Meinung
Wayne Shorter Quartet: Roadmusic, die Bilder produziert

Es ist einer dieser typischen Novembertage, dunkel, neblig und feucht und die Hamburger Laeiszhalle erscheint im fahlen Licht.
Diese Stimmung nimmt man in den Saal mit hinein und als ob die Musiker des Wayne Shorter Quartets in der gleichen Stimmung sind beginnt ihr Spiel in herbstlichen Farben.

Schon nach den ersten Takten spüren die Zuhörer wie eine gleichförmiges Tempo aufgenommen wird, und vergleichbar dem Roadmovie spielt sich hier Roadmusic ab. Einer Reise gleich trägt die Musik durch Bilderwelten, meine sind nordamerikanische Landschaften, einmal quer durch das Land. Ab und zu erinnern impressionistische kurze Streicheinlagen am Bass von John Patitucci an Debussy und Pianist Danilo Perez führt jene Dynamiken weiter, manchmal ebenso leicht impressionistisch und flüssig, manchmal akzentuiert abstrakt. Brillant Brian Blade an den Drums, der für nuancierten Rhythmus sorgt und es schafft, mit pointierten Schlag-Setzungen eine ganz natürliche Dramatik zu kreieren. Wayne Shorter lässt seinen Musikern viel Raum, er hält sich zurück, gibt kleine, fast unauffällige Zeichen, an denen man merkt, er gibt vor. Immer wieder reichen 3 kurze Töne aus seinem Tenorsaxophon, um sich wieder für einen Moment ins Spiel zu bringen. Bass, Schlagzeug und Piano öffnen Räume, das Saxophon schließt sie wieder mit kurzen, knappen Interventionen oder er setzt seine schlagartigen Akzente einfach darüber.

Auch beim zweiten improvisierten Stück entstehen Bilder: Nun sind es urbane. Wie auf dem Rücksitz eines Taxis entführt die Musik mich in eine metropolhafte Welt von Hochhaus-Architektur, Lichtern, Stadt, und Straßen. Mit einer minuziösen Präzision halten die Musiker ihrer Klangwelt und meiner Bildwelt die Treue.

Nach einer Stunde wechselt der Stil. Shorters Sinn für fließende Melodie und rhythmischen Proportionen tragen den zweiten Teil des Konzertes. Es sind die 1960er und 70er Jahre, die im Original hörbar werden. Er legt das Sopransaxophon nicht mehr aus der Hand und seine spielerischen Anteile sind plötzlich gewaltig: Er führt nun auch hörbar musikalisch und nicht nur zeichengebend.
Nach etwas über eineinhalb Stunden ist Wayne Shorter sichtbar erschöpft, genießt den langen Applaus und winkt und grüßt ins Publikum.

Draußen ist es zwar immer noch dunkel, neblig und feucht, aber die Stimmung aus dem Saal wirkt noch weiter in die Nacht.

Ihr Claus Friede

(Claus Friede ist Chefredakteur von Kultur-Port.De, Kulturjournalist, Moderator, Ausstellungs- und Filmreihenkurator. Er ist Mitgründer des Kulturklub Hamburg, leitet die Fokus-Reihe beim Filmfest Hamburg und seit knapp 20 Jahren die Kunstagentur Claus Friede*Contemporary Art)

Wayne Shorter:
Seit knapp fünf Jahrzehnten gehört der mittlerweile 76-jährige Jazz-Saxophonist zu den Weltstars des Jazz. Er war bei Art Blakey's Jazz Messengers, gehörte in den 1960er Jahren zur Band von Miles Davis, hat 1970 zusammen mit Joe Zawinul die legendäre Jazzrock-Formation Weather Report gegründet, um nur einige seiner musikalischen Stationen zu nennen. Seit einigen Jahren leitet er ein akustisches Quartett mit Pianist Danilo Pérez, Bassist John Patitucci und Schlagzeuger Brian Blade. Bereits zwei Live-Alben sind aus ihrer Arbeit hervorgegangen, "Footprints Live" und "Beyond the Sound Barrier", letzteres wurde 2006 mit dem Grammy für das beste Jazz Instrumental-Album ausgezeichnet.

Konzert in der Hamburger Laeiszhalle am 2. November 2009 in der Reihe "10 Jahre Jazz Nights 1999-2009" von Karsten Jahnke. Foto: Ronnie Wright „The Wayne Shorter Quartet at McCarter Theater, Priceton, NJ“

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