Musik
Richard Davis Safety Net

Richard Davis, aufgewachsen Ende der Sechziger Jahre in London und seit den 1990er-Jahren in Berlin lebend, hat eine weiche, helle, aber sehr eigene Stimme, die jedoch auch dezidierte kleine, raue und präzise Schärfen produzieren kann. Ungewollt passend dazu heißt das Hamburger Label „A Clean Cut“, welches seine neue EP „Safety Net“ heute veröffentlicht.

Der Musiker, der auch unter diversen Alias-Namen (Dennis Kensington, Junkie Sartre und Paul Davis) bisher mit Swayzak, Trentemøller, Bomb The Bass, Ulrich Schnauss, Noir u.a. auf sich aufmerksam machte, zeigt wieder einmal ganz ohne Sicherheitsnetz seine kompositorischen, stimmlichen und musikalischen Fähigkeiten. Davis, der sich zunächst im House- und Techno-Bereich tummelte und sich vor allem am amerikanischen-, insbesondere Detroit- und Chicago-Deep House orientierte, ist hier ganz anders. New Wave, Electronic Pop und Alternative lautet die Begriffsreihung für seine neue EP und es ist durchaus spürbar, wie nahe er seinen musikalischen Heroes David Bowie und Talking Heads in den Songstrukturen und ihrem warmen Sound in den späten 60ern kommt.

COVER Richard Davis Safety NetRichard Davis lässt sich treiben, er hat weder seine Karriere minuziös geplant oder planen lassen, noch bereitet er sich bei seinen Songprojekten so vor, wie man es vermuten würde: einem festen vorgefertigten Regelwerk folgend. Nein, der Künstler lebt von Schritt-für-Schritt-Inspiration, er setzt seine Bausteine so zusammen, wie das ein Puzzle-Spieler tut. Baustein für Baustein muss jedoch zunächst erst einmal gefunden werden. Wie das Gesamtbild am Ende aussehen wird, bleibt bei seiner Arbeitsweise lange im Unklaren. Die Puzzle-Teilchen heißen bei ihm Sound und Lyrics, seine Arbeitsmethode heißt behutsame und teilweise langwierige Annäherung. Sortieren ist hierbei eine extrem wichtige strukturierte Arbeitstätigkeit.

Sowohl die Stücke „Safety Net“, „Singing A War“ als auch „Feel Like A Change“ unterliegen dem „All-Over“-Prinzip, das man aus der bildenden Kunst kennt. Eigentlich haben seine Songs keinen genuinen Anfang und kein Ende, sie lassen sich in die Unendlichkeit loopen. Musik, Klang und Geschichten seiner Lyrics unterliegen den Kreisläufen des Lebens, in all seiner wandelbaren Bandbreite von Melancholie, zuweilen Depression, bis hin zu rhythmisch-tanzbaren und ausbalancierten Freuden. Die düsteren Seiten vieler Songs bilden dabei einen durchaus wichtigen Part im Storytelling von Richard Davis, denn sie suchen immer deren musikalischen und realistischen Counterpart und sind somit richtungsbezogen ehrlich.



Äußerst gelungen dazu – sowohl inhaltlich wie formal – ist das Musikvideo von „Singing A War“, für das Clemens Wittkowski von „bauhouse“ verantwortlich ist. In einem verspiegelten, Iglo-artigen Raum ist der Mensch (Davis) auf sich selbst zurückgeworfen, und bei allem was er tut, ist das sichtbare Gegenüber immer das Selbst. Nichts bleibt in der Reflexion ungesehen oder unkontrolliert; Narzissmus hat nun begrenzt einen Platz; Wirkungsstätte und Klausur gehen ein Verhältnis ein; der Grat zwischen Freiheit und Gefangen- bis Geborgen-Sein scheint schmal... Diese Reihung ließe sich fortsetzen.

Wittkowski arbeitet einfühlsam mit unterschiedlichen Licht- und Farbsituationen, sodass etwas Tages- und Nachtzeitliches entsteht und damit das Lebenszyklische auf eine eigene künstlerisch-visuelle Weise parallel zum Musikalischen läuft. Die Nähe des Kamerafokus’ auf dem Protagonisten und die teils extremen Blickwinkel – das „come closer – much closer“ – ist die visuelle Entsprechung der methodischen Annäherung von Davis an seine Kompositionen, und ist nicht nur der Enge des Raums geschuldet. Physischer und psychischer Raum bedingen einander konsequent.

Clemens Wittkowski lässt im Video mal den Sänger seinen Song singen, mal mit geschlossenem Mund diesen lediglich erfühlen und ergründen. Dies intensiviert die Atmosphäre immens und setzt den Sänger einen kurzen Augenblick gleich mit dem Zuhörer und Betrachter. Ziemlich genial gemacht.
Übrigens: schließlich findet Richard Davis den Ausgang aus dem Spiegelkabinett noch kurz vor Ende des Clips...
Brillante Arbeit aller Beteiligter.

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Richard Davis: Safety Net
All songs written, produced and performed by Richard Davis. Additional vocals on "Safety Net" by Annie Grossjohann
Label: A Clean Cut
Vinyl 12“ / Digital EP
Remixes by Ada and Jarle Bråthen

Video Credits:
„Singing A War", video directed by Clemens Wittkowski - bauhouse
Starring Richard Davis
Camera work by I AM JOHANNES
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Abbildungsnachweis: © Fotos: I AM JOHANNES, Berlin
Cover Design by Total Eclipse Of The Heart, Hamburg.
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