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Staatsoper Hamburg: Neustart

Neustart in der Hamburgischen Staatsoper
Die Hamburgische Staatsoper öffnet am kommenden Wochenende ihre Tore zum Start in die erste Saison des neuen Chef-Teams mit Intendant Georges Delnon und Generalmusikdirektor Kent Nagano. KulturPort.de begleitet den Neustart auf der großen und der kleinen Bühne und beim Philharmonischen Staatsorchester.

Einführungsmatinee
Verheißungsvoll wie ein halb geöffneter Vorhang hängt bereits die Leuchtinstallation der Bühnenbildnerin, Malerin, Raum- und Figurenkünstlerin Rosalie vor der Glasfassade der Staatsoper in der Dammtorstraße. Nach der ersten großen Premiere am kommenden Samstag wird sie bis zum 18. Oktober die Fassade bei Dunkelheit in ein sich ständig verändernden Farbenmeer tauchen, das sein märchenhaftes Licht bis in die Foyers strahlt. Auch drinnen wird längst dran gearbeitet, die Magie der komplexen Kunstform Oper neu zum Leben zu erwecken.
„Einführungsmatinee“ heißt das neue Vorab-Informieren-Angebot am Sonntag vor dem Premieren-Wochenende um 11 Uhr. 300 Opern-Fans hat es angelockt, sie verlieren noch ein sich ein wenig in den vorderen Reihen der rot gepolsterten Sessel im großen Zuschauerraum. Auf der Bühne, ganz puristisch, ein Flügel und drei Sessel. Dort nehmen Platz: Kent Nagano – begrüßt mit freundlichem Extra-Applaus, als Moderator der Matinee der neue leitende Dramaturg Johannes Blum und Michael Thalheimer, Regisseur der ersten großen Premiere von Hector Berlioz’ „Les Troyens“ am kommenden Samstag.

„Einblicke hinter die Kulissen der neuen Produktion“ sind angekündigt. „In Gesprächen und musikalischen Beiträgen erfahren Sie Details von der Konzeption der szenischen Umsetzung über die musikalische Interpretation bis hin zum Probenprozess.“ So spricht Kent Nagano in ausgesprochen lockerer Plauderlaune über Berlioz’ Klanguniversum und seine Erfahrungen damit. Das Publikum erfährt etwas über den Unterschied zwischen der Opéra comique in Paris und der Grand opéra.

Probe: Les TroyansSpannender noch ist, was Nagano und Thalheimer über die Hamburger Fassung der „Troyens“ verraten: dass es eine stark konzentrierte Drei-Stunden-Strichfassung wird, in der die aufufernde Handlung der Doppel-Oper auf das Wesentliche eingedampft wird. „Hundert Prozent Berlioz“, keine einzige Note wurde von dem französischen Komponisten Pascal Dusapin hinzugefügt. Er hat im Auftrag von Georges Delnon das „unspielbare“ Stück, das auch Berlioz niemals in einer kompletten Aufführung erlebt hat, aus der originalen Fünf-Stunden-Fassung auf ein handhab- und bezahlbares Format gebracht. Was Regisseur Thalheimer entgegenkommt, dessen Konzept ohnehin die Reduktion auf die Handlungs- und Sinnkerne verfolgt. Thalheimer reduzierte auch im Gespräch: Er ließ sich klugerweise nicht wirklich viel über sein Regiekonzept entlocken – das würde ja auch die Premierenspannung mindern.

So steht nun im Raum die Erwartung des Untergangs von Troja, ein doppeltes antikes Flüchtlingsdrama (Aeneas aus Troja, Dido aus Tyros), dessen geistige Verbindung mit dem aktuellen Nachrichtengeschehen betont wurde, ohne dass sie in dieser Einführung besonders greifbar geworden wäre. Und Aeneas, der als Getriebenener den Auftrag von Hectors Schatten verfolgt, in Italien eine neue Stadt, einen neuen Staat zu gründen. Seine Liebe zu Dido hält das natürlich nicht aus, sie Selbstmord begeht.

Zu den Info-Häppchen kam wenigstens eine Arie von Berlioz als Ohren-Häppchen: Nicola Amodio sang mit schlanker die ersten Töne der Ära Delnon auf der großen Bühne: die Arie des jungen Seemanns Hylas, der sich nach seiner Heimat sehnt, die er wohl, dank des „Auserwähltheit-Wahns“ von Aeneas, niemals wieder sehen wird.

Nach der Pause dann eine etwas größere Runde zu „Weine nicht, singe“, Uraufführung am Sonntag um 15 Uhr in der Opera stabile. Das Libretto für die Auftragskomposition schrieb Erfolgsdramatikerin Lea Doher. Ebenfalls eine Geschichte von Heimatlosigkeit, dem Fremdbestimmt-Sein, vom politischen Verfeindungen und verkarsteten Verletzungen der Gefühlswelt. Zugleich eine verwickelte Familientragödie, die Regisseurin Jette Steckel mit klaren Worten ausbreitete. Spannend werden die expressiven Töne Michael Wertmüllers dazu, die von Musikern des Ensembles Resonanz und den Jazzern von Steamboat Switzerland aufgeführt werden. Der Komponist meinte zurecht, das müsse man eben hören, erklären könne man da wenig. Genau deshalb hätte man sich nun wirklich ein Musikbeispiel, gern auch vom Band, gewünscht, um die Welt dieser neuen Oper etwas konkreter erleben zu können.

Erste Bilanz für das neue Format „Einführungsmatinee“: Ein Anfang ist gemacht, es gab eine Menge interessante Informationen. Aber es gibt durchaus noch Luft nach oben: Manches wirkte ein wenig unstrukturiert – da würde die eine oder andere auf den Punkt gestellte Frage helfen, die Diskussionsrunde kompakter zu machen. Und über neue Musik zu reden, ohne auch nur eine einzige Note davon zu hören – das sollte unbedingt noch mal überdacht werden.

Die neue Einführungsmatinee ersetzt allerdings auch keine der anderen, bewährten Informationsveranstaltungen zu den Inszenierungen der Staatsoper: Eine kurze Einführung (immer voll, man muss rechtzeitig kommen) gibt es weiterhin vor jeder Vorstellung. Und am 24. September um 19:30 stellt Opern-Experte Jürgen Kesting „Les Troyens“ in ausgewählten Tonaufnahmen vor. Im November, am 13. und 14., gibt es zur Neuinszenierung von Mozarts „Le nozze di Figaro“ auch wieder die Opernwerkstatt mit Volker Wacker (Freitagabend und Samstag vor der Premiere ganztägig).

Hector Berlioz: Les Troyens
Einführung um 18:20 Uhr
Donnerstag 01.10.2015, 19:00 - 22:30 Uhr | Großes Haus
Inszenierung: Michael Thalheimer
Bühnenbild: Olaf Altmann
Kostüme: Michaela Barth
Licht: Norman Plathe
Dramaturgie: Johannes Blum
Preise: 5 bis 87 EUR
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Header: rosalie: Light Flow | Light Stream, Kinetische Lichtskulptur 2015, An der Fassade der Hamburgischen Staatsoper, Lichtleitfasern, Lichtquellen, programmierter Ablauf, Loop ca. 25 Min. Breite 42 m, Höhe 14,5 m 18.30 – 00.00 Uhr. Foto: Wolf-Dieter Gericke
Textbild: Naglestad als Cassandre. Foto: Hans Jörg Michel

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