Ein großer Film des polnischen Kino- und Theaterregisseurs Andrzej Wajda über lange Verschwiegenes, über Lüge und Unmenschlichkeit, aber auch über Anstand und Haltung.
Wie sich die Bilder gleichen! Morde haben immer eine fiese Fratze und vielleicht sind sie noch perfider, wenn sie so deutlich die Ohnmacht der Opfer und Hinterbliebenen zeigen. Und die Täter der Massenmorde sind gesichtslos - Befehlsempfänger eben. Stalin war für all das verantwortlich: Ein "Meister" aus Sowjetrussland. Jedoch wird an keiner Stelle im Film die Frage beantwortet, warum das alles damals geschah!
Katyn steht für eines der vielen Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts und es schmerzt bis heute. Und weil es auch den Regisseur schmerzt und weil er sieht, dass der Schmerz bei der jungen polnischen Generation nicht mehr existiert und somit auch jede Erinnerung gewichen ist, dreht Wajda (s)ein Requiem. Geschichtsverlust als Motivation:
September 1939. Polen wird von Deutschland aus dem Westen und Russland aus dem Osten zerrieben. Tausende sind auf der Flucht, die Krakauer Uni wird geschlossen, Professoren werden nach Sachsenhausen deportiert. Die Rote Armee und der Geheimdienst NKWD treiben polnische Offiziere zusammen und schicken sie in Arbeitslager. Anna (Maja Ostaszewska) hat mehrere hundert Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt, um nach ihrem Mann zu suchen, dem Offizier Andrzej (Artur Zmijewski). Tatsächlich findet sie ihn, kurz vor seinem Abtransport in ein Lager. Sie sehen sich nie wieder: Andrzej zählt zu den mehr als 22.000 Polen, die im April 1940 in den Wäldern von Katyn ermordet und in Massengräbern verscharrt werden. Nach dem Krieg kämpfen Anna und andere Witwen verzweifelt um das Andenken ihrer Männer – und werden deshalb von der russischen Führung verfolgt, die den Nazis das Massaker von Katyn in die Schuhe schieben will.
Über vier Jahrzehnte wurde die Wahrheit über das Massaker von Katyn verschwiegen. Mehr als 22.000 polnische Offiziere, Polizisten und Intellektuelle waren 1940 in dem von Josef Stalin befohlenen Massaker durch den sowjetischen Geheimdienst und die Rote Armee hingerichtet und in Massengräbern verscharrt worden. Anschließend wurde das Verbrechen von der russischen Propaganda den Deutschen angelastet und die Wahrheit brutal unterdrückt. Heute gelten die Gräueltaten und die damit verbundene Lüge als „eine der großen politischen Intrigen des 20.Jahrhunderts“ (Franz Kadell).
Das Massaker von Katyn wurde 2008 als Bester fremdsprachiger Film für den Oscar® nominiert und im gleichen Jahr auf der Berlinale aufgeführt. Über 3,7 Millionen Menschen haben den Film, der das jahrzehntelange Schweigen bricht, bisher in Polen gesehen. Rechtzeitig zum 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen am 1. September kommt der Film hierzulande in die Kinos.
Statement des Regisseurs
Diese Fakten könnten für den Zuschauer einen Hintergrund bilden für menschliche Schicksale. Nur sie können den Zuschauer, wenn man er sie auf der großen Leinwand sieht, wirklich bewegen – anders als die nackte Historie, die ihren Platz hat in den niedergelegten Geschichten ihrer Zeit.
Deshalb sehe ich meinen Film über Katyn als die Geschichte einer Familie, die für immer getrennt wird, über große Illusionen und die brutale Wahrheit über das Verbrechen, das in Katyn verübt wurde. Um es zusammenzufassen: Es ist ein Film über individuelles Leid, was viel stärkere Emotionen wachruft, als dies bloße historische Fakten je könnten. Ein Film, der die schreckliche Wahrheit zeigt und der weh tut. Seine Hauptfiguren sind nicht die ermordeten Offiziere, sondern die Frauen, die Tag für Tag, Stunde für Stunde auf ihre Rückkehr warten, die leiden müssen wegen der unmenschlichen Ungewissheit. Frauen voller Loyalität und mit einem ungebrochenen Willen, die die Hoffnung nicht aufgeben. Darauf, dass man einfach nur die Tür öffnen muss, um den lange erwarteten Mann wieder in die Arme schließen zu können. Die Tragödie von Katyn geht uns alle an. Die, die damals gelebt haben. Die, die heute leben.
Jahre sind vergangen seit der Tragödie von Katyn, seit den Exhumierungen der Deutschen im Jahr 1943 und selbst seit den intensiven polnischen Recherchen zu Beginn der Neunzigerjahre. Obwohl die Archive in Teilen zugänglich gemacht wurden, wissen wir immer noch nicht genug darüber, wie das Verbrechen in Katyn im April und Mai 1940 tatsächlich ausgesehen hat, durchgeführt aufgrund einer Entscheidung, die Stalin und seine Kameraden des Politbüros der Kommunistischen Partei in Moskau am 5. März 1940 gefällt hatten.
Es ist nicht verwunderlich, dass wir jahrelang überzeugt waren, unser Vater könne noch leben. Zwar wurde der Name Wajda in der Katyn-Liste geführt, aber mit dem Vornamen Karol.
Fast bis ans Ende ihrer Tage glaubte meine Mutter, ihr Mann würde zurückkehren, mein Vater, Jakub Wajda, Krieger im Großen Krieg, dem Krieg Polens gegen die Sowjetunion, Kämpfer in den Aufständen in Oberschlesien und dem Feldzug im September 1939, Träger des Silbernen Kreuzes und des Ordens der Virtuti Millitari, der ihm posthum zugesprochen wurde.
Ich würde aber nicht wollen, dass DAS MASSAKER VON KATYN meine persönliche Suche nach der Wahrheit widerspiegelt oder als meine Nachtkerze auf dem Grab von Hauptmann Jakub Wajda verstanden wird. Vielmehr wollte ich eine Geschichte erzählen über das Leiden und das Drama der vielen von Katyn betroffenen Familien. Über die Katyn-Lüge, die über das Grab von Josef Wissarionowitsch Stalin triumphiert, die damals die einstigen westlichen Alliierten der UdSSR im Kampf gegen Hitler zum Schweigen verdammte: Großbritannien und die Vereinigten Staaten.
Ich weiß, dass sich die junge Generation mit vollem Bewusstsein und großer Begeisterung von unserer Vergangenheit entfernt. Sie sind voll und ganz mit den Angelegenheiten des Alltags beschäftigt und vergessen Namen und Daten, die, ob wir das wollen oder nicht, uns als Nation definiert haben und all unsere Ängste und Zweifel bei jeder sich bietenden politischen Gelegenheit wieder zum Vorschein kommen lassen.
Vor gar nicht langer Zeit wurde ein jugendlicher Schüler im Fernsehen gefragt, was er mit dem 17. September verbindet. Er antwortete: einen kirchlichen Feiertag. Vielleicht trägt unser Film dazu bei, dass dieser junge Mann, wenn er wieder nach Katyn gefragt wird, mehr antworten kann, als dass es sich um den Namen eines Dorfes in der Nähe von Smolensk handelt.
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Kinostart ist am 13. August 2009 im Verleih von Pandastorm Pictures.
(Beschreibungstext, Statement, Trailer & Fotos: pandastorm)
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