Auf den Tod der Fotosammlerin Renate Gruber am 30. Oktober 2022 reagierten die Verantwortlichen der Sammlung Fotografie des Museum Ludwig in Köln prompt. Seit Anfang Dezember ist im obersten Stock eine kleine Abschiedsausstellung – Werke aus der Sammlung und dem Archiv Gruber zu sehen.
Man mag glauben, dass es sich dabei um ein Kölner oder maximal regionales Thema handeln würde, jedoch ist der Horizont viel weiterzuziehen.
Renate Gruber (1936-2022) war seit 1959 die Gattin von Leo Fritz Gruber (1908-2005), einem der Pioniere der „Photokina“ – der Messe der Fotografiewirtschaft in Deutschland – die 2018 letztmalig stattfand. L. Fritz Gruber kuratierte zwischen 1950 und 1980 die „Bilderschauen“-Ausstellungen der Photokina, war selbst Fotograf, Werbefachmann und vor allem Sammler.
Fotograf*innen unter sich: v.l.n.r. Renate Gruber (oder Maria Mulas?), Leo Fritz Gruber, Man Ray im Gespräch mit Marias Bruder, Ugo Mulas, Paolo Monti. Ausschnitt. Foto: Enzo Sellerio zugeschrieben, Venedig, um 1963.
Renate Gruber entwickelte sich seit der Heirat stetig zu einer Fotoexpertin, zur Archivarin der kontinuierlich wachsenden Sammlung und zu einer Dokumentarin des Zeitgeschehens in Sachen Fotografie und bildende Kunst.
„1977 wurde durch einen Ankauf von 934 Werken aus der Sammlung von L. Fritz und Renate Gruber der Grundstock für die Sammlung Fotografie am Museum Ludwig gelegt“, heißt es im Ausstellungstext am Eingang zur Schau. Neben Ankäufen des Museums kamen später Stiftungen und Schenkungen und weitere Ankäufe hinzu. Den letzten Vertrag mit dem Museum Ludwig unterzeichnete Renate Gruber 2021 selbstbewusst – aber augenzwinkernd – mit „Lady Renate Gruber“.
Mittlerweile umfasst die gesamte Sammlung Fotografie des Museums Ludwig etwa 70.000 Fotografien von den Anfängen bis heute. Davon stammen ungefähr 6.000 von Grubers.
Von dem Franzosen Eugène Atget (1857-1927), der Paris einzigartig über Jahrzehnte ablichtete bis zu dem Amerikaner Edward Weston (1886-1958), ein Meister der Schwarz-Weiß-Fotografie bis zu Man Ray (1890-1976) spannt sich der Sammlungs- und Beziehungsbogen.
Mit dem in Paris lebenden Man Ray bestand eine lebenslange Freundschaft, das spiegelt sich in der Gruber-Sammlung sowie in der aktuellen Ausstellung wider.
„Im Laufe der Jahrzehnte kamen hunderte weitere Werke und umfangreiche Archivmaterialien hinzu. Ein Blick auf die Sammlung Gruber lässt dabei schnell erkennen: Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Menschenbildnis. Kein Wunder, denn das Ehepaar pflegte ein besonders gastfreundliches Haus und viele langjährige Freundschaften zu Fotograf*innen diesseits und jenseits des Atlantiks. Bekannt waren auch ihre Feiern zum Geburtstag der Fotografie. Jedes Jahr am 19. August trafen sich in ihrem Salon die Fotophilen. Der Titel Kiss, kiss spielt an auf jene Gastlichkeit und das elegante Führen ihres Salons“.
Überschaubar, aber ausgewählt ist die Fotoauswahl in den abgedunkelten Räumen. Neben vielen Werken von Man Ray sind eine Reihe von quadratischen Farbfotografien von Candida Höfer zu sehen, die im Jahr 2000 die Räume des Hauses Gruber in Köln-Braunsfeld fotografierte. Arbeiten von Annie Leibovitz und Henri Cartier-Bresson (1908-2004) erweitern die Kollektion. Renate Gruber lernte den Franzosen und Mitbegründer der berühmten Fotoagentur „Magnum“ 1958 in Paris kennen.
Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
Zurzeit wird das von Renate Gruber und der Tochter aus erster Ehe von Leo Fritz Gruber, der Foto- und Videokünstlerin Bettina, erworbene Archiv an Korrespondenz mit Fotograf*innen aufgearbeitet. „Es schreibt sich darin gelebte Fotogeschichte fort.“
Diese gelebte Fotogeschichte kulminiert in der Ausstellung auch durch ein Video, in dem Renate Gruber auf Fragen antwortet und über die Sammlung und die Zukunft des Archivs spricht.
Die Lebensleistungen der Grubers in Sachen Fotografie werden in dieser Ausstellung zu Recht gewürdigt und das Museum Ludwig kann in den kommenden Jahren noch so einiges aufarbeiten, was im Archiv schlummert – bildlich und textlich.
Kiss kiss. In memoriam Lady Renate Gruber
Zu sehen bis 12. März 2023
Im Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz in 50667 Köln
Kuratorin: Miriam Szwast
Die ursprünglich für diesen Zeitraum geplante Präsentation „Walde Huth. Material und Mode“ zeigt das Museum Ludwig vom 23. September 2023 bis 28. Januar 2024.
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