Elbjazz
Mit konstant bestem Wetter und fast 60 Konzerten, verteilt auf insgesamt zehn Spielstätten im Hafen, ist gestern Nacht das ELBJAZZ Festival in Hamburg erfolgreich zu Ende gegangen. Am Himmel strahlte die Sonne, am Boden strahlten 20.000 begeisterte Besucher – 5.000 mehr als 2011, die dem Festival auch in seiner dritten Auflage einen erneuten Gästezuwachs bescherten.

Tina Heine und Nina Sauer, die beiden Festival-Initiatorinnen, ziehen eine durchweg positive Bilanz. Heine erläutert: “Nicht nur das Wetter hat es in diesem Jahr gut mit uns gemeint, sondern auch das Publikum und die Künstler sorgten für eine ganz besondere Stimmung vor dieser einmaligen Hafenkulisse. Die Entwicklung des Vorverkaufs und der stetige Besucherzuwachs zeigen uns außerdem, dass sich das Festival als jährliches Programmhighlight in den Köpfen der Gäste verankert hat. Es ist deswegen gar keine Frage, dass wir den Hafen 2013 erneut entern und in eine riesige Bühne für Jazzmusik verwandeln werden.”

Gemeinsam mit Sängerin Diana Torto eröffneten John Taylor & Kenny Wheeler Quartett am vergangenen Freitag auf der Hauptbühne bei Blohm + Voss das Festival. „Ah, so you're getting the old people out of the way first“, scherzte Taylor, als er hörte, dass sein Ensemble mit der Bass-Legende Palle Danielsson und dem 82-jährigen Wheeler den Auftakt geben sollte. Diese Stilblüte des typisch britischen Humors führte das Ensemble selbst ad absurdum: Die drei Altmeister und ihre junge Vokalistin lieferten mit poetischen Melodien und dem unverkennbar lyrischen Trompetenspiel Wheelers den perfekten Einstieg in einen wunderbaren und warmen Festivalabend. Kenny Wheeler gehörte zu den ELBJAZZ-Künstlern, ebenso wie u.a. der herausragende Posaunist Nils Wogram, die gleich an mehreren Orten und in unterschiedlichen Formationen zu sehen und hören waren und so den Besuchern die Möglichkeit gaben, mehr von der eigenen Wunschliste zu erleben. Wheeler trat am Folgetag noch einmal mit den Studenten auf der Hochschulbühne auf.

Im Anschluss an das Eröffnungskonzert verwandelte die NDR Bigband die neue Halle Südkai, ebenfalls bei Blohm + Voss, in eine Kultstätte. Gleichermaßen besessen und beseelt spielte der kubanische Zeremonienmeister Omar Sosa am Piano mit der Bigband sein leidenschaftliches Programm „Ceremony“. Zeitgleich gaben Helge Schneider und Michael Wollny auf der Hauptbühne ihr Duodebüt an zwei Klavieren. Schneider unterstützte seinen jüngeren Kollegen bei dessen Solohochflügen mit überraschenden Akkorden.

Ein ganz anderes Duett füllte wenig später erneut die Halle am Südkai. Die beiden Luxemburger Musiker Pascal Schumacher, Vibraphon und Marimba, und Francesco Tristano am Flügel, die sich schon vom dortigen Konservatorium kennen, erfüllte die ehemalige Tischlereihalle mit regelrecht himmlischen Klängen – ein traumhaftes Erlebnis zwischen großen Melodien und subtilen Grooves.

