Bildende Kunst

Nackte Frauen, aufgespießt auf erigierten Penissen, teuflische Exzesse, tödliche Lust. Wohl kein Künstler des 19. Jahrhunderts hat seine obsessive Neigung zur Pornografie derart ausgelebt, wie der belgische Symbolist Félicien Rops (1833-1898).

 

Die Hamburger Kunsthalle verwahrt in den Tiefen des Kupferstichkabinetts seit 1907 eine rund 250 Blätter umfassende Sammlung seiner skandalträchtigen Zeichnungen und Radierungen. Unter dem Titel „Paris ist meine Bibliothek“ werden sie nun erstmals vorgestellt – versehen mit dem Warnhinweis: „In der Ausstellung sind vermehrt Nacktheit, sexuell explizite Szenen sowie teilweise rassistische Stereotype und Darstellungen sexuellen Missbrauchs zu sehen.“

 

Alfred Lichtwark höchstselbst, der Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle, war es, der 1896 über die Commeter’sche Kunsthandlung in Hamburg die ersten elf Radierungen von Félicien Rops kaufte. Völlig fasziniert von dieser „beinahe geheimnisvollen Persönlichkeit“, der er durch eine Münchner Privatsammlung „nähergetreten“ war, schrieb er nach Hamburg: „Rops ist ein …Satiriker mit satanischer Macht, ein belgisches Temperament, das vor nichts in der Welt zurückschreckt“.

 

Eine Einschätzung, die man beim Betrachten des Werkes nur bestätigen kann. Tabus scheint der Spross eines wohlhabenden Textilfabrikanten aus Namur (Belgien) nicht gekannt zu haben. Im Gegensatz zur akademischen Aktmalerei seiner Zeit ging er unmittelbar zur Sache, legte die moralischen Abgründe der damaligen Bourgeoisie Frankreichs und Belgiens frei, bildete die achtsam verborgenen sexuellen Fantasien und abartigen Praktiken okkulter Opferrituale mit schockierender Direktheit ab. Erotika, unterlegt mit scharfem Witz und beißender Gesellschaftskritik. Sein schwarzer Humor zeigte sich schon während des Studiums in Brüssel, wo sich Rops dem studentischen „Club des crocodiles“ anschließt, die für ihre Karikaturen und Pamphlete bald darauf die Zeitschrift „Le Crocodile“ herausgeben.

 

Das Leben des Künstlers, der einmal über sich schrieb, er habe „eine zerkratzte Seele, als hätte der Teufel eine hungrige Katze darin eingesperrt“, scheint in jungen Jahren fast schizophren gewesen zu sein: Einerseits kann er sich von seinen bürgerlichen Wurzeln (noch) nicht lösen und heiratet 24jährig ausgerechnet die Tochter des Gerichtspräsidenten von Namur. Andererseits zieht es ihn nach Paris, dem sowohl künstlerischen wie auch erotischen Nabel der Welt des 19. Jahrhunderts. Hier leben Künstler wie August Rodin und Claude Monet, geschätzte Kollegen, die er auch persönlich kennenlernt. Hier leben vor allem aber einflussreiche Verleger und berühmte Schriftsteller, wie Stéphane Mallarmé, Charles Baudelaire und Paul Verlaine, deren Werke er illustriert. Die persönliche Zerrissenheit spiegelt sich auch in seiner Kunst. Neben den Erotica entstehen immer wieder Landschaften und brave naturalistische Porträts, die zwar ausgezeichnet radiert sind, ihm aber nie den Platz in der Kunstgeschichte eingebracht hätten, den er seinen obszönen Illustrationen verdankt.

 

Rops Selbstbildnis Bertrand

Links: Selbstbildnis als Ritter, 1878-1881, Schwarze Kreide auf Velin-Papier, 217x161mm. Rechts: Albert Bertrand nach Félicien Rops: Die Dame mit dem Schwein (Pornokrates), 1896, Radierung und Aquatinta, 685x457mm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett © Hamburger Kunsthalle / bpk, Fotos: Christoph Irrgang

 

1874 zieht Rops endgültig nach Paris, wo er schon seit längerem in einer Ménage à Trois mit den Schwestern Léontine und Aurélie Duluc lebt. Eine Dreiecksbeziehung, die trotz zahlreicher Affären bis zu seinem Lebensende hält (obwohl sich seine Frau nie von ihm scheiden lässt und den schlechten Ruf des „Stechers“, wie ihn Kollegen doppelsinnig nannten, weit über die Grenzen verbreiten.

„Künstler wie Rops konfrontierten die Gesellschaft mit ihrer Amoral, Lasterhaftigkeit und den Ausschweifungen, die im größten Kontrast zu den strengen sozialen Normen des Jahrhunderts standen“, wird Ralph Gleis, Kurator der Rops-Retrospektive in der Alten Nationalgalerie Berlin, im gut gemachten Katalog zitiert.

 

Félicien Rops selbst war sich dieser Bedeutung nicht bewusst. Alt, krank und zurückgezogen auf seinem Landsitz, wo er die letzten Lebensjahre mit der Zucht von Rosen verbringt, schreibt er in einem undatierten Brief: „Es ist mir egal, dass ich kein Talent habe, aber ich suche ‚etwas anderes‘. Was das ist?... Ich möchte gern den Akt meiner Zeit machen, mit seinem Elend und seinen großen oder düsteren Freuden“.    


„Paris ist meine Bibliothek“

 Zeichnungen und Druckgraphik von Félicien Rops
Kurator*innen: Dr. Andreas Stolzenburg und Juliane Au

Zu sehen bis 7.5.23

In der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall

Katalog: SW- und 160 Farb-Abbildungen | Hardcover | Sprache Deutsch

Weitere Informationen (Homepage Hamburger Kunsthalle)

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