Was hat Flämische Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts aus den Niederlanden und Flandern mit den Baltikum zu tun? Auf den ersten Blick recht wenig, jedoch gab es schon lange die Vermutung, dass der mittlere und süd-östliche Teil der Ostsee eine sehr entscheidende Rolle spielen könnte.
Baltische Eichen stehen im Zentrum einer Ausstellung im Kunstmuseum „Rīgas Birža" (Rigaer Börse). Beim Betreten trifft der Besucher zunächst auf einen aufgetürmten Stapel von fingerdickem Eichholz, das gut abgelagert vor einem Landschaftsbild von Salomon van Ruysdael zu sehen ist. Schaut er in die Runde, so sieht er viele sehr unterschiedliche Bildgenres: Portraits, religiöse Motive, Kirchen, Landschaften zu verschiedenen Jahreszeiten, und Stillleben. Motivisch wird er in Bezug auf Baltische Eichen nicht fündig – das läge auf Hand. Auch wurden in den Niederlanden oder Flandern keine Eichen gepflanzt, die aus dem Baltikum stammten, vielmehr ist das Trägermaterial der Ölgemälde ausschlaggebend. Alle Werke sind nämlich auf Eichentafeln gemalt. Größtenteils aus einem Stück bestehend, hier und da auch einmal aneinandergefügt, um ein großes Format zu erhalten. Die Eichen aus denen die Holztafeln gefertigt wurden, stammen allesamt aus dem Ostseeraum.
Die Ausstellung ist Teil eines größeren und langjährigen Projektes, das diese Eichen mit Hilfe von DNS und sogenannten ‚dendrochronologischen‘ Methoden identifizieren kann, um die schon lange vermutete These zu beweisen, dass diese Eichen seit der Blütezeit der Hanse bis ins 17. Und 18. Jahrhundert aus dem Baltikum in die Niederlande geschickt wurden.
Das Projekt umfasst die Ausstellung, ein Symposium und wissenschaftliche Publikationen in verschiedenen Feldern der Wissenschaft und eine gemeinsame Initiative des Kunstmuseums Rigaer Börse, der Lettischen Universität Riga und dem Lettischen Staatlichen Institut für Forstwissenschaft „Silava", die außerdem von der niederländischen Botschaft in Lettland und dem Niederländischen Institut für Kunstgeschichte (Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie) unterstützt wird.
Baltische Eiche war Ende des 16. Jahrhunderts in Europa sehr beliebt, insbesondere in Deutschland, den Niederlanden und England. Der Export des qualitativ sehr hochwertigen Holzes war bereits seit dem 15. Jahrhundert ein Erfolgsschlager. Der Großteil des Handels wurde über Danzig und Riga umgeschlagen und verschifft. Verschiedene Quellen, Dokumente und Zollpapiere aus der Zeit belegen, dass ungeheure Mengen (ca. eine Viertelmillionen) von recht dünn gesägten Holztafeln sowie dickere, zur Fassmanufaktur benötigte Blöcke exportiert wurden. Im 18. Jahrhundert verbot schließlich die Russisch-Zaristische Regierung den Export aus Riga, da das Holz für den eigenen Schiffbau genutzt werden sollte.
Schon früh erkannten europäische Maler die guten Eigenschaften des baltischen Eichenholzes als Trägermaterial. Biologische Eigenschaften sowie die Festigkeit, die unproblematische Trocknung und die präzise Spaltungsmöglichkeit durch den geraden Wuchs waren ausschlaggebend.
In der Ausstellung gibt es zu jedem Bild gleich Mehrfachbeschreibungen: neben dem Künstler, dem Titel, Material und Entstehungsjahr ist auch eine kurz Abhandlung zur Thematik und Inhalt des Werkes zu finden und schließlich in einem separaten Textblock die Ergebnisse der dendrochronologische DNS-Material-Untersuchung des Holzes. Recht genau lässt sich feststellen, wo und wann das Holz geschlagen wurde, als auch wie viele Jahresringe es aufweist und auf wie vielen Einzelstücken die „Leinwand“ besteht. Die Daten sind mit noch heute in Lettland wachsenden Eichen abgeglichen worden.
Die recht ungewöhnliche Ausstellung bietet also etwas, nicht nur für Liebhaber der Flämischen Malerei, sondern für all jene, die auch einmal hinter ein Bild schauen wollen – was an einigen Stellen der Schau hier und da möglich ist.
Baltijas Ozoli – Baltic Oaks – Baltische Eichen
Zu sehen bis 30.11.2018 im Kunstmuseum „Rigaer Börse" „Rīgas Birža", Doma laukums 6, Rīga, LV-1050, LettlandWeitere Informationen
CODART (international network of curators of Dutch and Flemish art) – engl.
Artikel: Baltic Timber in Western Europe
Abbildungsnachweis:
Header: Christoph Jacobsz van der Lamen (1606–1651/1652): „Der verlorene Sohn”, Öl auf Eichenholz. Friedrich Wilhelm Brederlo Collection, 1905/1906. (Detail)
Galerie:
01. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
02. Salomon van Ruysdael (ca. 1600–1670): „Flusslandschaft”, 1642. Sammlung des Lettischen Nationalmuseums für Kunst. Publicity Foto
03. und 04. Blicke in die Ausstellung. Fotos: Claus Friede
05. Frans de Momper (1603-1660): „Winterlandschaft“, Öl auf Eichenholz. Sammlung des Lettischen Nationalmuseums für Kunst. Foto: Claus Friede
06. Jahresringe von Baltischen Eichen. Foto: Claus Friede
07. und 08. Blicke in die Ausstellung. Fotos: Claus Friede.
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