Gleich nebenan, auf der sonnenbeschienenen und ebenfalls neuen Spitzenbühne, gab die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy ein energisches Konzert – ein ideales Kontrastprogramm zu den eher ruhigen Klängen in der Halle. Im Anschluss daran gewann Curtis Stigers auf der Hauptbühne das Publikum mit dem Programm seines neuen Albums „Let’s Go Out Tonight“ ganz und gar für sich. Der amerikanische Sänger und Saxophonist verkündete bereits am Freitagmittag und vor dem offiziellen Festivalstart bei einer exklusiven Barkassenfahrt von den Landungsbrücken zu Blohm + Voss: „I love this festival.“

Auch die norwegische Band Katzenjammer pflegt einen guten Kontakt zur Hansestadt und begeisterte bei ihren letzten Hamburg-Konzerten vor ausverkauften Hallen ein vornehmlich junges Publikum – ihre zwischen Gypsie-Swing und Folk-Pop wechselnden Songs und ihr reger Instrumententausch kamen als letztes Konzert am Freitagabend auch bei den ELBJAZZ-Gästen gut an.
Noch etwas früher am Abend, auf der anderen Elbseite und auf der Terrasse des BLOCKBRÄU, faszinierte Max Mutzke mit einem ähnlich Blues-, Jazz- und Soul-lastigen Programm, während Mutzkes Bruder Menzel als Trompeter von „Moop Mama“ wenig später die prall gefüllte MS Stubnitz zum Kochen brachte. Unweit dieses Schiffs, das im Anschluss die sensationellen Berliner Tanz-Terminatoren von Ye:Solar und DJ Skar bis in die frühen Morgenstunden rockten, wurde wieder der Kontrast zelebriert. Während des bezaubernden Auftritts der norwegischen Sängerin Andrea und ihrem außergewöhnlichen „Kvintett“ (mit drei Saxophonen und Bass) in der gut gefüllten Unilever Kantine in der HafenCity konnte man eine Stecknadel fallen hören. Das Publikum war so ausnehmend aufmerksam – bis es nach den gefühlvollen Balladen in tobenden Applaus ausbrach. Im Anschluss daran zeigte die charmante US-amerikanische Sängerin, Beatboxerin und Pianistin Butterscotch, wie gekonnt sie mundgemachte HipHop-Beats, Soul-Gesang und Jazz-Piano verbinden kann. Ihre Version von „My Funny Valentine“, bei der sie sich selbst am Klavier begleitete und zwischen den Gesangsphrasen ihren eigenen Beat machte, war ebenso eindrucks- wie gefühlvoll. Der erste Festivaltag fand im Stage Kehrwieder-Theater einen gelungenen Abschluss: Dort luden die Musiker von Jam de la Creme zu einem futuristischen Groove-Gewitter ein, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte.

Jam de la Creme waren es auch, die bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen am Samstag bei Blohm + Voss auf der Spitzenbühne den zweiten Festivaltag einläuteten – das Publikum feierte auch dort ihre spontanen Groove-Inspirationen. Nachmittags gab Zara McFarlane, die britische Vocal-Jazz-Künstlerin, im BLOCKBRÄU ihr Deutschland-Debüt. Aber der Freihafenzoll wollte vorab ihren Bass nicht durchlassen. Eine Viertelstunde nach der angekündigten Startzeit ging Zara nur mit ihrem Pianisten auf die Bühne, entschuldigt sich für die Verspätung und stimmte „Lullaby Of Birdland“ an. Das Warten hat sich gelohnt: Zara McFarlane war mit Sicherheit eine der großen Entdeckungen dieses Festivals.

Das Hafenmuseum und die MS Bleichen, im letzten Jahr noch Geheimtipps, waren an beiden Festivaltagen meistens prall gefüllt und ein erschöpfter, aber glücklicher Gabriel Coburger hatte mit einem hoch energetischen Programm am Samstag eindruckvoll sein Talent als Programmmacher und Saxophonist bewiesen. Dank des neu eingerichteten Bus-Shuttles der Roten Doppeldecker von Blohm + Voss zum Hafenmuseum und MS Bleichen waren diese beiden Spielorte in diesem Jahr noch leinfacher zu erreichen.

