Bildende Kunst
Goya, Fragonard, Tiepolo – die Freiheit der Malerei

„Herzlich willkommen in der Hamburger Kunsthalle in unserer Ausstellung „Goya, Fragonard, Tiepolo – die Freiheit der Malerei“. Mit diesen Worten beginnt die Audio-Führung durch das Werk von vier Malergenies des 18. Jahrhunderts – und mit diesen Worten startet die Kunstvermittlung am Glockengießerwall ins digitale Zeitalter: Erstmals ist der Guide als App für Smartphones herunterzuladen. Wer will, kann jetzt und gleich den virtuellen Museumsrundgang durch die fulminante Schau beginnen – per Handy und völlig kostenlos.

Diese Kunsthallen-App ist eine wahrhaft revolutionäre Errungenschaft. Ein Geschenk an die Öffentlichkeit und passgenau zu der unerhört facettenreichen, rund 150 Gemälde und Grafiken umfassenden Ausstellung, die den 150. Geburtstag der Hamburger Kunsthalle beschließt. Auch Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828), Jean-Honoré Fragonard (1732-1806), sowie Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) und sein Sohn Giovanni Domenico (1727-1804) waren wegweisend auf ihrem Gebiet. Zwar hatten die beiden Italiener, der Franzose und der Spanier, die Kuratorin Sandra Pisot in Hamburg erstmals zusammenbringt, grundverschiedene Temperamente und Handschriften, auch kannten sie sich wohl nicht persönlich, aber alle vier waren revolutionär in ihrem unkonventionellen Umgang mit der Skizze. Traditionell diente sie zur Vorbereitung eines Altargemäldes oder Freskos; war die erste, locker, rasch, mit sichtbarem Pinselstrich ausgeführte Anlage des Bildaufbaus, der Perspektive und der Farbkomposition, die selbst wenig galt. Mit Goya, Fragonard und den beiden Tiepolos änderte sich das jedoch. Ihre Ölstudien gleichen lebendigen, dynamischen Malereien, die einen eigenen Wert beanspruchen.

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Die Aufwertung der Skizze als wertiges Kunstwerk lag im Trend. Das Interesse an der individuellen Handschrift ist bezeichnend für das Zeitalter der Aufklärung, dessen dramatischen Umbrüche vor, während und nach der Französischen Revolution 1789 alle gesellschaftlichen Bereiche erfasste. Auch die bildende Kunst. Das aufstrebende Bürgertum, das sich nun der Vernunft zuwandte, um Aberglaube und religiöser Fundamentalismus zu überwinden, bildete eine neue Käufer- und Sammlerschicht, die die Freiheit des künstlerischen Gestus zu schätzen wusste. Noch heute lernt jeder Schüler Immanuel Kants Leitspruch der Aufklärung, „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“.

Bei diesen virtuosen Meistern muss man wohl von künstlerischem Verstand sprechen. Alle vier waren schon zu Lebzeiten berühmt. Giovanni Battista und sein Sohn und Nacheiferer Giovanni Domenico, die letzten großen Vertreter des Spätbarocks; der vergnügungssüchtige Rokoko-Maler Fragonard und schließlich Goya, der spanische Hofmaler, dessen ätzende Gesellschaftskritik und grauenvollen Kriegsdarstellungen die Inquisition auf den Plan rief – sie alle hatten dem Ancien Regime, dem Adel und der Kirche ihre Karriere zu verdanken. Sie alle sind geprägt von dem Spagat zwischen untertäniger Auftragsarbeit für Hof und Klerus und einer freien, kritischen Gesinnung, die in Goyas Caprichos (opulent ausgebreitet aus der hauseigenen Sammlung) und in Giovanni Domenicos berühmten Pulcinella-Karikaturen am stärksten zum Ausdruck kommen.

Aber auch formal waren diese Maler ihrer Zeit voraus. „Ihre malerische Umsetzung ist von einer virtuosen Selbstverständlichkeit, an die erst die Impressionisten wieder anknüpfen konnten“, schwärmt Kunsthallenchef Alexander Klar, der die vier als „Impressionisten vor den Impressionisten“ einstuft.
Es ist in der Tat atemberaubend, mit welcher Kühnheit in Farbe und Pinselduktus Giovanni Battista Tiepolo Licht und Schatten in der „Erziehung der Jungfrau Maria“ (um 1720-22) verteilt, einem Entwurf für ein frühes Altargemälde. Mit welch schwindelerregenden Untersicht sein Sohn den „Triumph des Herkules“ (1760-62) in Öl auf die Leinwand bringt. Und mit welcher Spontanität und Leichtigkeit Goya das Porträt des Asensio Julia (um 1798) in Szene setzt. Besonders erstaunt jedoch Fragonard, den man bislang auf seine sinnlich-erotischen Werke und heiteren Genreszenen reduzierte. In der Hamburger Kunsthalle kann man ihn in spannenden Sichtachsen mit seinen Kollegen vergleichen und dabei neu sehen lernen. Als einen virtuosen Maler, der unerhört frei und mit wilden Pinselstrichen nicht nur die Figuren aus der Farbe schält, sondern auch ihre inneren Erregungen zum Ausdruck bringt.

„Goya, Fragonard, Tiepolo – die Freiheit der Malerei“

Zu sehen bis 13. April 2020 in der Hamburger Kunsthalle, Hubertus-Wald-Forum,
Glockengießerwall, Hamburg.
Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr.
Öffentliche Führungen Sa 15-16 Uhr: 7. März, 14. März, 21. März und 28. März
Katalog: Goya, Fragonard, Tiepolo. Die Freiheit der Malerei, 336 Seiten, ca. 120 Abbildungen in Farbe, Hardcover, Hirmer Verlag
Alle Infos unter www.hamburger-kunsthalle.de

YouTube-Videos:
- „Goya, Fragonard, Tiepolo. Die Freiheit der Malerei“ in der Hamburger Kunsthalle (Teaser)
- Goya, Fragonard, Tiepolo – Die Freiheit der Malerei: Ausstellung in Hamburg (18th century painting), Kunst und Film


Abbildungsnachweis: Fotos: Hamburger Kunsthalle
Header: Giovanni Domenico Tiepolo (1727-1804): Der Triumph des Pulcinella, 1760-1770, Öl auf Leinwand, 35x57,5cm. © Kopenhagen, Statens Museum for Kunst. Foto: SMK Photo, Jakob Skou-Hansen.
Galerie:
01. Francisco de Goya (1746-1828): Porträt des Asensio Julià, um 1798, Öl auf Leinwand, 54,5x41cm. © Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid.
02. Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770): Christus in Gethsemane, nach 1753, Öl auf Leinwand, 79,4x88,5 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford.
03. Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770): Die Opferung der Iphigenie, 1747/1750, Öl auf Leinwand, 39x62cm, © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford.
04. Jean-Honoré Fragonard (1732-1806): Die Gesellschaft im Freien, 1757-1759, Öl auf Leinwand, 67x114cm. © Musées de Chambéry. Foto: D. Gourbin.
05. Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770): Venezianische Pantoffelparade, 1740-1770. Feder, braun laviert, über schwarzer Kreide, 23,7x35,2cm, © Rijksmuseum Amsterdam.
06. Jean-Honoré Fragonard (1732-1806): Das Dorffest, 1775–1780, Schwarze Kreide, grau laviert, 34,8x4,31cm. © Rijksmuseum Amsterdam.

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