Der Niederländer Jos Letschert präsentiert in der Galerie des Levantehauses an der Mönckebergstraße in Hamburg eine Auswahl seiner Bilder und Zeichnungen in der Ausstellung „Double Dutch“.
Der Titel umspielt unterschiedliche Assoziationen des doppelten Holländers. Double Dutch meint zum einen ein Kinderspiel mit zwei Springseilen, die von zwei Personen in Gegenrichtung zueinander bewegt werden und einer weiteren Person, die sich tänzerisch und rhythmisch dem vorgegebenen Takt der Seile springend unterordnen muss. Außerdem erklärt Jos Letschert augenzwinkernd, dass der Begriff für all jene verwendet wird, die wenig Sprachbegabung haben.
Primär gemeint sind jedoch seine zwei unterschiedlichen künstlerischen Auffassungen, die in der Ausstellung deutlich zu sehen sind. Da begegnet dem Betrachter einerseits die ungegenständliche Malerei, die sich zwischen abstrakter, architektonischer und amorpher Formgestalt bewegt und in der der Künstler auch die physikalischen Eigenschaften von unterschiedlichen Materialien thematisiert und anderseits einer Auswahl von Zeichnungen, die skurrile Portraits und Figuren darstellen. Die Zeichnungen bewegen sich zwischen Karikatur, Modezeichnung und expressiv-realistischen Charakterstudien.
Wie die berühmten zwei Seiten einer Medaille hat auch der Künstler zwei unterschiedliche und scheinbar eigenständige Haltungen.
Die Malerei lebt von Farbräumen, die Jos Letschert auf unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlichen Mitteln auf die Leinwand bringt. Er selbst bezeichnet seine Arbeit als „Intuitiven Expressionismus“. Intuitiv deshalb, weil er seine Werke und den Bildaufbau nicht plant, sondern sich während des Arbeitsprozesses schrittweise erschließt. Besonders sichtbar wird das in den Schichtungen und Übermalungen, die Kombination von festen geometrischen Feldern, die man als Reminiszenz an die niederländische konkrete Kunst lesen könnte, gepaart mit amorphen Formen, die an die Werke der abstrakten Expressionisten, eines Mark Rothko oder Clifford Stills erinnern. In vielen Bildern findet man auf der Leinwand weitere Materialien wie Bambuspapier, Karton oder Kunststoff eingearbeitet, die er mit der Acrylfarbe und einem farbdichten Aufstrich regelrecht auf die Leinwand klebt. So wirken die Bilder – je nach Nähe des Auges des Betrachters sehr unterschiedlich in ihrer Konsistenz und ihrem Ausdruck. Der Künstler hat zumeist ein untrügliches intuitives Gespür für Form und Komposition, für Farbwirkung und Materialität. Allerdings darf der Künstler nicht zu routiniert und formalistisch werden, weil dann die Bilder Gefahr laufen ins Dekorative abzurutschen, was ihm durchaus hier und da in der Ausstellung unterläuft.
Besonders beeindruckend sind jene titellosen Bilder, bei denen der Künstler unterschiedliche physikalische Eigenschaften der Farbe aufeinander treffen lässt. Der Auftrag von wasserlöslicher Acrylfarbe auf einem ölhaltigen Untergrund, lässt die Farbe brechen. Es bilden sich Farbinseln, die wie aus der Vogelperspektive gemalt erscheinen – wie Kartographien und entrückte Landschaften. Aus der Entfernung sieht der Besucher eine Landschaft mit Horizontlinie und den Charakteristiken einer solchen, kommt man dichter an das Bild heran, verdreht sich regelrecht die Perspektive und man meint, von oben herab auf eine Landschaft zu blicken. Dieser perspektivische Bruch, diese Doppelwirkung funktioniert wie ein gekonnter Trick, das Gesehene zu hinterfragen und sich nicht darauf zu verlassen, was einmal erster Eindruck war.
Die Zeichnungen im Kabinettraum der Galerie sind von ganz anderem Kaliber. In großen, zusammenhängenden Blöcken präsentiert, ziehen sich gerahmte, aquarellierte Federzeichnungen an den Wänden entlang. Sie zeigen Portraits und Figuren, fragmentarisch, ironisch bis humorvoll überhöht und mit leichter, routinierter, teilweise unruhiger Feder gezeichnet. Im Weglassen von Elementen und dem gekonnten Setzen von Leerstellen wird die deskriptive, gezeichnete Situation noch stärker, weil der Betrachter sich selbst einbringen kann und die weißen Stellen auf den Blättern füllt. Einige Grafiken oszillieren zwischen Modezeichnungen der 1920er-Jahre, Skizzenblättern des Realisten George Grosz und etwas frechen, aber innovativen Überlegungen, was die Frau von Heute tragen könnte. Da hilft das humorvolle Wesen des Künstlers kräftig mit.
Jos Letschert (*1948) studierte Ende der 1970er Jahre an der Kunstakademie in Amersfoort Bildhauerei und Lehramt. Später arbeitete er als Projektleiter für Bildungsfragen und leitete viele Jahre die Forschungsabteilung des Nationalen Curriculuminstituts der Niederlande in Enschede. Parallel unterrichtete Letschert als Professor an der Universität Twente (Utrecht). Seit Mai 2010 ist er erimitiert und arbeitet ausschließlich als Maler und Zeichner in Bad Salzuflen bei Herford.
Ausstellung: Jos Letschert "Double Dutch", noch bis zum 20. November 2010.
Zu sehen in der Galerie im Levantehaus, Mönckebergstraße 7 (Obergeschoss), 20095 Hamburg.
Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 12-19h, Sa. 12-18h
Bildnachweise: © Jos Letschert. Die Zeichnungen stammen aus der Publikation „Peters Diät“, Detmold, 2008.
Fotos: Beate Letschert.
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment