Musik
alt

Beweinet Rubeben, Fiedeln und Symphonien
Psalter, alle höfischen Instrumente
Quinternen, Flöten, Harfen und Schalmaien
Querflöten und auch die Waldnymphen
Tambourine auch, spielt mit den Fingern
Alle Instrumente, alle, die antik seid:
Tut eure Pflicht, beweint liebe Gallier
Den Tod von Machaut
Der edel in der Kunst der Rhetorik war.

(Die Beweinung des Todes von Guillaume de Machaut)

Guillaume de Machaut (1300 - 1377) war ein französischer Dichter und Komponist der sogenannten „ars nova“ der beginnenden Mehrstimmigkeit. Er war einer der ersten Komponisten vom dem Notenaufzeichnungen erhalten sind wie die „Messe de Nostre Dame“.

Wir hören heute sehr selten klassische Musik wie das unsere Großeltern und Urgroßeltern taten. Viele klassische Orchester mit „modernen“ Instrumenten wurden abgelöst oder zumindest ergänzt durch ganz andersfarbige Instrumentengruppen, die sich an dem sogenannten „Originalklang“ orientieren. Besonders die Musik vom 11. bis zum frühen 18. Jahrhundert wurde durch die Orientierung zum Originalklang neu bestimmt und entdeckt.

Kaum jemand würde eine Händel-Oper, ein Bach-Cembalokonzert oder selbst eine Mozart-Sinfonie heute noch mit einem rein „modernen“ Instrumentarium aufführen. Man versucht dem Klang den Händel, Bach und Mozart selbst gehört haben, nahe zu kommen, sowohl in der Besetzungsstärke, als in den Instrumenten die eingesetzt werden. Man kann diese Suche nach der authentischen Aufführungspraxis, die um 1975 mit musizierenden Musikwissenschaftlern wie David Munrow und Christopher Hogwood in London, dem Cembalisten Gustav Leonhardt in den Niederlanden und dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt in Österreich oder dem Gambisten Jordi Savall mit seiner Gruppe Hesperion XX in Spanien begann, in ihrer Bedeutung durchaus mit den Ausgrabungen antiker Schätze oder der genauen stilgetreuen Restauration Gemälde alter Meister vergleichen.
Plötzlich kamen nämlich die echten Klangfarben zutage, die man beispielsweise in der mittelalterlichen Musik wirklich zu hören bekam – ein oft revolutionäres Hörerlebnis, das erlaubte, in die musizierende Welt der Troubadoure an französischen Höfen im 13. Jahrhundert einzutauchen oder die Festmusiken der Renaissance Fürstenhöfe im Original zu erleben. Entscheidender Schlüssel für diese neuartige Aufführungspraxis und Sichtweise von „alter“ Musik war die Wiederentdeckung und Rekonstruktion der Instrumente der jeweiligen Epoche.

Galerie - Bitte Bild klicken
Sicher gab es immer schon die originalen Amati-, Guaneri- oder Stradivari-Geigen aus dem Italien des 16., 17. oder 18.Jahrhunderts, die der eine oder andere gefeierte Solist benutzte, aber man hatte vor 1960 recht wenig Ahnung wie Musik in diesen Frühzeiten wirklich klang. Viele der Instrumente waren nicht mehr „auszugraben“. Streichinstrumente hatte man oft noch gefunden – wie Gamben oder Violen und Violinen. Aber was war mit Blas- oder Zupfinstrumenten und Schlagwerk? Da kamen Darstellungen alter Instrumente und Musiker zu Hilfe.

Besonders das „Syntagma Musicum“ des deutschen Organisten und Komponisten Michael Praetorius (1571 - 1621) der mit seiner Sammlung „Terpsichore“ (1612) eine Art frühe „Hitparade“ der Popmusik seiner Zeit zusammenstellte, die überall in Europa, an den Höfen und in den Gassen gesungen und getanzt wurde. Dankenswerterweise veröffentlichte Praetorius gleichzeitig mit den Tänzen in Kupferstichen detailgenaue Darstellungen der zu verwendenden Instrumente die dann zur Vorlage dienten sie für den Originalklang moderner Interpretation nachzubauen. Zum Beispiel den Zink oder das Krummhorn, Blasinstrumente die ähnlich klingen wie Oboen nur eben doch anders. Oder die vielen verschiedenen Blockflöten von Bass bis „Gar Klein Flötlein“ – letzteres im Klang am besten zur vergleichen mit einer hohen irischen Whistle. Oder ventillose Fanfaren-Trompeten die für jedes Original klingende Bach-Orchester heute selbstverständlich sind. Ihr genaues Abbild wurde von frühbarocken Engelsdarstellungen abgenommen, die mit ihnen aus dem Himmel an der Krippe musizierten.

Danach war schnell das Ende der sogenannten kurzen Bach-Trompete gekommen, die niemals den weich-silbrigen sanften Klang dieser wiederentdeckten, rekonstruierten, ventillosen Fanfaren erreichte. Man kann diese Beispiele fortsetzen und heutzutage gibt es eine bunte Menge von zumeist jungen Originalklang-Orchestern die eine faszinierende Musik mit diesen Instrumenten Rekonstruktionen aufführen.

Das flämische Platten-Label Ricercar, in dieser Pionierzeit des neuen Klanges von Jerome Lejeune in Brüssel gegründet, ist so ein Beispiel. Bei Ricercar begann der Dirigent Philippe Herreweghe mit einem Orchester der Chapelle Royale und dem Collegium Vocale Gent seine Weltkarriere. Er machte sich besonders mit seinen ungewöhnlichen tief empfundenen Bach-Aufführungen einen Namen und gehört heute zu den besten Bach-Interpreten unserer Zeit. Mittlerweile gibt es mehrere hunderte von Ricercar-Aufnahmen die sich der Originalen Aufführungspraxis der Epochen von 11. bis zum 19. Jahrhundert widmen.

