Johann Christian Reinhart – ein deutscher Landschaftsmaler in Rom
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Mit Jakob Philipp Hackert (1737-1807), dem wohl bestverdienenden Künstler seiner Zeit, startete die Hamburger Kunsthalle 2008 ihren großangelegten Zyklus deutscher Landschaftsmaler um 1800.
Vier Jahre später ist endlich die Fortsetzung zu sehen: „Johann Christian Reinhart – ein deutscher Landschaftsmaler in Rom“. Beim Besuch der opulenten Ausstellung erschließt sich auch, warum die Vorbereitung derart viel Zeit in Anspruch nahm.
Wieder einmal wurde in der Galerie der Gegenwart das komplette Sockelgeschoss ausgeräumt, um das Werk eines Landschaftsmalers zwischen Klassizismus und Romantik vorzustellen, den bislang nur wenige Fachleute kannten. Kaum zu glauben, aber Hamburg zeigt tatsächlich die erste Retrospektive von Johann Christian Reinhart (1761-1847), der sich, ähnlich wie Hackert, nach seinen Ausbildungsjahren in Deutschland, auf den Weg ins Sehnsuchtsland Italien machte und dort hängenblieb. „Gesehen hat Reinhart vorher noch keiner so richtig“, bekräftigt Andreas Stolzenburg, der gemeinsam mit Co-Kurator Carlo Schmid fast das gesamte Werk zusammentrug: 30 Bilder (von 40 bekannten), rund 90 Zeichnungen und 70 Radierungen. Zudem erschien ein kapitaler Katalog, der schon jetzt als Standartwerk gilt.
Vor 15 Jahren hatten die beiden Kunsthistoriker bereits die Idee, eine große Reinhart-Schau zu inszenieren. Konkret wurde es dann, als die Kunsthalle 2002 eine kleine, recht unscheinbare Tiber-Ansicht von 1808 aus einer Privatsammlung erwarb: Auf einer Anhöhe sitzt ein Mann mit Hut und Flinte (wir sehen ihn von hinten) und schaut auf den Fluss. Inmitten der Landschaft - links ein hoher Baum, vor ihm die Flussebene, am Horizont ein paar Berge - ist er das einzige menschliche Wesen, winzig klein und ganz eins mit der Natur. Reinhart war leidenschaftlicher Jäger und sicher hat er sich selbst in diese italienische Idylle platziert. Das aber ist nicht die Besonderheit des Bildes. In der Zeit, in der Reinhart lebte, galt die reine Landschaftsmalerei vielmehr als minderwertig und wurde nur als Träger biblischer oder mythologischer Themen akzeptiert. Erst in der Romantik erhielt die Natur als Gottes Schöpfung einen ganz neuen Stellenwert, zuvor mussten zumindest Tempel und Ruinen auf Sagen und Geschichten verweisen, um als Kunst anerkannt zu werden. Selbstverständlich wurde Reinhart diesen Ansprüchen auch gerecht. In den frühen römischen Jahren entstanden zahlreiche heroische Ideallandschaften und liebliche Hirtenwelten eines vermeintlich antiken Arkadien nach den Vorbildern Claude Lorrain oder Nicolas Poussin. Ein weiteres Kapitel stellen die sogenannten Sturmlandschaften vor, in denen der Freund Friedrich Schillers in dramatischen Wolkenformationen und von Regen gepeitschten Bäumen die Sturm-und-Drang-Zeit, sowie die Umbrüche nach der Französischen Revolution spiegelte. Gleichzeitig jedoch beobachtete Reinhart die Natur sehr genau und schuf imposante Bilder von Bäumen, nichts als Bäumen, die ganz und gar großartig erfasst sind. Diese Zweigleisigkeit ist das Verblüffende im Werk Reinharts und vor diesem Wissen wirkt sein vermeintlich unspektakuläre Blick auf den Tiber an der Quelle von Acqua Acetosa unerhört modern und seiner Zeit weit voraus.
„Johann Christian Reinhart – ein deutscher Landschaftsmaler in Rom“, zu sehen bis 27.1.2013 im Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, 20095 Hamburg. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr.
Fotonachweis: Johann Christian Reinhart (1761-1847)
Header: Detail aus: Ansicht des Tibers an der Quelle von Acqua Acetosa, 1808, Öl auf Karton (auf Leinwand), 429 x 667 mm. Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen. © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang
Galerie:
01. Gewitterlandschaft mit Gebirgsfluss und Wasserfall (Der Jäger und der eingeschlafene Fischer), 1831, Öl auf Leinwand, 49 x 66,8 cm
München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek . © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek / bpk
02. Landschaft mit antiken Denkmälern – Die Erfindung des korinthischen Kapitells durch Kallimachos, 1846, Öl auf Leinwand, 96 x 137 cm. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek / bpk
03. Ideallandschaft mit Hirt und Ziegen, 1824, Öl auf Leinwand, 46 x 59,8 cm. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek / bpk
04. Arkadische Landschaft mit Fluss, Baumgruppe und antikem Sarkophag (Friedrich Schiller gewidmet), 1787, Gouache, 320 x 415 mm. Deutsches Literaturarchiv Marbach. © Deutsches Literaturarchiv Marbach
05. Schönburg an der Saale, 1783, Aquarell über Feder in Grau und Bleistift, 270 x 374 mm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang
06. Baumgruppe mit Kühen an der Tränke, 1836. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen,. Neue Pinakothek / bpk
07. Heroische Felslandschaft mit Bärenjäger, 1834, Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, weiße Kreide, grau laviert, 353 x 470 mm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang
08. Alte Olivenbäume an einer Felswand bei Ariccia, um 1809/10, Schwarze Kreide, 290 x 394 mm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang.
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