Kultur, Geschichte & Management
hamburgmuseum - Taktgeber Hafen

Wirtschaftliche Lebensader, Freizeitgebiet, Touristenmagnet – was wäre Hamburg ohne die Elbe?
Einfach nicht denkbar, wie die Schau „Taktgeber Hafen“ im Museum für Hamburgische Geschichte zeigt.

Vier neue Räume vollenden nun den historischen Rundgang durch die Jahrhunderte, der bislang mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts einfach aufhörte. Endlich können die Besucher in einem Rutsch von der Hammaburg zur HafenCity reisen – und kommen zum Schluss auch informationstechnisch in der Gegenwart an: Größte Attraktion in der permanenten Schau ist ein interaktiver Medientisch, der per Zeitrad und Fingerdruck elf Epochen vor Augen führt und den Wandel der Stadt und der umliegenden Landschaft ungemein anschaulich macht.

Hamburgs Aufstieg zum Welthafen begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Auf dem Großen Grasbrook wurden ab 1860 die ersten künstlichen Hafenbecken angelegt, von 1881-1888 entstanden Freihafen und Speicherstadt (bis heute der größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt), 1910 wurden die St. Pauli Landungsbrücken eingeweiht und 1911 folgte die Eröffnung des St. Pauli Elbtunnels. Der Hafen wuchs in atemberaubender Geschwindigkeit und das hatte nachhaltige Folgen für die Elbe selbst: Sie wurde den Ansprüchen gemäß förmlich „zurechtgeschnitten“. Zum einen durch Deiche, Sperrwerke und Schleusen, die zum Schutz der Bevölkerung vor Sturmfluten entstanden. Zum anderen durch regelmäßige Vertiefungen, damit die immer größer werdenden Schiffe an ihr Ziel gelangen konnten. Bereits 1913 war der Hamburger Hafen der bedeutendste des Kontinents und – nach London und New York – drittgrößter Hafen der Welt. Zwar gab es durch Weltkriege und Wirtschaftskrisen immer wieder Einbrüche, doch der Hamburger Hafen erholte sich immer erstaunlich schnell. Selbst seine 80-prozentige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg konnte ihn nicht auf Dauer schwächen. Bereits 1955 übertraf der Jahresumschlag das Volumen der Vorkriegszeit.

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Die größte Zäsur für die Entwicklungsgeschichte des Hafens aber bedeuteten nicht die Kriege, sondern die Industrialisierung des Seeverkehrs seit den 1960er Jahren: Mit dem Containerzeitalter und der damit verbundenen neuen Logistik veränderte sich der Hafen fundamental. Containerbrücken ersetzten die Kräne, traditionelle Hafenberufe wurden ebenso überflüssig, wie die alten Lagerschuppen und Kaianlagen.

Heute gilt der 7.236 Hektar große Hamburger Hafen als einer der führenden Containerhäfen weltweit. Das ist vor allem dem hochmodernen Container Terminal Altenwerder zu verdanken, der vor zehn Jahren eröffnet wurde. Im Rekordjahr 2008 wurden hier 140,4 Mio. Tonnen Waren umgeschlagen, davon 95,1 Mio. Tonnen in Containern. (Das entspricht 9,7 Mio. Standartcontainern).

An diesem Terminal wurde vor wenigen Wochen auch das derzeit größte Schiff Deutschlands getauft. Die „Hamburg Express“, das jüngste Flaggschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, ist 366 Meter lang (mehr als drei Fußballfelder) und kann 13200 Standard-Container fassen. Ältere Frachtschiffe nehmen sich dagegen wie Spielzeuge aus, insbesondere die Ewer der Vorkriegszeit, wie der unmittelbare Vergleich im Hamburg Museum zeigt. Dort steht so ein Mega-Pott am Ende einer ganzen Flotte von Frachtschiffen (genau genommen sind es 13 Modelle im Maßstab 1:100) und führt anschaulich die Entwicklung der Schiffart vom Anfang des 20. bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts vor Augen.