Junge Musikergruppen wie das Ensemble Doulce Memoire unter Denis Raisin-Dadre das Anthologien französischer und italienischer sogar dänischer Musik des 14. bis 16 Jahrhunderts eingespielt hat, das Flanders Recorder Quartet, das Ricercar Consort unter dem Gambisten Philippe Pierlot, Jean Tubery ein Zink Virtuose oder L’Appergiata geleitet von der Lautenistin Christina Pluhar. „Le Poeme Harmonique“ unter Vincent Dumestre gehört dazu und selbst der bekannte deutsche Lautenist Konrad Junghänel verdiente musikalische Sporen im Originalklang auf Ricercar bevor er mit seinem Ensemble Cantus Coelln berühmt wurde.

Ricercar veröffentlichte, aus seinem reichen Archiv schöpfend, eine Anthologie der alten Instrumente die in ihrer Art wohl einmalig sein und vermutlich auch bleiben dürfte.
Anhand dieser Kombination vom reich illustriertem, hochinteressantem Buch und Musikbeispielen auf CD kann sich jeder ein Klangbild machen wie sehr sich die Art und Weise wie wir Musik heute hören verändert hat.

Die Instrumente werden in Fotos und Illustrationen, Beschreibungen und Musikbeispielen einzeln und in Gruppen vorgestellt. Das Buch bietet außerdem ein Glossarium in dem man in drei Sprachen, Französisch, Deutsch und Englisch die jeweiligen Instrumente aufsuchen kann, ihre Geschichte erfährt und hört wie sie klingen.
Die Reise durch die Musik geht von der Gotik bis in die frühe Romantik. CD I mit gotischen und mittelalterlichen Klängen, CD II & III widmen sich der Renaissance, CD IV der Zeit des italienischen Frühbarock um Monteverdi, CD V präsentiert Musik am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV von Frankreich und früher Musik der lutherischen Fürstenhöfe. CD VI ist Johann Sebastian Bach gewidmet, CD VII der Zeit des Rokoko am Hof von Ludwig XV von Frankreich und die letzte CD VIII der Wiener Klassik um Mozart und Beethoven bis hin zum Beginn der Romantik.

Hier folgt ein Auszug aus der Beschreibung des „Krumhorn“:
„Die Krumhörner werden schon in der frühen Literatur beschrieben. Man hat sie anscheinend am Ende des 16. Jahrhunderts erfunden. Allerdings zeigen bereits die Miniaturen der „Cantigas de Santa Maria“ ein solches Instrument das „Platerspil“ genannt wird. (...)

Der Korpus ist am Ende gekrümmt. Diese Instrumente klingen besonders gut wenn sie als Familie zusammenspielen, etwa in Art einer Regalorgel. Praetorius beschreibt das Stimmwerk von sechs verschiedenen Stimmlagen: Kontrabass, Bass, Tenor, Alt, Cantus und „Klein Cantus“. (...)

Über das Spiel des Krumhorns in der Renaissance gibt es einige Erwähnungen von denen eine der letzten die von Schein in seinem „Banchetto Musicale“ veröffentliche „Padouana“ (langsamer Schreittanz) ist. Allerdings ist der Gebrauch dieses Instruments zeitlich wie örtlich sehr beschränkt; es wird hauptsächlich in Deutschland und Italien gespielt.“

Als Musikbeispiel wird dann auf CD III. Track 16 eine „Guardane almo pastore“ ein Hirtentanz aus der italienischen Renaissance zu vergleichen sein, von Francesco Corteccia (1502 bis 1571) komponiert, der von der gesamten Familie der Krummhörner gespielt wird.

Buch und Platten bieten eine faszinierende Reise durch die Zeiten mit oft bislang ungehörten Klängen, die uns die „alte“ Musik spannend neu entdecken lassen.


Leitfaden durch die historischen Instrumente / A Guide to Period Intruments / Guide des Intruments Anciens
Box mit 200-seitigem- und reich illustrierten Buch, mit acht CDs im eigenen Schuber und mit mehr als zehn Stunden Musik.
Ricercar Records
Bestellnummer: RIC 100
ASIN: B002P9KAO0
Preis: Zu finden im Internet von 45 bis 65 Euro

Fotonachweis:
Header: Historische Flöten aus Irland. Foto: Ricercar
Galerie:
01. und 02. Cover des Buches und der Kassette "Leitfaden durch die historischen Instrumente"
03. CD-Seite im Buch. Foto Herby Neubacher
04.04 Panflöten der Hochgotik. Darstellung aus einer Handschrift des 14. Jahrhunderts. Foto: Ricercar
05. Fidel und Organum - damit wurde im Mittelalter Tanzmusik gemacht. Foto: Archiv
06. Familie der Krumhörner nach einer Darstellung von Michael Praetorius im 16. Jahrhundert. Foto: Ricercar
07. Musiker der Renaissance mit Doppelflöte und einem Vorläufer der Mandoline. Foto: Archiv
08. Sackbuts oder Renaissance Posaunen nach Darstellung des Michael Praetorius aus "Syntagma Musicum". Foto: Ricercar
09. Fanfaren-Trompete des Barock - die ventillose "echte" Bach-Trompete
10. Fanfaren von Englen gespielt auf einer Krippendarstellung des 15. Jahrhunderts deinten zur Vorlage für den Nachbau der ventillosen Bach-Trompeten. Foto: Archiv

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment