Meinung
Meine 13. Lange Nacht der Museen in Hamburg

Morgens hatte es noch geregnet, der Himmel war grau, und kein Hahn hätte darauf gewettet, dass es abends so schön werden würde.
Am Deichtorplatz steht eine riesige „David“-Figur und ragt in den stimmungsvollen, abendlichen Himmel. Die etwas in kitschigen Farben und Kaufhaus-Look gehaltene Skulptur – ein augenzwinkernder Kommentar an Maestro Michelangelo – gehört zur Ausstellung von Hans-Peter Feldmann in der Halle für aktuelle Kunst, Deichtorhalle. Es ist der richtige Beginn der Langen Nacht der Museen, denn der Besucher wird mit Humor und Leichtigkeit regelrecht überschüttet.

Gut, dass sich die Halle erst am Ende meines Rundgangs derartig gefüllt hat, dass man am liebsten „Permesso“ rufen möchte, um auch einmal einen Blick auf das Modell des Davids werfen, das schielende Ehepaar in Augenschein nehmen oder die internationalen Zeitungsseiten über den 11. September lesen zu können. Verfolgt von einem sprechenden Grusel-Kürbis aus den Hamburg Dungeon flüchtet sich eine Frau quer durch die Halle. Schließlich rauben zwei junge Mädchen den Rollstuhl – nicht die Sabinerinnen – in dem der Kürbis sein freches Mundwerk betätigt und rasen weg. Das alles könnte glatt als Feldmann-Performance durchgehen. An dem Abend verbündet sich alles mit allem.

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Draußen dämmert es bereits, und mir fällt ein weißes Zelt neben der nördlichen Deichtorhalle auf. Neugierig schaue ich hinein: Basel stellt sich vor. Dass die Schweizer Stadt nicht nur eine bekannte Kunstmesse, sondern auch viele großartige Museen und Ausstellungen zu bieten hat kann man dort erfahren: Hodler, Picasso sind die Highlights 2013.

Lange Schlangen vor den Bussen am Deichtorplatz. Welches Museum ist in diesem Jahr neu dazugekommen? Ach ja, das Polizeimuseum. Die Hamburger Polizei – oder sind es die Verbrecher? – scheinen es den Nachtschwärmern angetan zu haben, denn es sind unendlich viele, die dieses Ziel haben und das noch unfertige Museum besuchen möchten. „Nee, da bleibe ich im Bus sitzen“, sagt mein Sitznachbar, „ich stell mich hier nicht an, dann ist ja die Lange Nacht vorbei, bevor ich da rein komme!“

Genau das Gegenteil von voll vermute ich im Altonaer Museum, dort ist bekanntlich Baustelle. So heißt denn auch deren Solgan: „Nachts auf der Baustelle“ – könnte spannend sein, ist es aber nicht. Zwar spielt das Hamburger Akkordeonorchester mit Schutzhelm und Warnwesten, aber so richtig Stimmung ist dort nicht. Besonders laut und heftig klatscht eigentlich nur das Personal nach den Stücken.
Zu voll – zu leer, mein inneres Gleichgewicht ist irgendwie gestört – Ortswechsel.

Die Hamburger Kunsthalle ist gut besucht, ich gehe einmal hoch, runter und quer durch die Galerie der Gegenwart. "Spiel : Platz" in ein spielerisches Ensemble im ganzen Haus, ob bei Alberto Giacometti, Olafur Eliasson oder bei Franz Erhard Walthers Sonderausstellung im 2. Obergeschoss. Dort werden fleißig die Objekte benutzt – zumindest jene, die man noch benutzen darf – die Geräusche der Besucher auf den metallenen Schreitbahnen lassen sich noch wie Musik lange hören. Nach 22:30 Uhr wird es dann sichtbar leerer in den Räumen und die letzte Band von Elbjazz (C. Gastl, Saxophon und J. Kok, Gitarre) spielt ihre funkigen Grooves nur noch vor wenigen Zuhörern – wie schade, denn die sind richtig gut...

Die Stimmung im Bus zum Zoologischen Museum ist prächtig, die Leute sind gut gelaunt, die HVV-Fahrer locker bis witzig. Zweimal schon bin ich schon früher im Zoologischen Museum gewesen und beide Male hatte es mir gefallen. Eine ausgesprochen schöne Sammlung ist dort auf 2.000 Quadratmetern zu sehen – und nicht nur für Kinder, Schüler und Studenten. Der NABU zeigt an dem Abend dort Filme seines eigenen TV-Kanals und widmet sich an mehreren Orten der heimischen Tierwelt und dem Gartenbau in der Großstadt. Mir wird der Unterschied zwischen Segel- und Fächerfisch erklärt und weil es gerade so schön fischig ist, entscheide ich mich für eine Führung in die wissenschaftlichen Archive: „Fische 5“ steht auf dem kleinen blauen Zettel in meiner Hand. Es geht abwärts in den Keller des Universitätsgebäudes.

Dr. Ralf Thiel, Privatdozent und Kurator der Ichthyologie im Biocenter der Universität Hamburg, ist es vorbehalten, mein persönliches Highlight der Langen Nacht zu sein! Wie er der kleinen Besuchergruppe die Fischsammlung präsentiert ist nicht nur informativ, sondern macht Lust auf mehr Meer. Die Sammlung besteht aus Glasgefäßen, Reagenzgläsern und großen Edelstahltanks in denen sich die Aqua-Artenvielfalt in 70%igem Alkohol befindet. Diese Sammlung kann sich europaweit sehen lassen, sagt Thiel. Einst waren viele der Objekte in privaten Naturkabinetten Hamburger Kaufleute und Seefahrer. Wenn damals Gäste kamen, wurden denen die parafinierten oder in Alkohol eingelegten Fische, ausgestopfte Vögel oder Schrumpfköpfe präsentiert, bevor sich die Runde an den Abendtisch zum Essen bewegte.
Im Naturhistorischen Museums zu Hamburg, gegründet 1843, wurden später viele der Sammlungsstücke zusammengefasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Obwohl teilweise im U-Bahntunnel während der Bombenangriffe auf Hamburg im Zweiten Weltkrieg eingelagert, überlebte der Großteil der Sammlung sowie das Gebäude nicht. Nun wieder aufgebaut und erweitert ist sie Bestandteil wissenschaftlicher Forschung der Fakultät für Biologie der Hamburger Universität.

In einem der Stahltanks zeigt uns Thiel einen riesigen Rochen. Gut zwei Meter misst dieser. Seine Warnung, dass sich beim Öffnen des Tankdeckels ein scharfer Alkoholgeruch im Raum verbreitet, wird heiter zur Kenntnis genommen.
Ganz euphorisch verlasse ich um Mitternacht das Zoologische Museum und ich garantiere, es lag nicht allein am Alkoholgeruch!

Ihr Claus Friede


Fotonachweis:
Header: Hans-Peter Feldmanns „David“ vor abendlichem Himmel. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Logo 13. Lange Nacht der Museen Hamburg
02. „Der Sarkastische Kürbis“, Hamburg Dungeon zu Gast in den Deichtorhallen. Foto: Claus Friede
03. und 04. Hans-Peter Feldmann. © VG Bild-Kunst, Bonn. Fotos: Claus Friede
05. Das Hamburger Akkordeonorchester im Altonaer Museum. Foto: Tina Heine
06. und 07. Hamburger Kunsthalle. In der Galerie der Gegenwart. Fotos: Tina Heine
08. Franz Erhard Walther-Raum. Hamburger Kunsthalle. Foto: Tina Heine
09. und 10. Zoologisches Museum der Universität Hamburg. Sammlung und wissenschaftliches Archiv „Fische“. Fotos: Claus Friede.

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