Bildende Kunst

Raffael, il divino, der Göttliche! Kein Maler wurde je mehr verehrt als der Schöpfer der Sixtinischen Madonna und Vollender des Petersdoms in Rom. Über Jahrhunderte galt Raffael (1483-1520) als größter Künstler aller Zeiten. Die Literatur über ihn füllt Wände.

Was will man über diesen Säulenheiligen der Renaissance, 500 Jahre nach seinem Tod, also noch Neues verkünden?! Nun, die Hamburger Kunsthalle beleuchtet in ihrer großartigen Schau „Raffael. Wirkung eines Genies“ tatsächlich noch einen unbekannten Aspekt: Raffael war nicht nur ein begnadeter Maler, er war auch ein begnadeter Selbstvermarkter! Wie kein zweiter erkannte er bereits um 1500, wie wichtig es ist, seine Ideen unter das Volk zu bringen.

 

Eine funktionierende PR-Maschinerie in Gang zu setzen war vor 500 Jahren gar nicht so einfach. Um seine Bildideen zu vervielfältigen, arbeitete der Waisenknabe aus Urbino, der mit 17 Jahren bereits als Magister (Meister) galt, ab 1510 mit einem kongenialen Kupferstecher zusammen: Marcantonio Raimondi (vor 1480-um 1530). Der Kupferstich war damals das Vervielfältigungsmedium der Wahl: Von einer gut gestochenen Platte konnte man zahlreiche Reproduktionen drucken, doch ein guter Stich brauchte auch seine Zeit. Von Louis Jacoby (1828-1918), einem begnadeten Kupferstecher des 19. Jahrhunderts, weiß man, dass er an der Reproduktion von Raffaels „Schule von Athen“ aus den päpstlichen Privatgemächern zehn Jahre gearbeitet hat. Die Mitglieder des Hamburger Kunstvereins wurden immer wieder vertröstet, bis sie dieses besondere Blatt 1884 als Jahresgabe in den Händen hielten. Jacobys Meisterstich war einer der Höhepunkte des Raffael-Kultes, der im 19. Jahrhundert nicht nur kitschige, sondern auch absurde Blüten trieb. So entbrannte ein Streit über den Verbleib von seinem Schädel, der 1833 zur Graböffnung im Pantheon führte.

 

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Nur eine von vielen Anekdoten, die Andreas Stolzenburg über Raffael zum Besten geben kann. „Über 1000 Objekte, die mit Raffael zu tun haben“, so der Leiter des Kupferstichkabinetts, habe er und sein Kollege David Klemm – mit Hilfe von Volontären und Mitarbeitern – für diese Jahrhundert-Ausstellung gesichtet und rund 240 Grafiken, Gemälde, Zeichnungen und Bücher ausgewählt. Ausschließlich Werke aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle, wohlgemerkt!

 

Die Tatsache, dass die Ausstellung zum 500. Todestag Corona-bedingt um ein Jahr verschoben wurde, habe sich im Nachhinein sogar als glücklich erwiesen, gestand der Museumsmann. So wurde Zeit gewonnen, die neuen Raffael-Biografien zu rezipieren, sowie Sammlungs-Lücken zu schließen, u.a. mit der Neuerwerbung von Nicolas-André Monsiaus „Der Tod Raffaels“.

 

Das Ergebnis ist in der Tat beeindruckend und es wiegt schwer! Fast vier Kilo bringt der neue Bestandskatalog auf die Waage. Doch selbst ein noch so guter Katalog kann nicht den überwältigenden Eindruck ersetzen, mit dem das Hubertus Wald Forum Raffaels Wirkungsmacht durch die Jahrhunderte entfaltet. Dicht an dicht hängen die Nachdrucke der allegorischen, religiösen, mythologischen und historischen Themen, die der Frühvollendete in seinem kurzen Leben geschaffen hat. Und immer wieder ermöglichen verschiedene Fassungen ein und desselben Motives das Vergnügen des vergleichenden Sehens. Fünf Fassungen von der „Verklärung Christi“, vier Fassungen der Sixtinischen Madonna, die erst nach ihrem Verkauf nach Dresden 1754 zum Covergirl der katholischen Bürgerstuben wurde.

Ebenso beliebt: Der Merkur aus der römischen Villa Farnesina, den Jean-Baptiste Regnault (1754-1829) für sein programmatisches Bild der französischen Revolution adaptierte, Und natürlich das „Urteil des Paris“, dem komplexen, großformatigen Kupferstich von Raimondi (um 1515, nach einer nicht enthaltenen Vorzeichnung Raffaels), der eine Figurengruppe enthält, die Edouard Manet 1863 zu seinem Skandalbild „Das Frühstück im Grünen“ inspirierte.

 

Es ist einfach unheimlich viel zu entdecken in dieser spannenden Ausstellung, in der natürlich die fünf Originalzeichnung des „Göttlichen“ aus dem Bestand der Kunsthalle nicht fehlen. Aber sie sind in diesem Fall eher eine Zutat, der Vollständigkeit halber. Viel spannender ist es zu sehen, wie Philipp Otto Runge, Angelika Tischbein und all die anderen Raffael studiert und sich mit ihm auseinandergesetzt haben. Sicher: Auch Raffaels berühmte Zeitgenossen, Michelangelo und Leonardo da Vinci, ließen Werke zu Lebzeiten kopieren, aber lange nicht in dem Maße und mit nicht annähernd vergleichbarem Erfolg. Das der Kupferdruck ein geniales „Marketinginstrument“ ist, um Ruhm und Nachruhm zu mehren, das hat nur einer erkannt: Raffael Superstar.


„Raffael. Wirkung eines Genies“

Zu sehen bis zum 3.10. 2021

in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20099 Hamburg

Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr. Do bis 21 Uhr.

Weitere Infomationen

 

Es ist ein Ausstellungskatalog erschienen:

RAFFAEL. WIRKUNG EINES GENIES
631 Seiten | ca. 350 Abbildungen | Hardcover | deutsche Ausgabe

 

YouTube-Video:

Ausstellungsfilm. RAFFAEL. Wirkung eines Genies (4:50min)

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