Bedauerlicherweise sind die Komponisten im Entwicklungsprozess oft überhaupt nicht dabei. An Stelle der endgültigen Melodien wird Temp-Music benutzt, die provisorische Vorstufe der geplanten Filmmusik. Daraus entstehe manchmal dann auch noch Temp-Love (das Publikum lacht zustimmend) nämlich der Fall, dass sich die Filmschaffenden im Lauf der Arbeit in die Temp-Music derart verlieben, dass sie mit der richtigen Komposition nichts mehr anfangen können. Meist dürfe der Musiker sowieso erst beim Feinschnitt des Films auftauchen. Jetzt soll er ein Meisterwerk liefern, ganz ähnlich, eigentlich sogar genau wie von Diesem und Jenem („Kriegst du das hin, ohne, dass es jemand merkt?“) Natürlich muss es exakt auf den Schnittrhythmus passen und zum Schluss wird ihm drohend hinterher gerufen: „Wir mischen in drei Wochen!“ – worauf der Ärmste zwanzig Tage und Nächte im Stück arbeitet…
Tom Tykwer forderte ein Ende der Praktik, sämtliche Filme und Serien mit diesem Stumpfsinn zu begießen und zu behaupten, es gehe um große Emotionen, er forderte die Abschaffung jeglicher Temp-Music und die rechtzeitige Einbindung des Komponisten, wobei mehr Zeit und mehr Geld einkalkuliert werden müsse!
In den rauschenden Applaus bemerkte er erstaunt, eigentlich habe er sich viel kürzer halten wollen als John Groves, das sei ihm wohl nicht ganz gelungen… Böse war ihm bestimmt keiner.
Die Komponisten Reichardt und Hinderthür gaben zu, von Filmmusik nicht leben zu können und deshalb auch andere, lukrativere Sachen zu machen. Dirk Reichardt meinte, er leiste sich eine Filmmusik pro Jahr, das sei es ihm wert. Hinderthür fügte hinzu, in diesem Geschäft verschwende man 80% der Kraft für Verhandlungen. Man sollte sich dabei vor Augen halten, dass diese beiden Männer als ungewöhnlich erfolgreich bezeichnet werden können und für besonders renommierte Filme komponiert haben.
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