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KlassikKompass: Die Welt der Bach-Cantatas – Pfingsten I

Pfingsten (altgriechisch: pentekostē hēmera bedeutet der fünfzigste Tag).
Es wird von den Gläubigen die Entsendung des Heiligen Geistes gefeiert und es wird am 50. Tag des Osterfestkreises, also 49 Tage nach dem Ostersonntag, begangen.
Im Neuen Testament wird in der Apostelgeschichte erzählt, dass der Heilige Geist auf die Apostel und Jünger herabkam, genau an jenem Tag als sie zum jüdischen Fest Schawuot‚ (hebräisch: „Wochen“ zum 50. Tag nach Pessach) in Jerusalem versammelt waren.
Dieses Datum wird in der christlichen Tradition auch als Gründung der Kirche verstanden. Als christliches Fest wird Pfingsten erstmals im Jahr 130 nach Christi Geburt erwähnt.

Auf welches Datum Pfingsten fällt, hängt ganz vom Osterdatum ab. Das Christentum hat das Verhältnis zwischen diesen Festen vom Judentum übernommen, in Anlehnung an den Abstand von 50 Tagen zwischen Pessach und dem Wochenfest Schawuot.
Das christliche Pfingstereignis fand also am jüdischen Fest Schawuot statt. Dieses Fest feiert die Offenbarung der Torah an das Volk Israel und gehört zu den Hauptfesten des Judentums.
Schawuot ist gleichzeitig ein Erntedankfest oder „Tag der Erstfrüchte“, da es den Abschluss der mit Pessach beginnenden Ernte markiert. Mischna und Talmud kennen das Fest auch als Atzeret „feierliche Versammlung“. Die vielen Namen spiegeln die verschiedenen Bedeutungen, die das Fest hat.Bereits aus dieser Tradition stammt der griechische Name pentekostē, aus dem der deutsche Begriff Pfingsten hervorgegangen ist.

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Im 2. Kapitel der Apostelgeschichte werden die Erfahrungen der Jünger Jesu beim Pfingstfest, dem jüdischen Wochenfest, in Jerusalem geschildert: „Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.
Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel
Wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer.
Und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,
Und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an,
Zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“

Als Petrus gefragt wurde, was getan werden solle, antwortete er: Buße zu tun und sich taufen zu lassen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, um den verheißenen heiligen Geist zu empfangen. Am Pfingsttag nahmen dreitausend Menschen sein Wort an.

Das Pfingsten wird das von Jesus Christus angekündigte Kommen des ‚Heiligen Geistes’ gefeiert wird, und zugleich der feierliche Abschluss der Osterzeit.
Nach dem christlichen Glauben – wie Petrus ihn in seiner Pfingstpredigt zum Ausdruck gebracht hat – folgt auf die Buße die Taufe auf den Namen Jesu Christi. Das Empfangen des ‚Heiligen Geistes’ kann durch Handauflegung geschehen.
Im Evangelium nach Lukas heißt es, dass der Gottesgeist als ‚Kraft aus der Höhe’ herabkommen wird. Das Johannesevangelium beschreibt, dass der Auferstandene am Abend des Ostertages in die Mitte seiner Jünger kam, sie anhauchte und mit den Worten ‚Empfanget den Heiligen Geist!’ ihnen den Geist Gottes übertrug.

Am Pfingsttage
BWV 34 O ewiges Feuer, O Ursprung der Liebe
BWV 74 Wer mich liebet wird mein Wort halten
BWV 172 Erschallet ihr Lieder

Bach hat einige seiner schönsten und gewaltigsten Kantaten für das Pfingstfest geschrieben. Es ist immer wieder interessant sich Gedanken über den ‚Heiligen Geist’ zu machen und Bach hat viele Wege gefunden diesen zu charakterisieren – als die Kraft der Liebe, die Macht des geistlichen Feuers, der Segen des Frieden...
Ich hatte das Glück einen ausgezeichneten Konfirmationspfarrer zu haben und als ich im zarten Alter von 14 gefragt habe, was denn nun ein ‚Heiliger Geist’ sei – Gespenster kannte man ja aus anderen Zusammenhängen – habe ich eine Antwort bekommen, die mir heute sonnenklar diesen Begriff und seine seelische Wirkung offenbart: „Wie ein Kirchenfester ohne Licht keine Farben zeigt, so kann der Glauben ohne den Heiligen Geist nicht seine volle Schönheit entfalten“.
Man wünscht sich mehr solche Konfirmationspfarrer in der Kirche.

Bach hat im Pfingstfest nur Begeisterung gefunden und sie in begeisternde Musik umgesetzt.


Bach Cantata BWV 34 ‚O ewiges Feuer, O Ursprung der Liebe’
Uraufführung Pfingsten nach 1740 in Leipzig, Text: Unbekannter Dichter

„Erwählt sich Gott die heilgen Hütten,
Die er mit Heil bewohnt,
So muss er auch den Segen auf sie schütten“.
Bass Rezitativ aus der Kantate

‚O ewiges Feuer, O Ursprung der Liebe’ BVW 34 zum Pfingsttage. Evangelium des Johannes 14 Vers 27 ff.

„Den Frieden lasse ich euch,
Meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht
Und fürchte sich nicht.“

Wir begeben uns mitten hinein in das begeisternde Wunder von Pfingsten mit unserer ersten Cantata die Bach fast am Ende seines Lebens dem Pfingsttag widmete – ‚O ewiges Feuer, O Ursprung der Liebe BWV 34. Und wer Bach bis dato immer noch für einen verknöcherten, muffig-protestantischen Kantoren und für langweilig gehalten hat, der wird mit diesem ‚Feuer’ eines wahrhaft besseren und anderen Bach belehrt. Hier ist der echte Fieberwahn des kreativen Musikers zu spüren – die Vision eines Entrückten. Ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie diese wilde Cantata auf die kreuz-biederen Leutchen in Leipzig am Pfingstsonntag gewirkt haben mag.
Bach spannt über fünf spiegelbildlich angeordnete Sätze einen gewaltigen Bogen von Feuer – Liebe – Hitze – Seele – Begeisterung – Frieden alles wieder in nur etwa knappen 17 Minuten Aufführungsdauer.
Der Drehpunkt der Cantata ist eine Alt-Arie um die ‚auserwählten Seelen’ die zu den Kleinoden Bach’scher Kompositionskunst zählt. Die Seele sitzt also da, wo sie soll – im Herzen - in der Mitte – auch in dieser Cantata. Umschlossen ist diese Arie von zwei Rezitativen wo es zunächst um das ‚gewählte Heiligtum’ beim Tenor und später um den Segen für das ‚geweihte Haus’ im Bass geht – umbauter Raum für die Seele also – oben wie unten- hoch wie tief.
Um das Ganze legt Bach einen wahren Feuerkreis von zwei Chor-Ausbrüchen, der lodert, wie es kaum heißer sein kann – erst die Entzündung der Liebe – dann die aktive Begeisterung für Christi Frieden – echt ‚heiße’ Themen also.
Mich hat das Ganze an einen alten Bekannten aus der Country Szene erinnert, der in seinen späten Jahren ein überzeugter ‚brennender’ Christ wurde und dessen berühmtester Hit auch um das ‚Brennen im Feuerkreis der Liebe’ geht – genau so wie in Bachs Pfingst-Cantata. Der Song von Johnny Cash ‚Ring of Fire’ – ein echter Welthit mit dem gleichen Thema wie unsere Pfingstmusik etwa 300 Jahre später.

„Love is a burning thing
And it makes a fiery ring.
Bound by wild desire
I fell into a ring of fire

I fell into a burning ring of fire,
I went down, down, down
As the flames went higher

And it burns, burns, burns,
The ring of fire, the ring of fire.

The taste of love is sweet
When hearts like ours meet.

I fell for you like a child,
Oh, but the fire went wild.

