Bildende Kunst

Eine vielseitige und interessante Sonderausstellung zu dem deutsch-dänischen Künstler Johann Ludwig Lund macht mit einem sehr zu Unrecht vergessenen Künstler bekannt.

Das Jahr 2020 widmen die Lübecker Museen ihren „Nachbarn im Norden“, und für ein solches Motto dürfte sich kaum ein Künstler besser eignen als der dänische Maler Johann Ludwig Lund (1777-1867), der als geborener Kieler Deutsch, Dänisch und Plattdeutsch beherrschte und ein enger Freund Caspar David Friedrichs (1774-1840) war, den er 1800 für eine Weile in Dresden besuchte.

 

Später, als Professor der Kopenhagener Akademie, war er Zeitgenosse und Kollege von Christoffer Wilhem Eckersberg (1783-1853), einem im Vergleich zu ihm eher klassizistisch orientierten Maler. In der Zwischenzeit hatte Lund seine Reisen nach Paris und Rom geführt, wo er Kontakt zu den Nazarenern um Friedrich Overbeck (1789-1869) aufnahm. Unter diesen Umständen bietet sich das Behnhaus in Lübeck als die eigentliche Heimat Overbecks für eine solche Ausstellung an.

 

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Die Ausstellung gliedert sich in sechs Kapitel, die auf die beiden Etagen des Behnhauses verteilt wurden. Gleich eingangs findet sich im Erdgeschoss ein Raum, der der Freundschaft zu Friedrich gewidmet ist, den Lund in der Kopenhagener Modellklasse kennen- und schätzen gelernt hatte. Seine frühen Bilder sind stark von Friedrichs Auffassung der Landschaft beeinflusst, beruhen also zunächst auf einer akkuraten und detailgetreuen Abbildung, meist vor Ort aufgenommen, die später im Atelier durchkomponiert, ja geradezu mit Sinn aufgeladen wurde. Besonders die subtile Darstellung des Laubwerks ist auch auf den späteren italienischen Bildern auffällig und trägt viel zu der Atmosphäre dieser Bildwerke bei. Wie bei Friedrich und Carl Gustav Carus (1789-1869) findet sich auch das neben dem Sonnenuntergang vielleicht romantischste aller Motive, das Fenster bzw. die Tür mit dem Blick nach draußen.

 

Von Carus – wie Friedrich in Dresden lebend und diesem eng verbunden – findet sich eine Darstellung seines Ateliers, dessen puristische Ausstattung einiges über das Selbstverständnis dieser Künstler verrät. Erst wurde im Freien gemalt, dann überließ sich der Künstler in einer klösterlich-kargen Zelle seinen inneren Bildern. Von Lund hängt in diesem Raum eine sehr schöne, ebenso gekonnt ausgeführte wie gut gesehene Darstellung eines Klostergartens, in dem ein von grünem Licht erfüllter Laubengang direkt auf eine Klosterpforte zuführt. So zeichnet sich schon hier seine starke Religiosität ab, die später noch deutlicher und direkter hervortreten wird.

 

Zweifellos werden bereits die bis heute populären Bilder von Friedrich, Carus und anderen für viele einen guten Grund darstellen, diese Ausstellung zu besuchen. Gilt das auch für die Werke des bedeutendsten Lübecker Malers, für Friedrich Overbeck (1789 – 1869), der sein Akademiestudium in Wien abbrach, um nach Italien zu gehen und sich dort an den Meistern des Mittelalters und der Renaissance zu orientieren? Diese Rückwendung war gleichbedeutend mit der Gründung einer eigenen künstlerischen Richtung, der „Lukasbrüderschaft“.

 

Nicht viele fühlen sich noch heute von der steifen und strengen Malweise der Nazarener angezogen. Aber Lund empfand das anders: Zweimal lebte er für einige Jahre in Rom (1802-1810 und 1816-1819) und ließ sich von Overbecks Arbeiten anregen. Später schuf er eine Reihe von Bildern für dänische Kirchen, die sich allerdings deutlich von Overbecks Gemälden unterscheiden. Es ist vor allem die zurückgenommene Farbigkeit der Gemälde Lunds – es liegt nahe, sie matt zu nennen, ja manche seiner Bilder besitzen in einigen Partien schon fast den Charakter einer Grisaille. Die zeitgenössische Kritik schalt ihn mehrfach dafür. In ihrem den Katalog eröffnenden, sehr umfangreichen biographischen Essay schreibt Anna Schramm Vejlby: „Der Archaismus, dem Lund angehörte, bevorzugte gut ausgeleuchtete, durch deutliche Kontur und klare Farben ohne dramatische Licht-Schatten-Wirkungen definierte Formen.“

 

Viele seiner religiösen Bilder überzeugen durch den gekonnten Bildaufbau, aber einerseits orientieren sie sich stark am späten Mittelalter, auch indem sie eine sentimentale Marienverehrung in den Vordergrund stellen, andererseits enthalten sie leicht süßliche Momente, die dem heutigen Betrachter wenig gefallen. Das alles gilt übrigens auch für seine Historienbilder, zum Beispiel für das sonst sehr schöne, in seiner Thematik originelle „Harbors Rückkehr aus der Schlacht“, mit dem sich der noch junge Meister bei der Akademie in Kopenhagen bewarb. Vor Lund hatte sich noch niemand dieses Motivs aus der dänischen Geschichte angenommen. Dank dieses Bildes wurde er in die Akademie aufgenommen und sollte später, als er endlich Professor geworden war, zusammen mit Eckersberg einen wesentlichen und anhaltenden Einfluss auf die dänische Kunst des 19. Jahrhunderts ausüben.

 

Kulturgeschichtlich interessant ist Lunds Verhältnis zu der Autorin und einflussreichen „Saloniere“ Friederike Brun (1765-1835), die seine Bewerbung auf die Akademieprofessur unterstützte, ihm eigene Aufträge zukommen ließ und ihn noch dazu als Zeichenlehrer beschäftigte. Auch schrieb sie Besprechungen seiner Bilder, in denen sie die Kritik an deren meist etwas fahlen Farbigkeit zurückwies. Im Katalog hat Karen Klitgaard Povlsen die offenbar sehr bedeutende Frau ausführlich porträtiert, der wegen ihrer Bedeutung für Lunds Karriere wie auch für sein Werk der dritte von sechs Räumen gewidmet ist. Lund durfte sich manchmal auf Sophienholm, Bruns ein wenig nördlich von Kopenhagen gelegenem feudalen Familiensitz, aufhalten; dort malte er ein sehr schönes Bild eines Sees. Das Besondere dieses Bildes ist das Messing, auf das er seine Farben auftrug und das, wie es scheint, die ganz eigenartige Farbigkeit des Bildes bestimmt.

 

Lund war sowohl Landschafts- als auch Historienmaler. Sicherlich auch von Friedrich angeregt, war er stets um eine akkurate Darstellung der Natur, insbesondere auch der Baum- und Strauchformen und des Laubs bemüht. Bereits an der Farbigkeit des Laubwerks kann man meist gut unterscheiden, ob es sich um eine mitteleuropäische oder eine italienische Landschaft handelt. Weniger realistisch, sondern künstlerisch geformt dagegen sind diese Gemälde, insofern sie sich nicht als Porträts bestimmter topographischer Punkte verstehen, sondern eine geformte, durchdachte und letztlich inszenierte Natur vor Augen führen. Und dann bilden sie natürlich noch – das ist der fünfte Raum – den Hintergrund für seine Historienbilder, die den heutigen Betrachter in aller Regel wohl weniger ansprechen. Dabei ist es neben der üblichen antiken Thematik auch die nordische Mythologie, die sich in vielen seiner Gemälde findet.

 

Bevor Lund nach Rom ging, hielt er sich 1800 in Paris auf, wo er Jacques-Louis David (1748-1825) kennenlernte. Wie dieser Fürst der akademischen Malerei versuchte er sich am Andromache-Mythos und wählte für sein „Aufnahmestück“ in Kopenhagen mit „Andromache in Ohnmacht beim Anblick von Hektors Leiche“ (1803-04) eine emotional stark aufgeladene Episode aus der „Ilias“. Später wandte er sich vergleichsweise unkonventionellen, weniger oft aufgegriffenen Motiven zu, zu denen auch Episoden aus der Chronik des dänischen Geschichtsschreibers Saxo Grammaticus (ca. 1160-1208) zählen. Probleme ergaben sich, weil er nichts über nordische Kleidung wusste – so sind seine Figuren fast wie die alten Griechen gewandet. Manche Kritiker bemängelten auch (und vielleicht nicht zu Unrecht) die schlecht zueinander passenden Größen der Figuren.

 

Johann Ludwig Lund F Peter MostSchließlich erhielt er den Auftrag, den Sitzungssaal von Schloss Christiansborg mit Motiven aus der dänischen Religionsgeschichte zu schmücken – daran arbeitete er dreißig Jahre lang. Die Bilder, die man sich im Katalog anschauen kann, zeigen, wie man sich damals nordische Religion und die Verehrung Odins vorstellte, stellen aber auch eine Fronleichnamsprozession und den Beginn der Reformation dar. Die Bilder selbst können in Lübeck nicht ausgestellt werden, weil sie fest installiert sind, aber im Behnhaus findet man jetzt die Entwürfe.

 

Der sechste und letzte Raum ist unter dem Stichwort „Das andere Goldene Zeitalter“ besonders der dänischen Kunstgeschichte gewidmet und zeigt den großen Einfluss, den der Lehrer Lund auf die jüngere Generation ausübte – und dieser Einfluss bestand nicht zuletzt darin, die Bedeutung der religiösen Malerei zu stärken.

 

Dem Rezensenten liegt kein Katalog vor, sondern nur das PDF eines Katalogbuches mit fünf hochwertigen Essays, die sich mit der Person wie mit dem Werk dieses bedeutenden Künstlers aus allen möglichen Perspektiven beschäftigen. Nicht alles aus seinem umfangreichen Œuvre kann noch heute überzeugen, sondern das, was er als den wesentlichen Teil seines Werkes ansah – die Historienmalerei – ist uns doch größtenteils fremd. Aber besonders die Landschaftsbilder sprechen noch heute an: sie stammen von einem wirklichen Meister, sind also handwerklich großartig und dabei durchdacht.


Das andere Goldene Zeitalter. Johann Ludwig Lund und der deutsch-dänische Künstlerkreis

Zu sehen bis Sonntag, 10. Januar 2021 im Museum Behnhaus Drägerhaus, Königstraße 9-11 in Lübeck
Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag
Bis 31.03. 11-17 Uhr, ab 01.04. 10-17 Uhr
Weitere Informationen und Termine

 

 

Abbildungsnachweis:
Peter Most: Die Fotografie zeigt Johann Ludwig Lund um des Jahr  1860. Quelle: Wikipedia CC

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