ReVision. Fotografie im MKG
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
„Revision“ bedeutet Rückschau oder Überprüfung. Das Museum für Kunst und Gewerbe hat in den vergangenen Jahrzehnten etliche dieser Rückschauen präsentiert – gerade auch im Bereich der Fotografie.
Noch gut in Erinnerung sind die Ausstellungen „Kunstphotographie um 1900“ (1989) und „Photographische Perspektiven aus den zwanziger Jahren“ (1994) – zu einer Zeit, als sich die Fotografie gerade im öffentlichen Bewusstsein als künstlerisches Medium durchzusetzen begann. Nun zeigt das MKG mit der Ausstellung „ReVision“ einen „umfassenden Überblick“ über seine Sammlung Fotografie, der sich bei näherer Betrachtung keinesfalls als so umfassend erweist, wie angekündigt.
Das ist allerdings auch schwer möglich bei einem Bestand von rund 75 000 Werken. Was diese in fünf Kapitel und auf fünf Räume der Belle Etage ausgebreitete Schau von rund 200 Bildern vielmehr bietet, sind schlaglichtartige Einblicke auf Entwicklungen des Mediums von der Frühzeit bis in die Gegenwart – aber leider ohne neue Aspekte und Erkenntnisse.
Die Geschichte der Fotografie ist hinlänglich bekannt. Das frühe Bemühen es der Malerei gleichzutun, also die Kunstfotografie Ende des 19. Jahrhunderts, ebenso wie die Fotografie als Hilfsmittel der Reproduktion (mit Beispielen aus der hauseigenen Sammlung) oder der Weg in die Abstraktion, angeführt von Experimenten mit Licht, Chemie und Negativdrucken, wie sie Christian Schad und Laszlo Moholy-Nagy in den 1920er Jahren betrieben.
Das war alles schon mal spannender aufbereitet zu erleben. Und so lässt man die Bilder an sich vorbeiziehen und achtet darauf, wo der Blick hängen bleibt. Bei Heinrich Riebesehls Fünf-Stunden-Serie über Menschen im Aufzug beispielsweise. Oder bei Andrzej Steinbachs Porträt-Serie einer glatzköpfigen jungen Frau in Männerkleidung, die durch das Spannungsverhältnis zwischen martialischer Kluft und verletzlicher Weiblichkeit besticht. Doch am nachhaltigsten bleiben die Aufnahmen der großen Bildreporter Werner Bischof, Max Scheler, Peter Maqubane, Thomas Hoepker und Robert Lebeck im Gedächtnis, die mit ihren Fotoreportagen aus den Krisenregionen dieser Welt Zeitgeschichte schrieben. Nicht zu vergessen das großformatige Himmelsbild (in Farbe) von Trevor Paglen am anderen Ende der Schau: Auf den ersten Blick sieht man nur eine riesige Wolke. Doch wenn man näher drangeht, entdeckt man einen kleinen schwarzen Punkt am unteren rechten Rand. Ein Flugzeug? Dem Titel nach offenbar eine Drohne. Der politisch aktive Fotokünstler aus New York zeigt in seinen Bildern oft geheim gehaltene militärische Flugkörper wie Spionagesatelliten oder eben Drohnen. Sehr eindrucksvoll, doch man fragt sich unwillkürlich, warum diese Fotografie den Schlusspunkt des Kapitels „Abstraktion“ bildet?
Überhaupt wird nicht klar, nach welchen Kriterien Kuratorin Esther Ruelfs auswählte: Einerseits fehlen viele berühmte Werke jeweiliger Stilrichtungen, bzw. Epochen. Andererseits trifft man auf eine ganze Reihe guter alter Bekannte aus verflossenen Ausstellungen, wie Heinrich Kühns „Dame mit Strohhut“ (1905) und „Miss Mary Warner“ (um 1910), H.W. Müllers „Der kleine Runge“ (1900), Marta Hoepffners „Hommage an Kandinsky“ (1937), Laszlo Moholy-Nagys „Photogramm“ (um 1925) oder Lotte Jacobis geheimnisvolles Bild „Hoffnung“ von 1946.
Fazit: Eine Ausstellung mit etlichen bemerkenswerten Bildern, aber ohne große Inspiration. Sie ist wohl auch nur die Zugabe zu dem opulenten Bildband, den Esther Ruelfs nach eingehender Sichtung und Aufarbeitung der Sammlung Fotografie herausgebrachte. Dieses kiloschwere Buch hat sicherlich das Zeug für ein Standardwerk – unverzichtbar, um sich wirklich einen Überblick über die fotografische Sammlung des Museums zu verschaffen.
ReVision. Fotografie im MKG
Zu sehen bis zum 17 . April 2017 im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz 1.
Abbildungsnachweis:
Header: Ausstellungsansicht , Foto: Michaela Hille, MKG
Galerie:
01. Otto Steinert, Saarländisches Kraftwerk, 1953, Silbergelatineabzug, 49,6x59,4cm, © Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen
02. Heinrich Riebesehl, aus der Serie: "5 Stunden und 35 Minuten mit der Kamera im Fahrstuhl eines Verlagshauses, 20. November 1969, 10:35 bis 12:30, 13:30 bis 17:10 Uhr", Silbergelatineabzug, 25,8x38,3cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
03. Yutaka Takanashi, Aus der Serie Toshi-e (Towards the city), 1968, Silbergelatineabzug, 24,4x36,4cm, © Yutaka Takanashi, Courtesy Priska Pasquer, Köln
04. Duane Michals, "Nude painting, interior Magritte home" aus dem Portfolio "A Visit with Magritte by Duane Michals", 1970er Jahre, Silbergelatineabzug, 17x25cm, © Duane Michals. Courtesy of DC Moore Gallery, New York
05. Hugo Erfurth, Ludwig Mies van der Rohe, 1934, Öldruck, 38,4x27,6 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
06. Helmar Lerski, aus der Serie Köpfe des Alltags, 1928-1930, Stenotypistin, 1928-1930, Silbergelatineabzug, 23,1x17,2cm, © Nachlass Helmar Lerski, Museum Folkwang, Essen
07. Theodor und Oscar Hofmeister, Die Geschwister (Porträt Kurt, Max, Nelli und Walter Bondy), 1901, Gummidruck 62,5x80cm (Bild), MKG
08. Constant Alexandre Famin, Flieder, um 1860, Albuminabzug, 31,4x24 cm, © MKG
09. Max Scheler, Küssende Teenager in einem Club in Liverpool, 1964, Silbergelatineabzug, 31,5x48,2cm, © Max Scheler Estate, Hamburg
10. Heinrich Kühn, Tonwertstudie III, Miss Mary Warner, 1908, Gummigravure, 29,4x23,5cm, MKG.
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