„Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau“ nannte US-Künstler Barnett Newman 1966 sein berühmtes Alterswerk aus großen monochromen Farbflächen in Primärfarben.
„Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau“ könnte man auch die Ausstellung des tschechischen Glaskünstlers Petr Hora im Hamburger HHGlasmuseum der Achilles-Stiftung überschreiben, da seine Objekte eine Leuchtkraft entwickeln, die fast schon schmerzlich ist.
Wow, was für ein Farbenrausch! Wer die lichtdurchfluteten hohen Räume des Glasmuseums der Achilles-Stiftung im 2. Stock des ehemaligen Barmbeker Krankenhauses betritt, kann einfach nur staunen ob der Objekte von Petr Hora (74). Der Intensität der Rot-, Grün- und Blautöne, ihrer Größe und skulpturalen Kraft. Der im südmährischen Brünn geborene Tscheche ist der Minimalist unter den zeitgenössischen Glaskünstlern. Seine Werke bestehen aus klaren, geometrischen Formen, aus Dreiecken, Ellipsen, Quader, Kegel, Würfeln oder Zylindern, und erinnern an moderne Wolkenkratzer, aber auch an Pyramiden und Tempel. „Tatsächlich ist die Geometrie in meinen Arbeiten das wesentliche Element“, so der Künstler, „darin drückt sich mein Wunsch aus Kinderzeiten aus“.
Seit früher Jugend liebt Petr Hora moderne Architektur, sein Berufsziel als Schüler war Bauingenieur – bis ihn sein Vater eines Tages in eine Glashütte mitnahm und der Junge völlig fasziniert war von der glühend heißen Masse, die die Glasbläser an langen Pfeifen aus den Bottichen zogen, um sie durch geschicktes Blasen und Drehen in Form zu bringen. Die Glasbläserei hat Petr Hora dann in den 1960er und 1970er Jahren von der Pike auf gelernt: Zwei Jahre Ausbildung zum Glasmacher in Chlum u Trebon, danach folgte die Glasfachhochschule in Zelezny Brod. Nach dem Studium stellte Hora zunächst – ganz traditionell – Gebrauchsgegenstände her, Vasen, Schalen und Trinkgläser. Sein Lehrer und Mentor, der international renommierte tschechische Glaskünstler František Vízner (1936-2011), brachte ihm dann die Kunst des Glasschliffs bei und ermutigte ihn, sich von der Funktion zu lösen und in die freie bildende Kunst zu wechseln. Seitdem ist das zweite wesentliche Element seiner Werke die Farbe, deren Tiefe und Intensität den Objekten eine geheimnisvolle, fast mystische Aura verleiht.
Und es gibt noch ein drittes wesentliches Element im Werk Petr Horas: Die Perfektion. Die puristischen Arbeiten wirken in ihrer Makellosigkeit fast wie von einem anderen Stern. Man nimmt ihre Vollkommenheit als selbstverständlich hin, ohne an die Mühen, das stundenlange Schleifen und Polieren auch nur einen Gedanken zu verschwenden.
Längst gilt der vielfach ausgezeichnete Tscheche, der 1992 sein eigenes Studio gründete, als einer der führenden Glaskünstler seiner Generation. Gemessen an seiner Bedeutung sind die Auktionspreise seiner Arbeiten von unter 20 000 US-Doller jedoch vergleichsweise günstig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Werkstoff Glas immer noch hartnäckig der angewandten Kunst zugeordnet wird.
Das Hamburger Glasmuseum der Achilles-Stiftung ist im Oktober 2022 angetreten, diese Sichtweise nachhaltig zu korrigieren. Das eindrucksvolle Ambiente, über 1000 Quadratmeter, verteilt auf 20 Räume und einer Etage in dem denkmalgeschützten Barmbeker Bau, bietet der Sammlung Edith und Barbara Achilles eine wunderbare Bühne. Gezeigt werden rund 400 skulpturale Objekte von 150 zeitgenössischen Glaskünstler*innen, die Bandbreite an Stilen und Techniken ist enorm, die größten Werke sind bis zu drei Metern hoch und 250 Kilogramm schwer.
Mit anderen Worten: Die Sonderschau „Petr Hora. Geometrische Perfektion in Glas“ ist zwar unbedingt sehenswert, doch auch die Dauerausstellung lohnt jederzeit einen Besuch.
Petr Hora. Geometrische Perfektion in Glas
Zu sehen bis zum 4.11.2023, im Achilles-Stiftung Glasmuseum, Fuhlsbüttler Str. 415a, in 22309 Hamburg.
Öffnungszeiten: Di. bis Sa.: 11.00 – 18.00 Uhr. An Feiertagen geschlossen
- Weitere Informationen (Achilles-Stiftung Glasmuseum)
- Weitere Informationen (Petr Hora)
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