I fell into a burning ring of fire,
I went down, down,
Down as the flames went higher

And it burns, burns, burns,
The ring of fire, the ring of fire.“

Unsere Cantata beginnt mit einer Initialzündung im einleitenden Chor – erneut die drei Clarin-Trompeten geben das nötige feurige Licht zu diesem ersten Oktavsprung zunächst im Orchestervorspiel – einer Sinfonie – dann in den ersten Worten des Chors:
„O – eeeeeeeeewiges Feuer’ – ‚O’ der Start und man landet in der Oktav auf ‚e’ das ‚eeeeeeeeeeewig’ gehalten wird, bis das Feuer schließlich hell auflodert.

O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe,
Entzünde die Herzen und weihe sie ein.“

Rhythmisch punktiert werden die Herzen entzündet und dann geht es weiter mit ‚himmlischen Flammen’ – sie brennen an dieser Stelle schon hoch...

„Lass himmlische Flammen
Durchdringen und wallen,
Wir wünschen, o Höchster,
Dein Tempel zu sein,
Ach, lass dir die Seelen
Im Glauben gefallen.“

Das Feuer der Liebe brennt nach dem Mittelteil da capo – es beginnt erneut:
„O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe,
Entzünde die Herzen und weihe sie ein.“

Ein musikalischer Parforce-Ritt durch ein pfingstliches Flammen-Meer, das man schnell die Feuerwehr rufen möchte!
Ein relativ schlichtes Rezitativ des Tenor bringt die Einstimmung für den Zustand der Seele in diesem ‚Liebes-Szenario’:
„Herr, unsre Herzen halten dir
Dein Wort der Wahrheit für:
Du willst bei Menschen gerne sein,
Drum sei das Herze dein
Herr, ziehe gnädig ein.
Ein solch erwähltes Heiligtum
Hat selbst den größten Ruhm“

Die folgende Alt Arie ist ein Juwel wie es auch der Bachforscher Alfred Dürr in seinem Standardwerk „Johann Sebastian Bach, Die Kantaten“ beschreibt und dies unterstreicht: „Die Musik, die Bach für diesen Text bereit gehalten hat, ist von bezaubernder Anmut. Die Instrumentation ist ungewöhnlich – gedämpfte Violinen werden mit oktavierten Querflöten kombiniert, repetierenden Orgelpunkt Bässe verleihen dem Satz seine überirdische Ruhe. Mit Recht wird diese Arie zu den glücklichsten Eingebungen Bachs gezählt (...)

„Wohl euch, ihr auserwählten Seelen,
Die Gott zur Wohnung ausersehn.
Wer kann ein größer Heil erwählen?
Wer kann des Segens Menge zählen?
Und dieses ist vom Herrn geschehn.“

Der Bass führt ein weiteres Rezitativ an – diesmal den Frieden Christi beschwörend und direkt zu dem gewaltigen Ruf ‚Friede über Israel’ in dem sofort danach rasanten im Tutti einbrechenden Schlusschor überleitend:

Rezitativ Bass
„Erwählt sich Gott die heilgen Hütten,
Die er mit Heil bewohnt,
So muss er auch den Segen auf sie schütten,
So wird der Sitz des Heiligtums belohnt.
Der Herr ruft über sein geweihtes Haus
Das Wort des Segens aus:
Chor
Friede über Israel.
Dankt den höchsten Wunderhänden,
Dankt, Gott hat an euch gedacht.
Ja, sein Segen wirkt mit Macht,
Friede über Israel,
Friede über euch zu senden.“

Dieser Frieden ist aber hier nicht still und zurückgezogen, sondern aktiv, begeisternd und aggressiv im frei losgelassenen, feurigen Swing-Rhythmus und von aufsteigenden, stetig treibenden Bassfiguren und kurzen Trompetenstößen angeheizt – Frieden ist hier ein ‚Feuer der Seele’ – geboren aus der Liebe Gottes.

Ich möchte diesen Schluss mal von einem guten Swing-Orchester gespielt hören, das wäre wohl kaum ein Unterschied zu dem Schmiss den Bach hier vorlegt. Mich holt diese Cantata jedes mal aus dem Sessel – nur einmal hören reicht da normalerweise nicht.

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