Jahr für Jahr zieht es Heerscharen Deutscher nach Mallorca, knapp vier Millionen waren es allein 2013.
Umso erstaunlicher, dass die liebevoll als 17. Bundesland bezeichnete Baleareninsel als Hotspot zeitgenössischer Kunst so gut wie unbekannt ist. Kurator Claus Friede und der auf Mallorca lebende Designer Klaus Dorn wollen hier Abhilfe schaffen. Im Hamburger Kunstforum Markert Gruppe zeigen sie ab heute „art balear – encuentros“ mit Werken von Toni Barrero und Ñaco Fabré. Die Hamburger Schau bildet den Auftakt zu einer Ausstellungsreihe alle zwei Jahre, die künftig regelmäßige Begegnungen mit mallorquinischer Kunst in Norddeutschland ermöglichen will.
Beide sind Maler, beide arbeiten gegenstandslos. Wobei: Ñaco Fabré, der ältere von beiden, arbeitet auch mit Holz. Der Begriff Bildhauer oder Plastiker scheint bei dem 49-jährigen Künstler aus Palma de Mallorca jedoch fehl am Platz: Fabrés Holzarbeiten, aus Brettern oder Vierkanthölzern zusammengesetzt, wirken eher wie eine dreidimensionale Zeichensprache. Als hätten hier einige seiner kruden, kalligraphisch anmutenden Kritzeleien die Fläche verlassen, sich willkürlich zusammengeschoben oder konstruktiv zur Ordnung gerufen, um als grazile Körper den Raum zu erobern.
„Recuerdo del norte“ (2013), „Ich erinnere mich an den Norden“ heißt eines dieser Bilder. Das linke Drittel ist monochrom-flächig in dem warmen Skandinavien-Rot gehalten, in dem die typischen schwedischen Holzhäuser gestrichen sind, zweidrittel des Gemäldes sind in kühlem Grau unterlegt und mit eben jeden unleserlichen Krakeleien und Schraffuren versehen, die an Hauswänden und Schultafeln zu finden sind.
„Gut gegen Nordwind“ kommt einem in den Sinn, der Bestseller des österreichischen Schriftstellers Daniel Glattauer, dessen moderne Version eines Briefromans in E-Mail-Format von einer merkwürdig in der Schwebe gehaltenen Kommunikation handelt. Vieles bleibt unausgesprochen, rätselhaft im Ungefähren.
So ist es auch mit Fabrés Gemälde: Sie kommunizieren, aber auf eine lyrisch-zarte, fast ins metaphysisch driftende Art und Weise.
Stephane Mallarmé, der große französische Lyriker und Symbolist, wollte Gedichte schreiben, wie Maler malen, „nicht die Sache, sondern die Wirkung, welche sie hervorruft“ im Sinn. „Der Vers soll sich nicht aus Worten, sondern aus Absichten zusammensetzen“, schrieb Mallarmé „und alle Worte vor der Empfindung zunichte machen“. Fabrés Gemälde sind von dieser Poesie durchtränkt. Sie entspinnen einen Dialog, dessen innerer Sinn sich der Sprache entzieht.
Toni Barreros farbintensiven Bilder wirken demgegenüber ungleich energischer, zupackender, auch intuitiver und unmittelbarer. Mit heftigem Pinselduktus und schwungvoller Geste setzt der 44-jährige Künstler aus Sóller Flecken, Kreise und amorphe Strukturen auf die Leinwand. Der Bezug zu Tachismus und informeller Malerei ist nicht zu verleugnen. Großen Meister der Nachkriegskunst, Hans Hartung, Ernst Wilhelm Nay oder Emil Schumacher, mögen den jungen Mallorquiner Vorbild gewesen sein, sicher auch Antoni Tápies, der zweifellos wichtigste Vertreter des Informel in Spanien und der bedeutendsten Künstler der iberischen Halbinsel.
Gleichwohl wirken Barreros Gemälde – bis auf wenige Ausnahmen – ungleich ruhiger, bodenständiger, von ursprünglicher Einfachheit. Hier findet man keine hektischen Farbschlieren, keine nervösen Schraffuren, keine stürzenden Linien und Spiralen. Nein, Toni Barreros in vielen übereinander liegenden Schichten aufgebaute Malerei erscheint vielmehr auf eigentümliche Weise geerdet, gleichsam schwermütig und von archaischer Kraft.
Als erstes fallen die starken Kontraste ins Auge: Ein hellgraues Oval auf einem ultramarinblauen Grund; Eine violette „Eins“ auf Lindgrün; zwei schwarze Zeichen auf einer orange-ockerfarbigen Fläche. Diese Malerei will nichts als pure Malerei sein und doch bleibt der Blick an den Formen hängen, sucht man nach Analogien aus der gegenständlichen Welt, nach Körperhaftem oder zumindest nach einer Zeichensprache. Vergeblich. Die Elemente, denen Toni Barrero Gestalt verleiht, wollen nichts erzählen. Dafür scheinen sie aufgeladen von einer geheimnisvollen Magie, die den Betrachter unweigerlich in den Bann zieht.
„Auf Mallorca ist die Stille unergründlicher als anderswo“, hatte einst die französische Schriftstellerin George Sand geschrieben. Man möchte meinen, das gilt auch für die mallorquinische Kunst.
Die Ausstellung „art balear – encuentros“ ist zu sehen bis 30. November 2014,
im Kunstforum Markert Gruppe, Droopweg 31, 20537 Hamburg
Geöffnet nach Vereinbarung. Telefon: (04321) 87010
Anlässlich von "Add-Art - Hamburger Unternehmen öffnen ihre Türen für die Kunst" gibt es Führungen: Sa. 1. November 2014 um 14 und 16 Uhr und am So. 2. November 2014 um 15 und 17 Uhr (Anmeldung bis 25.10. erforderlich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).
Finissage: 30. November 2014 von 18 bis 20 Uhr.
Die Ausstellung wird unterstützt von: art balear excursiones / Instutut d'Estudies Baleárics / Instituto Cervantes / Hotel Barceló / Fondation Erica Sauter.
Abbildungsnachweis:
Header: Blick in das Atelier von Toni Barrero in Sóller.
Galerie:
01. Plakat der Ausstellung.
02. Ñaco Fabré: Estudio del lenguaje, 2012, Öl, Kohle, Graphit auf Papier, 70x200 cm
03. Ñaco Fabré: Recuerdo del norte, 2013, Öl, Graphit auf Leinwand, 65x81 cm
04. Ñaco Fabré: Sin titulo, estudios de color, 2013, Öl, Graphit auf Leinwand, 35x35 cm
05. Ñaco Fabré: Dispersión de planos, 2013, Holz, 45x90x30 cm
06. und 07.Toni Barrero: Serie V2, 2010-2014, Öl auf Holz, 39x58 cm
08. Toni Barrero: Sin titulo, 2012/2014, Mischtechnik auf Papier, 38x28 cm
09. Toni Barrero: Verde y moraito, 2014, Öl auf Leinwand, 130x130 cm.
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