Meinung
mail aus riga - Nebels Welt XVI

Von der Bandbreite der Kultur, von der Lust, das Publikum auf hohem Niveau zu unterhalten und von der Absicht Kultur erfolgreich – auch finanziell – zu gestalten.
Zugegeben: Die Methodik zu dieser Kolumne habe ich von Plutarch (45-125 n. Chr.) übernommen. Er schrieb Parallelbiografien über „große Griechen und Römer“. Und da wir jetzt mit kultur-port.de verbandelt sind und somit potentiell 500.000 User im Monat erreichen können, ist äußerste Korrektheit das Gebot der Stunde. Also merke: Fußnote Plutarch.
Im Stil von Plutarchs Biografien wird hier die kleinere Kunst im Vergleich zur größeren in Beziehung gesetzt, weil die ganze Bandbreite der Kultur in ihren Extremen deutlich deutlicher wird.

Es ist Sonnabend, der 13. März 2013. Kälte und Schnee prägt den Tag, aber auch die Sonne, die mühsam gegen die Kälte anarbeitet.
Um 11.00 Uhr beginnt das 9. Kulturfrühstück im Altonaer Theater, das von den „Freunden des Altonaer Theaters“ organisiert wird. Zum Eintrittspreis von 13 € (für Mitglieder 10 €) – mit zwei belegten Brötchenhälften und Kaffee satt – treten die Schauspielerin Marla Weedermann und der Clown (eigene Bezeichnung) Broder Zimmermann auf. Ihr Programm: Sturmzucker – Lyrik, Lieder, Liebe, Meer. Die Dekoration sparsam – nur ein aufgepumptes Schlauchboot und zwei Ruder. Wortwitz und Melodien stehen im Mittelpunkt zum Amüsement der Zuschauer. Besonders viel Beifall gab es für den Song der Seeräuberjenny aus Brechts Dreigrossenoper. Hier sollten die Interpreten mit ihren beiden Akkordeons ansetzten – es lohnt sich bestimmt.
Brecht und Weil als der Beginn der Moderne; und Stimmen und Spiel der beiden Protagonisten tragen das. 50 Zuschauer waren jedenfalls restlos begeistert.

Ganz anders der Ballettabend in Kiel. Ausverkaufte Ränge – und das neue DUO an der Spitze der Ballettcompany Yaroslov Ivanenko und Hather Jurgensen, 6. Jahrgang im internationalen Studiengang, (beide früher die Stars bei John Neumeiers Hamburg Ballett) schafften exzellentes Neues. Das Theater mit nahezu 400 Plätzen ausverkauft.

Den ersten Teil choreografiert die Slowakische Künstlerin Natalia Horencna. Zu Klangkörpern bewegten sich Tänzerinnen und Tänzer. Der Titel des Stückes war Programm: Jenseits der Tür weist auf die Konflikte hin, die sich in einer Familie abspielen. Vater erschießt Mutter, was nicht gerade als Vorbild dienen sollte.

Danach die Inszenierung von Yaroslov Ivanenko. Hier wurde mit großem Ernst heiteres produziert. Der Titel war „Auf dem Wasser tanzen“.
Es war schon umwerfend komisch wie zum Wiener Walzer auf Büro-Rollstühlen mit gekonnter Bühnentheatralik die Tänzer über die Bühnen rollten. Sehr schön auch Tschaikowskis Schwanensee (ohne ihn geht es einfach nicht). Erst tanzten die Frauen die Szenen mit den vier Jungschwänen in unglaublicher Präzession; dann wurde die Szene mit Tänzer im Tütü wiederholt; aber ernsthaft getanzt ohne die „Schwuchteleien“, die sich durchaus anböten.

Ein gelungener Abend, der die Reise aus Hamburg gelohnt hat. Es wäre zu wünschen, dass diese Inszenierung auf Reisen geht, weil es viele Zuschauer begeistern würde. Insbesondere würde sich Wien anbieten – allein schon wegen des Strauss’ Walzers, den alle ja aus den Neujahrskonzerten kennen. Ob das gelingt, wäre nun wieder eine ganz andere Geschichte.

Ihr Klaus Peter Nebel


Prof. Dipl.-Bibl. Prof. h.c. Klaus Peter Nebel ist Leiter des Studiengangs Kultur- und Medienmanagement an der Lettischen Kulturakademie in Riga/Lettland. Von 2007 - 2010 arbeite er als Professor für Marketing- und Unternehmenskommunikation an der UMC (University of Management and Communication), Berlin, Potsdam; In den Jahren 2007 und 2008 war er als Direktor der Konzernkommunikation der maxingvest AG, Hamburg tätig (Holding für Beiersdorf AG, Tchibo GmbH, tesa AG) und Leiter der Unternehmenskommunikation der Tchibo GmbH, Hamburg. Über 20 Jahre, von 1983 bis 2007 war er Leiter Presse & Public Relations der Beiersdorf AG in Hamburg.

Hinweis: Die Inhalte dieser "Kolumne" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.

Fotonachweis: Claus Friede

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