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„Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage...“
Die frohe Botschaft zuerst: Mittel sind genügend da. Die allgegenwärtige Umfrage-(Un)-Kultur hat schon erfolgreich untersucht, Deutsche wünschen sich zum Christfest 2012 zu über 70 Prozent vor allem eines: bares Geld!
Also all die wohlgefüllten Umschläge, die unter dem Weihnachtsbaum landen werden wenigstens zu einem dienlich: Weihnachten endlich mal wieder mit von KulturPort.De empfohlenen CDs so zu feiern wie es eigentlich gemeint ist – als Geburt Christi von erbaulicher und wunderschöner Musik aus dem 13. bis zum 18. Jahrhundert begleitet.
Wir reden hier nicht von „Schöner die Kassen nie klingeln“ – höchstens im Plattengeschäft – und es klingelt auch nicht das „Glöckchen klingeling“ oder die „Jingle Bells“. Wir schicken auch den Weihnachtsmann gemeinsam mit Elfen und „Rudi the red nosed Reindeer“ und allem anderen X-mas Kitsch nach Hause.
Der KlassikKompass nimmt mit auf eine Abenteuerreise ins Weihnachts-Wunderland, wo die Krippe noch in Bethlehem steht und man anbetend und begleitet von den schönsten „englischen“ Klängen sich am Christuskind freuen darf!
Advent
Nu kom der Heyden heyland /
der yungfrawen kynd erkannd.
Das sych wunnder alle welt /
Gott solch gepurt yhm bestelt.
(Martin Luthers Originalfassung)
Nun komm, der Heiden Heiland,
der Jungfrauen Kind erkannt,
des sich wundert alle Welt,
Gott solch Geburt ihm bestellt
(Evangelisches Gesangbuch)
„Nun komm, der Heiden Heiland“ ist ein Adventslied Martin Luthers (1483-1546), das auf den altkirchlichen Hymnus „Veni redemptor gentium“ des Ambrosius von Mailand (339–397) zurückgeht.
Die Adventszeit beginnt mit der ersten Vesper des ersten Advent-Sonntags und endet am Heiligen Abend mit der ersten Vesper von Weihnachten. Die westliche, christliche Adventszeit dauert 22 bis 28 Tage und hat immer vier Sonntage.
Ursprünglich entsprach der Begriff Advent dem griechischen Begriff „Epiphaneia“ („Erscheinung“) und bedeutet Ankunft, Anwesenheit, Besuch eines Amtsträgers, insbesondere die Ankunft von Königen oder Kaisern. Es konnte aber auch die Ankunft der Gottheit im Tempel ausdrücken. Dieses Wort übernahmen nun die Christen, um ihre Beziehung zu Jesus Christus zum Ausdruck zu bringen. Die Adventszeit war ursprünglich eine Fastenzeit, die die Alte Kirche auf die Tage zwischen dem 11. November und dem ursprünglichen Weihnachtstermin, dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar festlegte. Außerdem galten die Fastenzeit sowie die Adventszeit als „geschlossene Zeiten“. In diesen geschlossenen Zeiten durfte nicht getanzt und aufwendig gefeiert werden. Die Adventszeit in der heutigen Form geht zurück auf das 7. Jahrhundert. In der römischen Kirche des Westens gab es zunächst zwischen vier und sechs Sonntage im Advent, bis Papst Gregor der Große (Gregorius, als Papst Gregor I. lebte von 540-604) ihre Zahl auf vier festlegte. Die vier Sonntage standen symbolisch für die viertausend Jahre, welche die Menschen gemäß kirchlicher Geschichtsschreibung nach dem Sündenfall im Paradies auf den Erlöser warten mussten.
Der beliebte Adventskranz wurde übrigens von einem Hamburger erfunden: Er wurde 1839 von dem evangelisch-lutherischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808-1881) eingeführt. Der Erzählung nach nahm Wichern sich einiger Kinder an, die in großer Armut lebten. Er zog mit ihnen in das Rauhe Haus, ein altes Bauernhaus und betreute sie dort. Da die Kinder während der Adventszeit immer fragten, wann denn endlich Weihnachten sei, baute er 1839 aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz mit 20 kleinen roten und vier großen weißen Kerzen. Jeden Tag der Adventszeit wurde nun eine weitere Kerze angezündet, an den Adventssonntagen eine große Kerze mehr, sodass die Kinder die Tage bis Weihnachten abzählen konnten.
Advent war immer als eine Zeit der Besinnung und stiller Einkehr gedacht. Adventlieder sind nicht grundsätzlich „fröhlich“ wie die zu Weihnachten. Die Musik in dieser Zeit ruhte in der Kirche oft generell. Bach schrieb Kantaten nur für den ersten und den vierten Sonntag im Advent. Doch Hausmusik war ab dem 17. Jahrhundert üblich und vertrieb die langen Winterabende. Daher sind viele Adventsmusiken mit Hausmusikinstrumenten besetzt, Blockflöten, Lauten, Tischorgeln oder sie werden a-cappella gesungen.
Eine erste Auswahl von Musik für den Advent ist eine CD des Kölner Blockflöten Ensembles Flautando: „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Die Flötistinnen Katharina Hess, Susanne Hochscheid, Kerstin de Witt und Ursula Thelen (auch Sopran) mit Gästen an der Orgel und Vocalisten bieten auf ihrer Aufnahme einen hervorragenden Querschnitt der Musik zu Advent und Weihnachten beginnend mit dem Choral „Sei willekommen Herre Christ“ aus der Erfurter Handschrift um 1300.
