Bildende Kunst

Es ist eine erstaunliche Installation, die der isländisch-dänische Künstler Ólafur Elíasson ins Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk bauen ließ.

 

Eine wahre Herausforderung für die dänische Museumsinstitution und ein hoher technischer Aufwand waren notwendig, um „Riverbed“ durch verschiedene, Räume im Südflügel zu leiten. Ort und künstlerisches Werk gehen eine wunderbar vielschichtige und sinnreiche Auseinandersetzung ein.


Elíasson ließ tonnenweise graues Geröll und Steine aus Island in ein Band aneinander angrenzender Innenräume schütten. Kommt der Besucher vom Eingangsbereich so macht dieser einen leichten Aufstieg durch die sonst so klaren und sauberen sowie weiß-getünchten Räume. Ein kleiner Bach schlängelt sich zudem durch die Arbeit, es plätschert das Wasser, es knirschen die Steine unter jedem Schritt – festes Schuhwerk ist keine falsche Entscheidung gewesen. Es fühlt sich eigenartig an, langsam durch die Räume zu gehen, denn einerseits hat man das Gefühl irgendwo oberhalb der Baumgrenze in öder Landschaft zu sein, anderseits ist die Künstlichkeit eines Filmsets spürbar, die Inszenierung dessen, etwas großem, aufwändigen auf der Spur zu sein. Der Besucher ist recht schnell auf sich selbst zurückgeworfen, muss körperliche und geistige Entscheidungen treffen, die zwischen bekannten und unbekannten physischen und psychischen Territorien oszillieren. Um das Werk überhaupt überblicken zu können, muss es durchquert werden. Die Aktion der Besucher ist von entscheidender Wichtigkeit – das Werk begleitet ihn und er begleitet es. Vergleichbar der Werke von Franz Erhard Walther ist die Handlung, die Benutzung des Kunstwerks ebenso entscheidend, wie dessen Anschauung und zeitliche Komponente. Sich physisch distanzieren oder sich ihm gar zu entziehen, kann keiner.

 

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Ein Aspekt wird schon im ersten Moment des Betretens der „Bühne“ deutlich: der Künstler trennt in seinem Werk den Begriff Landschaft von dem der Natur: er setzt sie in einen architektonisch geschlossenen Raum und verzichtet vollständig auf Vegetation und Geräuschkulisse der Fauna.
Die Natur tobt nur draußen, es ist immens stürmisch am Tag meines Museumsbesuchs, die Bäume biegen sich und die hohen Wellen brechen sich am Kiesstrand Seelands. Bäume, Sträucher, irgendetwas Grünes, Vogelgezwitscher oder Hundegebell sucht man also innerhalb der begehbaren Landschaftsskulptur vergeblich und das ist auch gut so, weil das Werk sonst nur eine Simulation wäre.


Der definierte architektonische Raum und die Richtungsbezogenheiten seiner Durchquerungsmöglichkeiten haben ihre Wirkungen auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst hat „Riverbed“ etwas Allgemeingültiges, denn es spielt mit Bekanntem. Jeder hat sich schon einmal in einer Steinlandschaft bewegt, musste sich einen Weg suchen, über ein Rinnsal springen, kennt das Geräusch von knirschendem Schotter unter den Füßen. Das ist eine Art Déjà-vu-Effekt und mildert Annäherungsschwellen für nicht in der Kunst heimischen Besucher.


Und doch ist alles anders, trotz der Kargheit gibt es die Faszination einer gewissen „Entleerung“ und der künstlerischen Sprache, denn Elíasson kehrt die Idee der Land-Art der 1960er- und 70er-Jahre um. Nicht die Landschaft wird künstlerisch als Raum inszeniert, sondern der Raum wird „belandschaftet“. Und zwar so, dass es sich nicht um ein verkleinertes Modell handelt, sondern um ein abgeschlossenes, der Wirklichkeit entsprechend proportioniertes Kunstwerk.
Zudem ist das Licht stringent gleichmäßig, zyklische Tages- und Jahreszeiten verschwinden während der Öffnungszeiten. Auch die potentielle Zeitlosigkeit der Inszenierung gehört zur Idee des Künstlers sein Werk von derlei Information und vorgefasster Sinnhaftigkeit loszukoppeln.


Auch liegt die Faszination im technischen Aufwand und im Respekt dessen, was der Künstler, das Museum und seine Mitarbeiter geleistet haben.


Jedem Besucher ist es selbst überlassen wie lange er sich durch die Steinlandschaft bewegt, so entkoppelt sich die Erlebniszeit von der Realzeit.

 


Schließlich, am Ende des „Weges“ steht man in einer Elíasson-Arbeit, die er „Contract is content“ nennt, was man mit „Kontraktion ist Inhalt“ übersetzen könnte. Es ist einem gleichnamigen Buch entlehnt, das Landschaftsfotografien aus Island zeigt. In der Bibliothek des Museums hat der Künstler seine Publikationen zusammengetragen und präsentiert dort seine neue Homepage.


Auch im Nordflügel des Museumskomplexes sind weitere Werke des Künstlers zu sehen: der „Model room“, eine seit 2003 mehrfach in Europa und den USA gezeigte Arbeit. Auf einem gigantischen Tisch sind eine Unzahl von geometrischen und architektonischen Modellen zu sehen, Entwürfe für Gebäude und Objekte, die oft in Zusammenarbeit mit dem isländischen Künstler Einar Thorsteinn entstanden sind. Hier ist man sowohl den geistigen und ästhetischen Überlegungen und Arbeitsprozessen nahe.
Schließlich findet der Besucher in der „Hall Gallery“ drei Videoarbeiten: „Your embodied garden (2013), „Movement microscope“ (2011) sowie „Innen Stadt Aussen“ (2010). Alle Werke sind inhaltlich und gedanklich mit dem verknüpft, was in den anderer Räumen zu sehen ist.


Ólafur Elíasson: Riverbed

Die Ausstellung ist bis zum 4. Januar 2015 im Louisiana Museum of Modern Art zu sehen ist.
Gl. Strandvej 13 in 3050 Humlebæk, Dänemark

Weitere Informationen (Museum)
Ein Katalog ist zur Ausstellung erschienen: ISBN 978-87-92877-28-4

 
KulturPort.De dankt der
DB Bahn für die Unterstützung.

 
Abbildungsnachweis Galerie: Ólafur Elíasson
01. Katalogtitel
02. und 03. Riverbed, 2014. Installationansichten. Fotos: Anders Sune Berg. Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk
04. bis 06. Model room, 2003. Installationansichten. Fotos: Anders Sune Berg. Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk
07. Superimposed video stills from the Movement microscope, 2011, HDV 16:9, 14:15 min. Supported by LUMA Foundation. Courtesy of the artist; neugerriemschneider, Berlin; and Tanya Bonakdar Gallery, New York. © 2003 Olafur Eliasson
08. video still from Your embodied garden, 2013, HDV 16:9, 9:23 min (60–65). Courtesy of Fondation Louis Vuitton © 2013 Ólafur Elíasson
Video zu Riverbed: Claus Friede

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