Smartphones, Laptops, E-Autos. Kein elektronisches Gerät ohne Seltene Erden. In „Man & Mining“ zeigt das Museum der Arbeit in Hamburg anhand neun eindrucksvoller künstlerischer Positionen unter welchen Bedingungen die kostbaren Rohstoffe gewonnen werden. Und die sind einfach nur grauenvoll.
Giftige Schwefelfeuer schwelen auf der Schrotthalde von Agbogbloshie, einem Slum bei Accra in Ghana. Vier Männer in verdreckten Klamotten stehen im Qualm, um die Berge von Elektroschrott nach Resten von Coltan, Kupfer, Stahl oder Aluminium zu durchsuchen.
Einer schaut Pieter Hugo (48) direkt in die Kamera. Die ästhetisch wunderbar komponierten Aufnahmen des südafrikanischen Fotografen brauchen keinen Text, um die Schattenseite moderner Technologie deutlich zu machen. Die Bilder sprechen für sich und sie treffen ins Herz. Wieder einmal hat Rita Müller, die Direktorin des Museums der Arbeit, ein gesellschaftspolitisches Thema aufgegriffen und wieder einmal setzt sie ganz auf die Kraft der Kunst.
Pieter Hugo und seine Kolleg*innen Danny Franzreb, Lug Guang, Johnny Haglund, Andrea Mancini, Lisa Rave, Sebastiao Salgado und Gabriella Torres-Ferrer und das Kollektiv Unknown Fields unter Leitung von Kate Davies und Liam Young sind gleichermaßen Künstler*innen wie Umweltaktivist*innen. Sie alle verarbeiten die katastrophalen Folgen der von High-Tech-Konzernen und Werbung ständig angeheizten Konsumbedürfnisse nach immer schickeren, leistungsfähigeren elektronischen Produkten. Schaffen Fotos, Videos und Installationen von unerhörter Eindringlichkeit, bei deren Anblick man sich fragt, wie es sein kann, dass dieser Teufelskreis aus Konsumrausch und Ausbeutung immer noch nicht durchbrochen werden kann.
Wieso die Profiteure nicht umgehend gezwungen werden, die massiven Umwelt- und Gesundheitsschäden, die sie verursachen, zu beseitigen, zumindest zu vermindern: Die vom Ascheregen ergrauten Kinder aus dem giftigen Rauch der permanent brennenden unterirdischen Kohleflöze zu ziehen, die Johnny Haglund im indischen Jharia festhielt. Die aufgerissene Kraterlandschaft in der Mongolei wieder zu heilen, die aus der Vogelperspektive einer Muffins-Backform gleicht und von Lug Guang fotografiert wurde. Wie es sein kann, dass China, mit 95 Prozent Weltmarktführer bei der Gewinnung Seltener Erden, mit dem anfallenden radioaktiven Schlamm die Flüsse vergiftet, anstatt fachgerecht zu entsorgen.
Vor bald 40 Jahren veröffentlichte der brasilianische Ausnahmefotograf und Umweltaktivist Sebastiao Salgado aus der Goldmine Serra Pelada Bilder in schwarz-weiß, die um die Welt gingen. Im Museum der Arbeit führen sie nun schmerzlich vor Augen, wie wenig sich seit 1986 geändert hat. Wer dachte, dass solche, einem Ameisenstaat gleichende Freiluftminen voller unzähliger, schwer bepackter, menschlicher Ameisen der Vergangenheit angehören, wird von einer Videoinstallation von Unknown Fields eines Besseren belehrt: Wie eine geölte Maschine schuften im Süden von Madagaskar Minenarbeiter für den Abbau von Saphiren und anderen Edelsteinvorkommen. Man mag es kaum glauben, aber auf Madagaskar ist ein menschliches Fließband auch heute immer noch billiger als ein maschinelles. Wie sagte Sebastiao Salgado doch einmal? „Wenn wir nicht anfangen zu teilen, krepieren wir alle!“
Die von Mario Bäumer gemeinsam mit der Völklinger Hütte konzipierte Ausstellung liefert einmal mehr den Beweis. Und zeigt, dass wir alle in der Verantwortung stehen.
Muss es wirklich jedes Jahr ein neues Handy sein? Was an Elektronik kann man reparieren? Zwei von vielen Fragen, zu dem ein mit der Körper-Stiftung entwickelter zweiter Teil „Man WIHOUT Mining“ einlädt. Vor allem die Jugend ist hier aufgefordert über ein Leben ohne kritische Rohstoffe nachzudenken. Denn der radioaktive Dreck, den jedes Handy und jedes Laptop bei der Herstellung produziert, macht das Design-Kollektiv Unkown Fields greifbar: Es ließ aus dem toxischen Schlamm eines chinesischen Flusses Vasen töpfern, deren Größen exakt den Abfallmengen bei der Herstellung eines Smartphones, eines Laptops und einer E-Auto-Batterie entsprechen. Wenn wir diese Vasen zuhause lagern müssten, würden wir uns wohl dreimal überlegen, ob das neue Handy wirklich sein muss.
„Man & Mining“
Zu sehen bis zum 1. Mai 2024, im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, in 22305 Hamburg.
Weitere Informationen (Museum)
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