Fotografie

Das Jenisch Haus in Hamburg-Othmarschen gehört zu den beliebtesten Trauungsorten für Brautpaare. Wer wünschte sich nicht, in einem schneeweißen, klassizistischen Prachtbau mit Blick auf die Elbe, umgeben von einem englischen Landschaftspark, zu sagen: „Ja, ich will!“.

 

Wie unterschiedlich der „schönste Tag des Lebens“ gefeiert wird, zeigt vor Ort nun „Die Kunst der Hochzeitsfotografie“.

 

Wer meint, Hochzeitsfotos seien langweilig, der sollte unbedingt diese Ausstellung sehen. Es gibt kaum ein gesellschaftliches Ritual, das international so unterschiedlich gefeiert wird - und das mitunter zu solch lustigen, grotesk anmutenden oder erotisch aufgeladenen Aufnahmen führt, wie sie der niederländisch-kanadische Fotograf und Kurator Paolo Woods zusammengestellt hat. Sein Freund und Co-Kurator, der langjährige GEO-Foto-Chef Lars Lindemann, betont, dass diese Schau nicht zuletzt „eine Lanze für das Genre“ brechen soll, das in der Welt der Fotografie oftmals als künstlerisch minderwertig belächelt wird.

 

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I do!
Sì, lo voglio!
Ja, ich will!

 

Zum Auftakt fallen die anzüglichen Aufnahmen von Juan de la Cruz Megías Mondéjar ins Auge, einem spanischen Fotografen, der sich zwischen 1979 und 1999 auf Hochzeiten in Region Murcia spezialisierte und daraus ein Buch machte. Die Braut schaut schelmisch in die Kamera, während sie einen Teller zum Mund führt, auf dem eine aufgerichtete Banane zwischen zwei Kartoffel liegt. Ein anderes Foto zeigt einen tief über den Tisch gebeugten Bräutigam, der an einem aufgeschnittenen Brötchen leckt. „Die Fotos wurden im verborgenen, tiefen Inneren Spaniens aufgenommen“, so der Autor. Dennoch sind die erotischen Anspielungen erstaunlich freizügig, wenn man bedenkt, wie erzkonservativ und tiefreligiös das Spanien der 1980er Jahre noch war.

 

JIW Juan de la Cruz Megias Hochzeitsfoto Spanien

Juan de la Cruz Megías Mondéjar, Hochzeitsfoto Spanien, 2001

 

Von Spanien aus geht es nach Gahna zu den Instagram-Stars Enoch Boateng und seinem Bruder Maxwell Aggrey, deren Kundschaft aus der Oberschicht stammt und ihren Reichtum gern zur Schau stellt. Die großformatigen Bilder im nächsten Raum toppen diesen Luxus allerdings noch. Die junge Berufsfotografin Manal Alhumeed aus Riad inszeniert saudische Bräute als Prinzessinnen aus „Tausend und eine Nacht“, umweht von meterlangen, schwebenden Schleiern. Da die Frauen in dem arabischen Königreich ihre Gesichter nicht zeigen dürfen, verwischt Alhumeed ihr Antlitz mit großen goldenen Pinselstrichen - eine künstlerische Intervention, die neben den Schleiern zu ihrem Markenzeichen wurde.

 

Eine Institution in Süditalien war Oreste Pipolo, dessen Fotostudio seine Töchter heute führen. Herrlich die liegende Braut im wallenden Rüschenkleid, hingegossen auf einem Kaminsims; die Braut neben einer ganzen (Kostüm-)Kohorte „Römischer Legionäre“, ganz zu schweigen von dem Brautpaar vor Palazzo, Lamborghini und fliegenden weißen Täubchen. Mehr neapolitanischer Kitsch geht kaum.

 

JIW Ivana Pipolo Hochzeitsfoto Neapel Italien Collezione Oreste e Ivana Pipolo

Ivana Pipolo, Hochzeitsfoto Neapel, Italien, © Collezione Oreste e Ivana Pipolo

 

Sehr viel schlichter, aber nicht minder skurril sind die Hochzeitsbräuche in China. Bei der Feier rauchen alle Gäste, inklusive Babys, so viele Zigaretten wie möglich, das soll Glück bringen. Dokumentiert ist der Brauch in unzähligen Schnappschüssen, die zwischen 1985 und 2005 in China entstanden. Der französische Künstler Thomas Sauvin hat daraus ein Archiv gefundener Fotos aufgebaut, woraus nun eine Auswahl zu sehen ist.

 

So geht es rund um die Welt. Zu Lidsay Ladd in Philadelphia (USA), die sich auf queere und homosexuelle Hochzeiten spezialisiert hat (hinreißend die Rückenansicht eines Männer-Paares, die sich gegenseitig den Po tätscheln) und weiter nach Indien, wo Sam & Elektra den dortigen Hochzeits-Marathon in echtem Bollywood-Stil dokumentieren.

 

JIW Lindsay Ladd Hochzeitsfoto USA

Lindsay Ladd, Hochzeitsfoto USA, 2019

 

Alles wunderschöne, hochkünstlerische Fotografien, die ein für alle Mal mit dem Vorurteil aufräumen, Hochzeitsfotografie sei nicht anspruchsvoll.


„Ja, ich will! Die Kunst der Hochzeitsfotografie“

Zu sehen bis zum 24. Februar 2025, im Jenisch Haus, Stiftung Historische Museen Hamburg, SHMH), Baron-Voght-Str. 50, in 22609 Hamburg

Mit Fotografien von: Juan de la Cruz Megías Mondéjar | Enoch Boateng (Focus and Blur) | Oreste e Ivana Pipolo | Thomas Sauvin | Massimo Stefanutti | Sam Ekta | Manal Alhumeed | Lindsay Ladd | Valerie Baeriswyl

- Weitere Informationen zur Ausstellung (SHMH)

- Weitere Informationen zur Vermietung von Hochzeitsevents (SHMH)

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