Bei Blohm + Voss wurde der Abend stimmungsvoll von den erfolgreichsten Jazz-Brüdern im Lande eingeläutet. Klarinettist Rolf und sein Bruder Joachim Kühn am Piano bewiesen mit ihrem hervorragenden Quartett, dass auch freier Jazz ein großes Publikum begeistern kann. „Ein wirklich schönes Ereignis“, meinte Rolf Kühn im Anschluss. „Zum einen, weil so viele Leute kommen. Aber ganz besonders, weil sie auch zuhören. So ein hohes Maß an Aufmerksamkeit habe ich schon lange nicht mehr erlebt – schon gar nicht bei einem Festival.“

Deutlich andere Klänge kamen etwas später aus der Halle Südkai, fast könnte man meinen, man wäre auf dem bald anstehenden Hurricane Festival, so gnadenlos bearbeitete der norwegische Gitarrist Stian Westerhus seine E-Gitarre. Zu Gast bei der Band Supersilent brachte er die Lautstärke in der Halle auf das Maximum.
Währenddessen verwandelten Juan de Marco Gonzales und seine Afro-Cuban Allstars den Platz vor der Mainstage in eine große Tanzfläche. Selbst im Sitzen versuchten einige Besucher mit dem Becken zu kreisen. Das gefiel auch Mulatu Astatke, dem „Ethio Jazz“-Meister aus Äthiopien, der meinte: „Ich will keine Lorbeeren nur dafür, dass man Afrika und seinen kulturellen Einfluss respektiert.“ Was er damit meinen könnte, zeigte der Keyboarder, Percussionist und Vibraphonist an der extrem gut besuchten Spitzenbühne beim seinem tollen Konzert mit alten und neuen „Ethio Jazz“- Klassikern, die von den glitzernden Lichtern eines Feuerwerks untermalt wurden.

Vor der Hauptbühne warteten zu derselben Zeit ein paar Tausend Besucher und reckten die Hälse, um zu erleben, was Helge Schneider nun wohl allein auf der Bühne anstellen würde: Erst Mittags erreichte die Festivalleitung die Nachricht, dass der angekündigte Duo-Partner von Helge, Chilly Gonzales, krankheitsbedingt nicht beim ELBJAZZ auftreten würde. Schneider begann mit einem an Thelonious Monk geschulten Pianosolo, das er spontan „Frachter“ taufte. Wenig später holte er eine der ELBJAZZ-Entdeckungen auf die Bühne: die Beatboxerin Butterscotch, die bereits am Vorabend und auch wenige Stunden zuvor bei ihren Soloauftritten für Begeisterungsstürme gesorgt hatte: Heraus kam ein ebenso spontanes wie spannendes Zusammenspiel aus mundgemachten Beats und handgemachten Klaviermelodien:„Funk à la Schneider“ – während illuminierte Kräne mit integrierten Discokugeln auch optisch für eine einzigartige Atmosphäre sorgten.

Apropos Funk: Die Jazzanova Live-Band mit dem Sänger Paul Randolph versetzte die Halle am Südkai im Anschluss in heftige Schwingungen – endlich war diese international renommierte Band aus Berlin nun auch einmal bei ELBJAZZ zu sehen.

Die auch beim ELBJAZZ von Publikum gefeierte ECHO-Preisträgerin Caro Emerald und ihre Band machten auf der Hauptbühne ihren großen Hit „A Night Like This“ zum passenden Motto eines ausklingenden Open Air-Konzertabends, während in der Halle Südkai die MOJO-After-Show-Party, unter anderem mit dem irrwitzigen Beatboxing von Faith SFX, zum Finale des ELBJAZZ 2012 ansetzte. Es dämmerte schon, da wurde in der ehemaligen Tischlereihalle noch ausgiebig zu den Schallplatten der „Original Jazz Rockers“ und den Grooves von Schlagzeuger Sönke Düwer alias „A Green Meadow“ getanzt.

Infos zum ELBJAZZ Festival 2013 und zum Vorverkaufsstart in Kürze unter www.elbjazz.de

Quelle: www.elbjazz.de

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment