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Bach Cantata BWV 43 ‚Gott fähret auf mit Jauchzen’
Uraufführung 30. Mai 1726 in Leipzig, Text: unbekannter Dichter
Choral ,Du Lebensfürst Herr Jesu Christ’. Johann Rist 1641
Melodie: ’Ermuntre dich mein schwacher Geist’. Johan Schop 1641
Evangelisches Gesangbuch Nr. 33

Neun Jahre vor dem Himmelfahrtsoratorium hat Bach zur Auffahrt Christi eine wahre Rock’n’Roll-Veranstaltung komponiert die das Geschehen theatralisch prächtig und nachhaltig in Szene setzt – die Cantata ‚Gott fähret auf mit Jauchzen’ BWV 43 – und der Begriff ‚Jauchzen’ darf dabei gerne wörtlich verstanden werden.
Es gibt Cantatas, da bin ich mir nicht so ganz sicher, ob Bach nicht einfach bei der Komposition gründlich ausgeflippt ist. Dazu gehören die obige Himmelfahrts-Cantata, aber auch BWV 70 ‚Wachet, Betet, Betet, Wachet’ zum 26 Sonntag nach Trinitatis, die mal kurz mit lautem Krachen die Welt in Trümmer gehen lässt, oder die Pfingst-Cantata die uns später noch beschäftigen wird ‚O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe’ BWV 34, in der uns der Heilige Geist so entzündet, das wir uns tanzend in der Wohnung wiederfinden oder auch – mein augenblicklicher Favorit – ‚Ihr Tore zu Zion’ BWV 193 zur Leipziger Ratswahl 1727 in der die Himmelstore aufspringen.
So – mal erst zum ‚Jauchzen’.
Christus fährt auf zum Himmel – ‚Ja tausend mal tausend begleiten den Wagen’. Psalm 47 Vers 6 ff: „Gott fährt auf mit Jauchzen und der HERR mit heller Posaune.
Lobsinget, lobsinget Gott; lobsinget, lobsinget unserm König!
Denn Gott ist König auf dem ganzen Erdboden.“

Die Cantata ‚Gott fähret auf mit Jauchzen’ besteht wie schon das Himmelfahrts-Oratorium aus zwei Teilen, die vor und nach der Predigt musiziert wurden. Sie beginnt mit einem eigenartigen, mitreißenden Chor. Zunächst eine, fast brave, ruhige Adagio Einleitung, die dann schlagartig in einen von drei Clarin-Trompeten und Pauken eingeleiteten fugierten ‚(Er-) Schreckensschor’ einmündet ‚Gott fähret auf mit Jauchzen’ – man wird Zeuge der Auffahrt in den Himmel:
„Gott fähret auf mit Jauchzen
Und der Herr mit heller Posaunen.
Lobsinget, lobsinget Gott, lobsinget,
Lobsinget unserm Könige.“

Das folgende Tenor Rezitativ zitiert zum ersten Mal in dieser Cantata Querverweise auf alttestamentarische Psalter. Psalm 68 Vers 18 ff: „Der Wagen Gottes sind vieltausendmal tausend
Der HERR ist unter ihnen am heiligen Sinai.
Du bist in die Höhe gefahren
und hast das Gefängnis gefangen.“

Das wird im Rezitativ wie folgt umgearbeitet:
„Es will der Höchste sich ein Siegsgepräng bereiten,
Da die Gefängnisse er selbst gefangen führt.
Wer jauchzt ihm zu?
Wer ists, der die Posaunen rührt?
Wer gehet ihm zur Seiten?
Ist es nicht Gottes Heer,
Das seines Namens Ehr’,
Heil, Preis, Reich,
Kraft und Macht mit lauter Stimme singet
Und ihm nun ewiglich ein Halleluja bringet.“

Die folgende Tenorarie, die von den Violinen einstimmig begleitet wird führt die Querverweise auf alttestamentarische Bezüge zum Himmelfahrts-Geschehen fort – diesmal aus dem Buch Daniel. Der vollständige Text der Arie wird dreimal unterschiedlich vorgetragen – immer wieder betont wie ‚tausend mal tausend’ den Wagen begleiten.

Hier enthalten wir einen Hinweis auf das oben angeführte Zitat, aus dem 2. Buch der Könige über die Himmelfahrt des Elias:
„Und da sie miteinander gingen und redeten, siehe,
Da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen,
Die schieden die beiden voneinander
Und Elias fuhr also im Wetter gen Himmel“

In der Arie wird das dann so verarbeitet:
„Ja tausend mal tausend begleiten den Wagen,
Dem König der Kön'ge lobsingend zu sagen,
Dass Erde und Himmel sich unter ihm schmiegt
Und was er bezwungen, nun gänzlich erliegt.“

Das Ziel dieser Querverweise ist den ‚König der Kön'ge’ in die alten biblischen Prophezeiungen und Visionen einzubinden und Christus als ihre Erfüllung darzustellen.
Noch etwas Erstaunliches im folgenden Rezitativ des Sopran mit einer betrachtenden Erzählung die eigentlich normalerweise dem ‚Evangelisten’ – bei Bach vom Tenor repräsentiert – zugeschrieben wird. Erneut in ihr ein versteckter Hinweis auf eine Bibelstelle in der Apostelgeschichte. Apostelgeschichte des Stephanus 7 Vers 55 ff: „Wie er aber voll heiligen Geistes war
Sah er auf gen Himmel und sah
Die Herrlichkeit Gottes und Jesum stehen zur Rechten Gottes
Und sprach: Siehe, ich sehe den Himmel offen
Und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen.“

Im Text des Rezitativs dann wird das weiterverarbeitet:
„Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte,
Ward er aufgehoben gen Himmel
Und sitzet zur rechten Hand Gottes“
Ebenso schließt diese Seele (Sopran) von Oboen verdoppelte Streicher begleitet den ersten Teil der Cantata. Besonders schön darin ausgeführt der Satz ‚Er schließt der Erde Lauf’ verdeutlicht durch ein aufwärts geführte Koloratur, der eine Gegenbewegung auf eine Wiederholung des Textes folgt:
„Mein Jesus hat nunmehr
Das Heilandwerk vollendet
Und nimmt die Wiederkehr
Zu dem, der ihn gesendet.
Er schließt der Erde Lauf,
Ihr Himmel, öffnet euch
Und nehmt ihn wieder auf!“
Der zweite Teil beginnt mit einem gewaltigen Bass Rezitativ im Accompagnato das Christi Heldentum darstellt – besonders ausgearbeitet die Stellen ‚Zerstreut der Feinde Hauf’ – wo musikalisch wirklich zerstreut wird und das ‚holt den Sieger auf’ – die Koloratur läuft dem Sieger nach:
„Es kommt der Helden Held,
Des Satans Fürst und Schrecken,
Der selbst den Tod gefällt,
Getilgt der Sünden Flecken,
Zerstreut der Feinde Hauf.
Ihr Kräfte, eilt herbei
Und holt den Sieger auf.“

Die folgende Bass Arie von einer einzelnen hellen Clarin-Trompete begleitet und Basso Continuo und dadurch einen glanzvollen einen fast kriegerischen Eindruck macht bezieht sich wiederum auf eine alttestamentarische Prophezeiung. Evangelium des Jesaja 63 Vers 3 ff: „Warum ist dein Gewand so rotfarben und dein Kleid wie eines Keltertreters?
Ich trete die Kelter allein und ist niemand unter den Völkern mit mir.
Ich habe sie gekeltert in meinem Zorn und zertreten in meinem Grimm.
Daher ist ihr Blut auf meine Kleider gespritzt, und ich habe all mein Gewand besudelt.

Er ist’s, der ganz allein
Die Kelter hat getreten
Voll Schmerzen, Qual und Pein,
Verlorene zu erretten
Durch einen teuren Kauf.
Ihr Thronen, mühet euch
Und setzt ihm Kränze auf!“

Den Wein in der Kelter zu treten – der rote Wein ist das Symbol für Christi Blut. Dies allein in der Einsamkeit der Passion - ‚Verlorene zu erretten, durch einen teuren Kauf’ und dann der Hinweis auf die Siegerkränze, natürlich auch an die Dornenkrone erinnernd. Man sieht an diesem einen Beispiel wie vielschichtig die Symbolik in Bachs Cantatas angelegt ist und wie sie mit feinsten musikalischen Mitteln ausgemalt und dem damals wohl sehr bibelfesten Hörer erklärt wird.

Der Alt, die ‚Tochter Zion’ betrachtet die Auffahrt in einem vom schlichten Continuo begleiteten Rezitativ:
„Der Vater hat ihm ja
Ein ewig Reich bestimmet:
Nun ist die Stunde nah,
Da er die Krone nimmet
Vor tausend Ungemach.
Ich stehe hier am Weg
Und schau ihm freudig nach.“
Die folgende Alt Arie mit obligater Oboe schließt die Szene in das Herz ein. Der Schluss des Rezitativs wird variiert. Heißt es dort ‚Ich stehe hier am Weg und schau ihm freudig nach’ so endet die Arie ‚Ich stehe hier am Weg und schau ihm sehnlich nach’ – ‚sehnlich’ koloriert und wirklich sehnlich ausgemalt – sich sehnend nach dem Tröster, dem ‚Heiligen Geist’ am kommenden Pfingsten:
„Ich sehe schon im Geist,
Wie er zu Gottes Rechten
Auf seine Feinde schmeißt,
Zu helfen seinen Knechten
Aus Jammer, Not und Schmach.
Ich stehe hier am Weg
Und schau ihm sehnlich nach.Ҥ

Der Sopran in seinem finalen Rezitativ das erneut vom Continuo begleitet wird variiert das ‚am Weg stehen’ erneut und diesmal heißt es – zum Choral überleitend ‚Ich stehe hier am Weg und schau ihm dankbar nach’:
„Er will mir neben sich
Die Wohnung zubereiten,
Damit ich ewiglich
Ihm stehe an der Seiten,
Befreit von Weh und Ach!
Ich stehe hier am Weg
Und ruf ihm dankbar nach.“

Die Cantata beschließt dann folgerichtig auch ein schlichter, vierstimmiger Dank-Choral in zwei Strophen auf die Melodie von ‚Ermuntre dich, mein schwacher Geist’ von Johan Schop 1641 komponiert.
Dieser Satz findet sich auch im ‚Neu Leipziger Gesangbuch’ von 1682 und soll – nach der neueren Bachforschung - angeblich bereits von dem Gubener Kantor Christoph Peter (1626-1689) stammen und von Bach original übernommen worden sein:
„Du Lebensfürst, Herr Jesu Christ,
Der du bist aufgenommen
Gen Himmel, da dein Vater ist
Und die Gemein’ der Frommen,
Wie soll ich deinen großen Sieg,
Den du durch einen schweren Krieg
Erworben hast, recht preisen
Und dir g'nug Ehr erweisen?

Zieh uns dir nach, so laufen wir,
Gib uns des Glaubens Flügel!
Hilf, dass wir fliehen weit von hier
Auf Israelis Hügel!
Mein Gott! Wenn fahr ich doch dahin,
Woselbst ich ewig fröhlich bin?
Wenn werd ich vor dir stehen,
Dein Angesicht zu sehen?“

Es ist ein mitreißender Choral als Tanz ausgeführt, der durch seine ungewöhnliche Rhythmik und melodische Intensität ein würdiger Abschluss dieses Bach-Werkes zum Himmelfahrtstage darstellt. Meine persönliche Lieblingszeile darin: „Zieh uns dir nach, so laufen wir, gib uns des Glaubens Flügel!“


Bach Cantata BWV 128 ‚Auf Christi Himmelfahrt allein’
Uraufführung 10. Mai 1725 in Leipzig, Text: Christiana Mariana von Ziegler
Choral ,Auf Christi Himmelfahrt alleinr’. Ernst Sonnemann 1661 nach
Josua Wegelin 1636
Melodie: ’Es ist gewisslich an der Zeit’. Martin Luther 1529
Evangelisches Gesangbuch Nr. 122

Choral ,Allein Gott in der Hoeh sei Ehr’, Nicolaus Decius 1523 nach
einem ‚Gloria in Exclesis Deo’ aus dem 4. Jahrhundert
Evangelisches Gesangbuch Nr. 179

Bachs nächste Himmelfahrts-Cantata, die wir uns jetzt genauer besehen wollen, dauert wieder nur knapp 17 Minuten. Aber wie bereits schon einmal erwähnt – was Bach aus 17 Minuten machen kann. Sie beginnt mit einem strahlenden Chor mit zwei Hörnern besetzt, die Pracht vom Himmelfahrt charakterisierend. Es ist ein Chor dem der Choral zugrunde liegt, der dieser Cantata den Titel gab ‚Auf Christi Himmelfahrt allein’ komponiert von
Ernst Sonnemann 1661.
Im ‚Cantus firmus’ – das heißt im ‚ Grundgesang der Basis’ - versteckt Bach einen weiteren Choral ‚Allein Gott in der Höh sei Ehr’ 1523 von Nicolaus Decius geschrieben.
Man sieht also schon an dieser kunstvollen Kombination die Botschaft – ‚Christi Himmelfahrt’ gibt ‚Gott in der Höh die Ehr’.
Nun ist das aber nicht genug. Ich habe mich immer schon gewundert, warum ich diese an sich so kurze ‚harmlose’ Cantata nicht aus dem Kopf bekomme, wenn ich sie mal wieder gehört habe – namentlich der Einleitungschor ist ein echter ‚Ohrwurm’, der einen gut mal den Tag lang verfolgen kann.
Bach benutzt hier einen Kompositionstrick, der uns an die Kinderzeit erinnert und bei unserer ‚musikalischen Genen’ packt, ein zentrales Motiv dieses Chors sind ‚pentatonisch’ angelegt und wird wie ein musikalisches Ausrufungszeichen wiederholt.
Zunächst bewegt er sich im Dreiklang absteigend ‚Auf-Christi-‚ und danach wieder zum Ausgangspunkt – nach oben ‚in den Himmel’ - zurück und fünf mal dort verharrend ‚Him-mel-fahrt-al-lein’.
Das wird man eine Zeitlang nicht mehr los. Und man läuft einen Sonntag lang durch die Gegend mit ‚Auf Chris-ti-Him-mel-fahrt-al-lein’ im Kopf.
Was ist das aber mit der ‚Pentatonik’ die Bach da anwendet?
Als ‚Pentatonik’ aus dem Griechischen ‚Penta’ für die Zahl ‚Fünf’ also ‚Fünftonmusik’. Damit bezeichnet man aus fünf verschiedenen Grundtönen bestehende einfache Tonleitern und Tonsysteme. Pentatonik ist das älteste nachgewiesene Tonsystem, das man etwa aus Funden von bis zu 4000 Jahren alten Knochenflöten mit drei bis vier Grifflöchern erschließt. Sie kennzeichnet auch seit etwa 3000 vor Christi Geburt die Musik vieler Völker Asiens, Afrikas, Amerikas und des frühen Europas.
Die Anthropologie hat auch herausgefunden, das jeder Mensch – ob er späterhin musikalisch ist oder nicht – mit der Kenntnis dieser Fünftonleiter auf die Welt kommt – ein musikalisches Himmelsgeschenk also. Viele Kinderlieder und gesungene Abzählreime sind daher ‚pentatonisch’.
Also ein super intensiver Trick vom Thomas Kantor, der damals schon wie ein echter ‚Popmusiker’ dachte und versuchte die Hörer mit seiner Kompositionstechnik so zu fesseln, das sie diesen ‚Hit’ und die damit verbundene Botschaft erst mal nicht mehr loswurden.
Ach noch eins – schön barock ist auch die Idee in diesem Choral das Christi ‚Haupt im Himmel ist’ und nun ‚Wird seine Glieder Jesus Christ zu rechter Zeit nachholen’ – also uns alle – Arme, Beine, Füße, Hände:
„Auf Christi Himmelfahrt allein
Ich meine Nachfahrt gründe
Und allen Zweifel, Angst und Pein
Hiermit stets überwinde.
Denn weil das Haupt im Himmel ist,
Wird seine Glieder Jesus Christ
Zu rechter Zeit nachholen.“

Der Text zu den weiteren Nummern stammt von einer damals in Leipzig führenden Dichterin, die viele von Bachs Cantatas textete und die wir schon in einer vorigen Folge vorstellten, Christiana Mariana von Ziegler. Der Tenor ist bereit Christus – dem Haupt – als Glied in den Himmel zu folgen und in ‚Salems Zelt’ verkläret zu sein. Salem? Salem ist ein alter hebräischer Ortsname, der an einigen Stellen im Alten Testament der Bibel so in Psalm 76 Vers 3 erscheint, als Gottes Wohnung:
„Gott ist in Juda bekannt.
In Israel ist sein Name herrlich.
Zu Salem ist sein Gezelt,
Und seine Wohnung zu Zion.“

Im Rezitativ ist das dann wie folgt verarbeitet:
„Ich bin bereit, komm, hole mich!
Hier in der Welt
Ist Jammer, Angst und Pein;
Hingegen dort, in Salems Zelt,
Werd ich verkläret sein.
Da seh ich Gott von Angesicht zu Angesicht,
Wie mir sein heilig Wort verspricht.“

Danach geht das Popkonzert zu Himmelfahrt weiter mit einer Bass Arie mit rezitativischem Finale, die beginnt wie eine Trompeten Fanfare und die auch von einer Clarin-Trompete begleitet wird – das Königtum Christi unterstreichend. Wieder ein solcher ‚Ohrwurm’ – ‚Ta ta ta ta tatata’ – wie ein Trompete mit obligater Trompete – ‚Auf, auf mit hellem Schall ...’ – in der Tat!
Auf, auf, mit hellem Schall
Verkündigt überall:
Mein Jesus sitzt zur Rechten
Der fröhliche Trompeten-Song beginnt ab diesem Teil plötzlich zu stoppen, der Ductus wird nachdenklich und wechselt hin zu einem Rezitativ Accompagnato:
„Wer sucht mich anzufechten?
Ist er von mir genommen,
Ich werd einst dahin kommen.“

Ab diesem Punkt unten wird die Arie zum reinen Rezitativ und zur Betrachtung der Möglichkeit ganz bei Gott zu sein und sich bei dem Aufgefahrenen sogar eine ‚Hütte zu bauen’ (siehe oben das ’Zelt’ in Salem) die gleiche Idee auch hier.
„Wo mein Erlöser lebt.
Mein Augen werden ihn in größter Klarheit schauen.
O könnt ich im voraus mir eine Hütte bauen!“ Das Ganze bezieht sich auf eine Stelle im Evangelium des Matthäus Kapitel 17 ff.Natürlich geht das nicht, weiß auch das Rezitativ, denn ‚Er wohnet nicht auf Berg und Tal’, aber die Parallele zwischen dieser ‚Verklärung Christi’ und der sehr ähnlichen ‚Verklärung an Himmelfahrt’ ist etabliert:
„Wohin? Vergebner Wunsch!
Er wohnet nicht auf Berg und Tal,
Sein Allmacht zeigt sich überall;
So schweig, verwegner Mund,
Und suche nicht dieselbe zu ergründen!“
Und der Bass schweigt ab hier. ‚So schweig, verwegner Mund’ und nur das Trompetenvorspiel zur Arie vom Anfang wird wiederholt. Das folgende Duett zwischen Alt und Tenor schließt sich der Idee der Bass Arie an und führt weiter aus wie unfassbar es ist ‚Sein Allmacht zu ergründen’.
Genial die Vision im zweiten Teil dieses von obligater, fast einsamer Oboe begleitetem Duett, wenn das Schweigen eintritt und man durch die Sterne den aufgefahrenen Christus im Himmel ahnt – musikalisch ungeheuer fein ausgemalt, das man die Sphären fast singen hört – und dichterisch von erster Güte. So beeindruckend, das der Komponist Max Reger (1873-1916) das Ritornell dieses Satzes als Thema seiner Bach-Variationen op. 81. benutzte: “Sein Allmacht zu ergründen,
Wird sich kein Mensch finden,
Mein Mund verstummt und schweigt.
Ich sehe durch die Sterne,
Dass er sich schon von ferne
Zur Rechten Gottes zeigt.“
Bleibt der Schlusschoral, wieder von strahlenden Hörnern umglänzt, der dieser Cantata, die in ihrer ganzen Eindringlichkeit ein echtes Juwel der geistlichen Werke Bachs darstellt, beendet.
In Wirklichkeit ‚Mich bringen zu der Lust, wo deine Herrlichkeit ich werde schauen an in alle Ewigkeit’ – man ist in dieser Cantata sehr nahe dran am Himmel:
„Als denn so wirst du mich
Zu deiner Rechten stellen
Und mir als deinem Kind
Ein gnädig Urteil fällen,
Mich bringen zu der Lust,
Wo deine Herrlichkeit
Ich werde schauen an
In alle Ewigkeit.“
Ich mochte gerne die Aufnahme dieser Cantata und auch der letzten zum Himmelfahrstage, die wir im Weiteren betrachten wollen ‚Wer da gläubet und getauft wird’ BWV 37 mit dem Bach Collegium Japan unter Leitung von Masaaki Suzuki empfehlen. Zwei großartige CD Einspielungen, die in ihrer Musikalität wirklich bestechend sind.

Die CD Johann Sebastian Bach ‚Cantatas’ Volume 35 mit dem Bach Collegium Japan, sowie den Solisten Yukari Nonoshita (Sopran), Robin Blaze (Altus), Makoto Sakurata (Tenor) sowie Peter Kooij (Bass) unter der Leitung von Massaki Suzuki.
Die CD enthält unter anderem unsere besprochene Cantata zu Himmelfahrt BWV 128 ‚Auf Christi Himmelfahrt allein’. Ebenfalls BWV 176 ‚Es ist ein trotzig und verzagt Ding’ zu Trinitatis, die Cantata BWV 87 ‚Bisher hat ihr nichts gebeten in meinem Namen’ zum Sonntag ‚Rogate’ und BWV 74 ‚Wer mich liebet der wird mein Wort halten’ zum Pfingstsonntag, die wir später noch besprechen werden. Die CD ist zu erhalten bei BIS Records unter der Bestellnummer BIS SACD 1571.

Eine weitere CD Johann Sebastian Bach ‚Cantatas’ Volume 19 mit dem Bach Collegium Japan, sowie den Solisten Yukari Nonoshita (Sopran), Robin Blaze (Altus), Makoto Sakurata(Tenor) sowie Stephen MacvLeod (Bass) unter der Leitung von Massaki Suzuki.
Darauf versammelt unter anderem unsere in einer vorhergehenden Folge von ‚Welt der Bach Cantatas’ besprochene Cantata zum Sonntag ‚Misercordias Domini’ BWV 104 ‚Du Hirte Israel, höre!’.
Dazu außerdem BWV 86 ‚Wahrlich, wahrlich ich sage euch’ zum Sonntag ‚Rogate’, die Cantata BWV 37 ‚Wer da gläubet und getauft wird’ zum Himmelfahrtage, die wir gleich im Anschluss betrachten wollen, und schließlich BWV 166 ‚ ‚Wo gehest Du hin?’ zum Sonntag ‚Cantate’.
Die CD ist zu erwerben bei BIS Records unter der Bestellnummer BIS CD 1261.


Bach Cantata BWV 37 ‚Wer da gläubet und getauft wird’
Uraufführung 18. Mai 1724 in Leipzig, Text: unbekannter Dichter
Choral: ,Wie schön leuchtet der Morgenstern’. Philipp Nicolai 1599
Evangelisches Gesangbuch Nr. 70
Choral: ,Ich dank Dir lieber Herre’. Johann Kolrose 1535

Die letzte der Bach-Cantatas zu Himmelfahrt ‚Wer da gläubet und getauft wird’ BWV 37 ist gleichzeitig auch die älteste – sie wurde bereits 1724 aufgefährt. Sie ist im Gegensatz zu den eher an ein Popkonzert erinnernden Auffahrts-Darstellungen der späteren Cantatas im ‚Himmelfahrtsoratorium’ BWV 11 von 1735, in BWV 43 ‚Gott fähret auf mit Jauchzen’ von 1726 oder in BWV 128 ‚Auf Christi Himmelfahrt allen’ von 1725 eher eine Art innerliche Reflektion und Predigt über den Sinn und die Konsequenz der Himmelfahrt für den einzelnen Gläubigen. Das beginnt schon mit dem Einleitungschor – die Oboe ruft – wie ein erhobener Zeigefinger – im Oktavsprung zur Aufmerksamkeit in der Sinfonia bevor der Chor ebenfalls mit aufwärts bewegter Melodielinie einsetzt – der Bass gibt die Losung aus, die anderen setzen fugiert ein. Der Inhalt ist die Ankündigung Christi (siehe oben). Immer wieder wird die Botschaft von Glaube und Taufe in allen Stimmen wiederholt:
“Wer da gläubet und getauft wird,
der wird selig werden.“

Der Tenor setzt die relativ kurze Cantata, nur etwa 16 Minuten Aufführungsdauer, mit einer sehr melodischen von einer feinen arabesken obligaten Solovioline verzierten Arie fort und bringt das Thema der ‚Liebe’ ein die im Pfingstgeschehen eine führende Rolle spielen soll – der Glaube als ‚Pfand der Liebe’:
„Der Glaube ist das Pfand der Liebe,
Die Jesus für die Seinen hegt.
Drum hat er bloß aus Liebestriebe,
Da er ins Lebensbuch mich schriebe,
Mir dieses Kleinod beigelegt.“