Besonders eindrucksvoll ist jedoch das drei Meter hohe und acht Meter breite Stadt- und Hafenrelief von 1929, an dem man jahrzehntelang achtlos vorbei lief. Mit Lichtprojektionen toll animiert, hat es sich nun in ein interaktives Multimedia-Objekt verwandelt, das im abgedunkelten Raum en Detail die Entwicklungsschichte des Hafens über die Jahrhunderte erzählt: Wie sich der Hafen von der Alster zur Elbe hin verlagerte, wo die großen Werften entstanden, wo Waren gelöscht wurden und wo die spätere Ballin-Stadt, das Auffanglager für Auswanderer entstand. Gleich nebenan zeigt ein großes Modell, wie arbeits- und personenintensiv die traditionelle Stückgutverladung doch war und in einer Vitrine vis-à-vis sind die Produkte Hanseatischer Traditionsunternehmen ausgestellt, die von diesen Piers aus in die Welt gingen: Vom Hamburger Bier über Gummistiefel und Golfbälle, bis hin zu Reifen, Rechenschieber, Zigaretten und Zapfpistolen.

Vorbei an weiteren Stadtmodellen und einer Fotowand, die den Wandel der Stadt zur Millionenmetropole dokumentieren, führt der Weg in die Gegenwart zum abschließenden „Stadtforum“ und dem ganzen Stolz des Hamburg Museums, dem interaktiven „Hamburg-Tisch“.

Man muss allerdings nicht chronologisch durch Hamburgs Geschichte spazieren, um zu diesem spektakulären Hightech-Gerät zu gelangen. Man kann auch problemlos die Reise „rückwärts“ antreten und seinen Schritt gleich in das neue„Stadtforum“ lenken, um über dem Tisch in die Vergangenheit abzutauchen. Elf Epochen lassen sich mit Hilfe eines mechanischen Zeitrades ansteuern. In jedem Zeitabschnitt sind die wichtigsten städtebaulichen Veränderungen sowie einschneidende historische Ereignisse grafisch verortet worden. Eine Drehung am Rad und schon ist man beispielsweise im Jahre 900, als Hamburg noch eine befestigte Siedlung an der Alster war und Hammaburg hieß. (Hamme ist das altsächsische Wort für Ufer, bzw. Gelände am Fluss, die Hammaburg war also die Burg am Fluss).

Aus der Vogelperspektive sieht man den kleinen Missionsstützpunkt am Flussufer liegen und einen Schwarm Wildgänse darüber fliegen. Sogar ihr Geschnatter ist zu hören. Bei Berührung entsprechender Markierungen öffnen sich Fenster mit kartographischen und thematischen Zusatzinformationen über die ersten Siedler oder frühe Kirchen und Friedhöfe. Dreht man das Zeitrad weiter, gelangt man in das Mittelalter zu Barbarossa und seinem Privileg der Zollfreiheit für Hamburger Kaufleute. Oder zu den Glaubensflüchtlingen um 1500. Oder zum großen Brand von 1842. Oder zur Sturmflut 1960. Oder zur HafenCity 2012. Oder, oder, oder. Mehr als 200 Einzelthemen sind hier installiert, wer all die einzelnen Informationen, Bilder, Filme und Texte abrufen will, ist Stunden beschäftigt. Aber es macht unglaublich Spaß. Nicht nur jungen Leuten, die mit neuen Medien aufgewachsen sind, sondern auch den älteren, für die dieses interaktive Objekt wahre Zauberkräfte entfaltet. Keine Frage: Mit der Ausstellung „Taktgeber Hafen“ ist das hamburgmuseum endlich State of the Art. Und für Direktorin Lisa Kosok ein Beispiel dafür, „wie modern und unterhaltsam es überall“ in ihrem Haus und in den andern kulturhistorischen Museen der Stadt aussehen könnte – wenn Hamburg mal endlich wieder in seine Museen investieren würde.


„Taktgeber Hafen. Hamburgs Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert“, ständige Ausstellung im „hamburgmuseum“ (Museum für Hamburgische Geschichte), Holstenwall 24, 20355 Hamburg. Führungen: Jeden Sonntag um 15 Uhr.
Alle Informationen unter www.hamburgmuseum.de

Fotonachweis: alle Isabelle Hofmann
Header: "Made in Hamburg"
Galerie:
01. Hafenkneipe um 1900 – auf dem Weg in die Gegenwart
02. Medientisch
03. Warenumschlag am Schuppen 81, Modelle

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