Im Kulturhistorischen Museum Magdeburg beschäftigt man sich seit einem guten Jahrhundert nicht nur mit Gemälden, sondern mit Otto dem Großen (912-973), jenem deutschen Kaiser, der einer der frühen Gestalter Europas wurde und dessen Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation bis 1806 Bestand hatte.
Magdeburg und die Region berufen sich bis heute auf die Wirkkräfte, die von Otto I ausgingen und der mittelalterliche Stadt bedeutsamen Auftrieb gab. Von hier aus sollte die Christianisierung des Osten Europas ausgehen.
Anlass der noch bis zum 8. Oktober laufenden Ausstellung ist der 1050. Todestag Kaiser Ottos des Großen, der am 7. Mai 973 in Memleben (Sachsen-Anhalt) starb und dessen Grablegung im Dom von Magdeburg stattfand.
Auf die Taten und das Wirken des Kaisers wurde in späteren Epochen – trotz Quellenarmut des 10. Jahrhunderts – sowohl in der Geschichtsschreibung als auch in den künstlerischen Genres vielfach Bezug genommen. Diese Rezeptionsgeschichte(n) spiegeln dabei immer auch die jeweiligen Zeiten und ihren Blick auf Otto den Großen. Mittels zahlreicher Exponate vom Mittelalter bis in die Gegenwart können Besucher sich in der Ausstellung diesen verschiedenen Deutungen und Interpretationen nähern.
Das Kaisertum Ottos des Großen beruhte auf antiken und karolingischen Wurzeln und stützte sich auf die katholische Kirche. Er war der Sohn König Heinrichs I (um 876-936) und der Stammmutter der Ottonen, Königin Mathilde (um 896-968), Herzog der Sachsen, 936, durch den Tod seines Vaters, in Aachen zum König des Ostfrankenreichs gekrönt und ab 951 wurde er König von Italien und ab 962 römisch-deutscher Kaiser.
Sein Ruf eilte ihm nach der Lechfeldschlacht bei Augsburg im Jahr 955 und dem Sieg über die Ungarn, später über die Slawen voraus und er erhielt den Nimbus des „Retters der Christenheit“ und von seinem Chronisten, dem Mönch Widukind von Corvey sowie seinen Mitstreitern die Betitelung „pater patriae" – des Vaters des Vaterlandes, da er die Deutschen Stämme vereinte.
Seine Italienfeldzüge, der Aufenthalt in Rom, die Ehe seines Sohnes Otto II. mit Theophanu von Byzanz und die späteren Verhandlungsgeschicke sowie weitreichende Beziehungen bis Afrika machten ihn zu einem europäischen Herrscher.
„Wie dieser Romischer kaÿser ist zů Romischenn kaÿser von Bebstlicher hailickait gekront worden“, Chronik der Sachsen und Thüringer des Georg Spalatin, Papier, H 46 cm, B 31 cm, Wittenberg 1515-1517. © Landesbibliothek Coburg, Spalatin-Chronik, Ms Cas 10, Fol. 81v.
Die Ausstellung will diesem Wirken in der Stadt Magdeburg, der Region und Europa über die Jahrhunderte hinweg nachspüren und zeigt dafür in einer einzigartigen Zusammenstellung prägnante Originale unter anderem aus Coburg, Dresden, Halle (Saale), Frankfurt/M., München und Pavia/Italien. In verschiedenen Abteilungen wird mit unterschiedlichen Schwerpunkten den Taten und der Deutung nachgegangen: „Starke Frauen“, „Anfänge und Gründungen“, „Heldentaten“ „Glanz und Gnade“ sowie „Große ihrer Nationen. Zeitgenossen in Europa“.
Eines der ältesten Ausstellungsexponate ist die Hallesche Ottoschale (um 1200) vom Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Saale). Die Spalatin-Chronik aus Coburg datiert auf 1515.
Hallesche Ottoschale, um 1200, Bronze, getrieben, geschliffen, poliert, Schmuckblätter gestanzt, Schmuckbrakteat geprägt und aufgelötet, anschließend graviert, D 31 cm, Halle (Saale), Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). ©Halle (Saale), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle, Foto: Punctum/Peter Franke
Besonders auffallend sind die vielen Bilder und Gegenstände aus dem 19. Jahrhundert. Nach den Napoleonischen Kriegen, dem deutschen Freiheitsfest in Hambach 1832 und der langsamen und späten Findung zum Nationalstaat – 1871 –, wurde die deutsche Geschichte immer wieder bemüht. Otto I stand als bedeutender Kaiser, als Gründungsfigur schnell im Mittelpunkt der Bezugsgeflechte. Im deutschen Historismus auch so manches Mal verklärt. Abhängig von der jeweiligen Befindlichkeit, der Perspektive, Herrschaft und den politischen Verhältnissen dienten die Taten Otto des Großen den verschiedensten Rezeptionen und geschichtlichen Bewertungen. Das wird in der Ausstellung klar deutlich: visuell durch Anamorphosen, wie man im Mittelalter Botschaften verschlüsselte als auch gedanklich im Kontext unterschiedlich geprägter Sichtweisen
„Welche Taten werden Bilder?“ Otto der Große in der Erinnerung späterer Zeiten
Zu sehen bis zum 8. Oktober 2023 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, Otto-von-Guericke-Straße 68, in 39104 Magdeburg.
Geöffnet: dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr
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