Meinung
mail aus riga XVII

Von der Personalpolitik der Medien im Großen und im Allgemeinen, vom Wohl der Kontinuität und einige Betrachtungen, worum es eigentlich geht.
Nun hat es auch den Spiegel erwischt. Die beiden Chefredakteure wurden von heute auf morgen ihrer aufreibenden Tätigkeit entbunden. Großes Rätselraten über das „Warum?“. Es wurde dann gestreut, die beiden können nicht miteinander – sozusagen ein chemisches Problem – und als praktisches Beispiel wurde die Uneinigkeit zwischen Print und Online aufgeführt.

Der Grund lag wohl eher an den Zahlen. Die Auflage der Printausgabe – und damit wird das Geld verdient – rutschte auf Dauer unter eine Million auf nunmehr 900.000. Der ehemalige Chefredakteur des Spiegels, Werner Funk, kommentierte, dass der Spiegel in den letzten Perioden nicht einmal ein die Diskussion beherrschendes Thema plaziert hat. Nun hatte dieses Periodikum einen, der es konnte: Stefan Aust. Er wurde aber ebenfalls in die Wüste geschickt. Und das hängt mit der Gesellschafterstruktur zusammen. Der Gründer des Spiegels, Rudolf Augstein, hatte im Zuge der 68er Irritationen etwas über die Hälfte des Spiegelvermögens seinen Mitarbeiter vermacht. 24, 9 % entfallen auf seine Erben, weitere 24,9 % hält das Verlagshaus Gruner + Jahr, das wiederum zum Bertelsmann Konzern gehört. Damit entscheidet die Beteiligungsgesellschaft der Mitarbeiter auch darüber, wer denn nun den Chefredakteur geben soll. Rudolf Augstein hat diese seine Entscheidung im Geiste 68 öffentlich bereut. Doch weiter in der Gegenwart – zugegeben: Stefan Aust ist schon ein schwieriger Mensch und gefällt sich durchaus in der Rolle. Aber großes Ausrufungszeichen: Er hat Auflage gemacht. Kontinuität zahlt sich schon aus: Nun dümpelt ja nicht nur das Flaggschiff des politischen Jounalismus. Auch die Frankfurter Rundschau – nach eigener Einschätzung die führende linksliberale Zeitung im Lande. Jetzt hat die eher konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung die Mehrheit und hat einige Journalisten der FR übernommen. Was daraus werden soll, wird die Zeit zeigen.
Apropos Zeit. Die ZEIT ist ein Muster an Kontinuität. Personell und von den Inhalten her; selbst der zuweilen gouvernante Tonfall ist beibehalten. Und die Auflage steigt.

Großer Übeltäter bei allem und jeden ist das Online-Wesen. Hier haben sich die Medien Konkurrenz in eigenem Hause geschaffen, ohne die finanziellen Folgen zu beachten. Ob es jetzt gelingt, für Online-Angebote Erträge zu generieren, das wird sich herausstellen. Solange einzelne Beiträge mehr kosten als die gesamte Zeitung – siehe Lebensmittel-Zeitung und auch andere – wird das für private Nutzer eher abschreckend wirken. Firmenabos werden hingegen sicher in diesem Fall eine Ausnahme bilden – hier zahlt es ja niemand aus der Privatbörse. Was da dahinter steckt, dies wäre nun wieder eine ganz andere Geschichte.

Ihr Klaus Peter Nebel


Prof. Dipl.-Bibl. Prof. h.c. Klaus Peter Nebel ist Leiter des Studiengangs Kultur- und Medienmanagement an der Lettischen Kulturakademie in Riga/Lettland. Von 2007 - 2010 arbeite er als Professor für Marketing- und Unternehmenskommunikation an der UMC (University of Management and Communication), Berlin, Potsdam; In den Jahren 2007 und 2008 war er als Direktor der Konzernkommunikation der maxingvest AG, Hamburg tätig (Holding für Beiersdorf AG, Tchibo GmbH, tesa AG) und Leiter der Unternehmenskommunikation der Tchibo GmbH, Hamburg. Über 20 Jahre, von 1983 bis 2007 war er Leiter Presse & Public Relations der Beiersdorf AG in Hamburg.

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