Da die Cantata trotz der Kürze zweiteilig angelegt ist – vor und nach der Predigt – endet der erste Teil mit einem außergewöhnlichen, dicht geführten Choral-Duett von Sopran und Alt aus dem Kirchenlied ‚Wie schön leuchtet der Morgenstern’ das hier – ehrlich gesagt - zunächst gar nichts zu suchen hat, denn es gehört zum Fest ‚Maria Verkündigung’ – am 25. März – was hat das also bei Himmelfahrt verloren?
‚Eia Eia’ kennen wir als freudigen Ruf zu Weihnachten. ‚Himmlisch Manna’, heißt es weiter – passt vielleicht doch? Speisen wir etwa das ‚Himmelsbrot Manna’ in Form der Liebe, die Christus auf die Welt gebracht hat? Eigentlich eine schöne Idee und Parallele. Mit darin verarbeitet ist auch die ‚Hochzeit zwischen Seele und Christus’, die sich auch im Advent wiederfindet – in der allegorischen Parabel der Jungfrauen, die sehnlich auf den Bräutigam warten – mit den Lampen nach dem ‚Geist’ suchend:
„Herr Gott Vater, mein starker Held!
Du hast mich ewig vor der Welt
In deinem Sohn geliebet.
Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut,
Er ist mein Schatz, ich bin sein Braut,
Sehr hoch in ihm erfreuet.
Eia! Eia!
Himmlisch Leben wird er geben mir dort oben.
Ewig soll mein Herz ihn loben.“

Das Bass Rezitativ-Accompagnato holt die Cantata zurück zu Himmelfahrt und belehrt die Christen wie sie ‚das Antlitz Gottes’ anschauen können – nämlich nur der Glaube macht allein ‚dass wir vor Gott gerecht und selig sein’:
„Ihr Sterblichen, verlanget ihr,
Mit mir das Antlitz Gottes anzuschauen?
So dürft ihr nicht auf gute Werke bauen.
Denn ob sich wohl ein Christ
Muss in den guten Werken üben,
Weil es der ernste Wille Gottes ist,
So macht der Glaube doch allein,
Dass wir vor Gott gerecht und selig sein.
Die folgende Bass Arie gibt die Synthese aus Glaube und Taufe mit einer jubelnden Oboe begleitet – ohne Zeigefinger - und wieder sehr swingend, besonders wenn sich darin die ‚Seele mit Flügeln in den Himmel schwingt’ ...
Der Glaube schafft der Seele Flügel,
Dass sie sich in den Himmel schwingt,
Die Taufe ist das Gnadensiegel,
Das uns den Segen Gottes bringt.
Und daher heißt ein sel’ger Christ,

Diese Bach Cantata wurde bei ihrer Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert bereits hoch geschätzt und setzt wundervoll einen Schlusspunkt unter die ‚Himmelfahrt’ mit dem Ausblick auf ‚Pfingsten’ – das begeisternde Fest des ‚Heiligen Geistes’.

Ihr Herby Neubacher


Abbildungsnachweis:
Header: Detail aus Giotto di Bondone; um 1266-1337; und Werkstatt. "Christi Himmelfahrt", um 1303/05. Fresko, ca. 185x200 cm. Aus dem Zyklus mit Szenen aus dem Leben Mariä und Christi. Padua, Arenakapelle (Cappella degli Scrovegni), linke Wand, untere Reihe.
Galerie:
01. Rembrandt, Harmensz van Rijn; 1606-1669. "Die Himmelfahrt Christi", 1636. Aus dem Passionszyklus für den Statthalter Frederik Hendrik von Oranien. Öl auf Leinwand, 92,7x68,3 cm.
02. CD-Cover Johann Sebastian Bach Osteroratorium BWV 249 und Himmelfahrtsoratorium BWV 11
03. CD-Cover
04.Detail aus dem Apostelcredo der Frauenkirche zu Memmingen, mittelalterliche bildliche Zuordnung der zwölf Apostel zu Artikeln des Glaubensbekenntnisses, Fresko des Jüngers Thomas. Foto: Thomas Mirtsch
05. CD-Cover Johann Sebastian Bach ‚Cantatas’ Volume 19 mit dem Bach Collegium Japan
06. Giovanni Bellini: "Die Verklärung Christi", 1480-1485, Öl auf Holz, 115x152 cm. Museum: Galleria Nazionale di Capodimonte, Neapel.

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