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Harte Bandagen
Möglich ist all das aber nur durch bedauerlich harte Bandagen:
Das Stellwerkteam mit rund 25 Helfenden arbeitet von Anbeginn und ausschließlich ehrenamtlich – im wahrsten Sinne: unentgeltlich. Bei 120-140 Konzerten, dem vor- und nachbereiten samt Buchhaltung, Werbung, Flyer- und Plakat-Gestaltung und -Verteilung etc. kommen da schnell 3-4000 Stunden im Jahr zusammen. „Selbst wenn wir das als 1-Euro-Jobber täten, wären wir schon wieder im Minus“, so Langanke.
Um Miete, GEMA, Hotel- und Druckkosten für Flyer und Plakate zu stemmen, braucht es auch ohnedies rund 4.000,- € monatlich. Und daher wird die „Selbstausbeutung“ der Musiker – wie Langanke sie folgerichtig benennt – zum Konzept.
„Bei uns bekommen alle Musiker lediglich Anteile der Eintrittseinnahmen. Das kann schon mal mehr als 1.000 Euro werden, aber eben auch 10,- €“, so Langanke realistisch. Aber ohne städtische Förderung sei eben nur das Prinzip „von der Hand in den Mund“ möglich.
„Brutal, durchaus. Aber alles andere wäre schön geredet und dennoch gibt es viele Jazzer, die das auf sich nehmen, was wohl kaum eine andere Kulturgattung machen würde: totales Risiko“, so Langanke. Und wieder rechnet er: „bei rund 8-9000 Gästen in den Clubkonzerten bekämen andere Kulturinstitutionen rund 80.000-90.000 Euro jährliche Unterstützung. Man muss sich schon seine Gedanken machen, wie weit man diese Art von Kulturdumping betreiben will. Das ist im Grunde und wirklich „great shit!“

Externe Stimmen
Aber ein guter Gastgeber scheint das Stellwerk-Team zu sein:
Es sieht sich in seiner Arbeit bestätigt, wenn von Pär Lammers (Pianist) gesagt wird: „Für fast alle jungen aufstrebenden Jazzbands auf Tournee in Deutschland ist mittlerweile klar, dass das Stellwerk die erste Anlaufstelle in Hamburg ist.“
Am 15.11.2009 löste sich das Stellwerk vom Kunstverein Harburger Bahnhof und agiert seitdem komplett selbstständig. Dafür allerdings sind die Mietkosten auch happig gestiegen.
Da ist es natürlich Balsam für die Jazzer-Seelen, wenn Musiker wie der in Hamburg lebende Trompeter und 2. Vorsitzende des Musikervereins „Jazzhaus Hamburg e.V.“ Michael Langkamp zum Jubiläum ausrichten lässt: „Ich bin unglaublich beeindruckt von eurem Durchhaltevermögen und der Arbeit, die ihr geleistet habt.“
Oder die Pianistin Fee Stracke, die schreibt: „Da nicht wirklich viele Leute gekommen sind, sah es finanziell nicht so gut für uns aus. Dennoch würde ich gerne wieder kommen. Ich hoffe ihr macht weiter“.

Die Agentin von Chris Gall, Vivian Peruth, lobt: „Für uns Booker und Musiker ist es in erster Linie wichtig neue Kontakte zu generieren und uns ein Publikum zu erspielen. Das Stellwerk bietet unbekannten Musikern und Agenten Möglichkeiten, die andere Hamburger Clubs (wie die Fabrik oder das Birdland) uns selten bieten. Wir waren sehr überrascht, dass an einem 1. Mai so viele Leute zu euch ins Stellwerk gekommen sind und uns zugehört haben. Das zeigt, dass Ihr Euch trotz unschönen Toiletten- und sonstigen Bedingungen auch ein treues Publikum erspielt habt und die Leute eurem Geschmack trauen.“ Aber sie bemerkt auch: „Wir wünschen Euch von Herzen, dass Ihr bald finanzielle Unterstützung bekommt, weil ein Dauerbetrieb auf solch aufopfernde Art und Weise wie Ihr sie betreibt, nicht lange gut gehen kann.“

Die Sängerin Marie Séférian bemerkt: „Die Arbeit die das Stellwerk leistet, unterscheidet sich in vielerlei Dingen von anderen Jazzclubs. Viele Jazzclubs haben vergessen, dass es um die Musik geht. Das Stellwerk aber bietet den Künstlern eine gute Atmosphäre und ist daran interessiert für alle Beteiligten einen schönen Abend zu gestalten.“

Auch der international renommierte Pianist Hans Lüdemann bringt es auf den Punkt: „Das "Stellwerk" schließt eine Lücke im Hamburger Kulturangebot. Es ist eine hervorragende Ergänzung zu bestehenden Einrichtungen wie der Fabrik und dem Birdland, ein Ort, der gleichermaßen wichtig ist als „Brutstätte“ für die jungen Musiker, als Spielort für die Hamburger Szene und als Auftrittsort für die überregionale Jazz-Szene. Es ist ein Ort der Kreativität, denn hier auf der Bühne entsteht diese Musik.
Das Programm kann sich sehen lassen und weist neben enormer Breite viele Höhepunkte und künstlerisch ambitionierte Veranstaltungen auf.
Für mich persönlich stellte ein Konzert im "Stellwerk" die Weichen für die Einladung zu einer Gastprofessur in den USA in 2009/2010.
Das "Stellwerk" zeichnet sich nicht nur durch sein Programm, sondern auch durch die engagierten Macher und Mitarbeiter aus. Zudem hat es das einzigartige Flair des Ortes "zwischen den Gleisen", der ähnlich überrascht, wie wenn Harry Potter am Bahnhof in eine andere Welt eintritt.
Ganz nebenbei schafft es das "Stellwerk" noch, den kulturell wenig profilierten Stadtteil Harburg erheblich aufzuwerten.
Es ist schwer zu verstehen, warum die Stadt Hamburg diese Einrichtung nicht massiv fördert. Dass das "Stellwerk" seine Leistung so lange aufrechterhalten konnte, ist wundervoll und grenzt an ein Wunder - denn es ist weder selbstverständlich, dass die Mitarbeiter ehrenamtlich arbeiten, noch dass die Musiker auf eigenes Risiko auftreten. Dies auf Dauer fortzusetzen, erscheint schwierig. Ich würde dem "Stellwerk" wünschen, dass Euer Engagement endlich durch städtische Unterstützung belohnt wird. Dies würde ermöglichen, dass kulturell noch mehr Glanzlichter gesetzt werden könnten und das "Stellwerk" eine dauerhaft tragfähigen Perspektive erhielte.“

Und auch das Publikum selbst ermuntert immer wieder zum Durchhalten. So etwa wie Gast Stefan nach einem Konzert in einer Mail schrieb. „Besonders gut finde ich, dass bei euch neuer frischer Jazz gespielt wird, den man normalerweise nicht hört.“

Die Vielfalt
Und in der Tat: Immer wieder findet man außergewöhnliche Projekte im Stellwerk. So zum Beispiel stellte Gunter Hampel gemalte Bilder aus und improvisierte dazu. Dieter Glawischnig zelebrierte nicht nur seinen 70. Geburtstag im Club sondern zu anderer Zeit einen Ernst-Jandel-Abend mit wortgewaltigen Texten, das U-Boot-Orchester tauchte im Stellwerk nicht nur mit Schnorcheln und Wassertrompeten auf sondern auch mit Videoinstallationen und einer tanzenden Nixe.
Der Stellwerk-Club ist eben selten normal.

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