. Und er weiß genau, was er sucht und gibt sich nicht zufrieden, bis er das Gesicht gefunden hat, das ihm vorschwebt. Was sie auf dem Kopf tragen, taugte jeweils für ein klassisches Stillleben. Beim „Female Fruit Warrior“ ist es ein Tableau aus Obst, bei „Ocean Medusa“ krönen Meeresfrüchte das Haupt und bei der in Grautönen gehaltenen „Medusa“ sind es Schlangen.
Die Ausstellung zeigt einen Überblick über Michael Kneppers künstlerisches Schaffen der vergangenen 20 Jahre, wobei ältere Werke nur vereinzelt vertreten sind. Seine oft sehr großformatigen Bilder, in Acryl und Öl gemalt, sind meist in gedeckten, teils düsteren Farben gehalten. Schreiend Buntes ist ihm fremd.
Dass man trotzdem mit einem Lächeln im Gesicht die Ausstellung verlässt, liegt vielleicht daran, dass er trotz des hyperrealistischen Ansatzes in seiner Darstellung der Menschen diese immer veredelt, überhöht. Arnold Schwarzenegger war nie so schön wie bei Michael Knepper. Sein Jesus mit der Dornenkrone wirkt auf dezente Art sexy.
Ja, und zum anderen liegt es an der gewinnend offenen Art des Künstlers, der (mit wenigen Ausnahmen) über die gesamte Dauer der Ausstellung anwesend ist.
Michael Knepper: Giving Art a Face
zu sehen bis 26.06.2019 in derGalerie Kunstraum, Deichstraße 28, 20459 Hamburg
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: (c) Michael Knepper
Header: Basqiuat (Detail)
Galerie:
01. Legacy of a new generation
02. Face to fear
03. Female fruit warrior
04. Blick in die Ausstellung
05. Medusa
06. Nature struggle
07. Blick in die Ausstellung
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