Zu Advent stellen sie verschiedene Fassungen des „Veni Redemptor Gentium“-Chorals von Michael Praetorius (1571-1621) und Samuel Scheidt (1587-1654) vor, der oft auch als „Verleih uns Frieden gnädiglich“ nach dem Text von Martin Luther gesungen werden.
Ebenfalls darauf zu hören ist die Fassung des Adventchorals „Mit Ernst o Menschenkinder“ der eine interessante Geschichte hat und ursprünglich als Volkslied “Une jeune Fillete“ („Ein junges Mädchen“) im frühen 17. Jahrhundert auch als Lautenlied von Pierre Phalese (1510-1573) mit den Hugenotten aus Frankreich nach Deutschland kam.
Flautando bietet eine ganze Bandbreite von Flötenwerken, bis hin zu böhmischer Hirtenmusik, Weihnachtskonzerten von Antonio Vivaldi und Choralbearbeitungen von Johann Sebastian Bach.
Den Höhepunkt bildet die vielfältig prächtig besetzte Fassung des Titel Liedes „Wie schon leuchtet der Morgenstern“ gesetzt von Michael Praetorius von dem so ziemlich die meisten Sätze unserer bekannten Advents- Weihnachtslieder stammen.
Die CD „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ mit dem Ensemble „Flautando“ ist zu haben bei Ars Musici Records unter der Bestellnummer 232357.
Das Ensemble Amarcord singt zumeist a-cappella, also ist als reines Gesangsquintett ohne Begleitung zu hören. Je nach Projekt werden die vier ehemaligen Thomaner die seit 1995 diese Gruppe bilden, Wolfram Lattke und Dietrich Barth (Tenor), Franz Ozimek (Bariton), Daniel Knauft und Holger Krause (Bass), auch Instrumentalisten als Gäste zu ihren Aufnahmen bitten.
So wie auf ihrer neuesten Aufnahme der Motteten von Johann Sebastian Bach die Berliner Lautten Compagney (erhältlich bei Deutsche Harmonia Mundi, Bestellnummer 887.254.652.92)
Ihr Beitrag zu Advent- und Weihnachten umfasst fast das ganze Spektrum der Musik beginnend mit gregorianischen Sequenzen des 4. Jahrhunderts und reichend bis zum wohl bekanntesten deutschen Weihnachtslied komponiert von dem Waldviertler Pfarrer Franz Xaver Gruber (1787-1863) „Stille Nacht“. Die Gruppe veröffentlichte zwei CD-Alben, die bestens ausgestattet und mit hochinteressanten Informationen zu den Stücken und zu Advent und Weihnachten generell aufwarten. „Nun komm der Heiden Heiland“ umfasst die frühste Musik zu Advent und Weihnachten. So nicht nur das Titellied, die bekannteste aller Adventhymnen „Veni Redemptor gentium“ deren Ursprung bereits auf das 4 Jahrhundert zurückreicht und außerdem in einer Fassung von Johann Eccard (1553-1611) und von Michael Praetorius auf der CD zu finden ist. Interessant auch die Antiphonen an die Jungfrau Maria, die in der frühen Musik zu Weihnachten eine noch viel zentralere Rolle spielte als in der Musik des Barock. So ist das „Stella splendens“ ein Preisgesang an die „Jungfrau Maria der Sterne“ aus dem 14. Jahrhundert zu hören. Dazu erklingt auch ein Mariengesang der Äbtissin und Visionärin des Mittelalters Hildegard von Bingen (1098-1179) „O virdissima virga“. Schließlich darf nicht das Adventslied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ fehlen – hier in der Fassung von Köln 1599 von Michael Praetorius zu erleben. Dazu freut man sich an „In dulci jubilo“, dem ersten Festlied zu Weihnachten im Satz des Luther-Freundes Johann Walter (1490-1570). Den Abschluss bildet ein Weihnachtsgesang aus dem 15. Jahrhundert in England „Alleluya a nywe werk“.
Das zweite weihnachtliche CD-Album von Amarcord „In Adventu Domini“ („Zur Ankunft des Herrn“), ebenfalls rein a-cappella schließt an mit Musik aus der späten Renaissance hin zum Barock und enthält sogar einige Volkslieder aus Russland, der Auvergne und den USA. Ebenso eine Komposition des Kantors der Thomanerkirche Erhard Mauersberger (1903-1982) „Weihnacht“.
Adventslieder wie „O Heiland reiß die Himmel auf“ von 1666 und „Maria durch ein Dornwald ging“ aus dem 15. Jahrhundert finden bei Amarcord faszinierende, innige Interpretation und man hört sie ganz neu.
Auch „O Du fröhliche“ wird - vielen Hörern sicherlich völlig „neu“, im Original, als „O Sactissima“ im Satz von 1789 dargeboten. Gleich danach folgt: „The Virgin Mary had a Baby Boy“, ein Gospel aus Trinidad.
Das Männerquartett singt mit einer solchen Reinheit und Dramatik das man vergisst das hier keine Instrumente sondern „nur“ menschliche Stimmen im Spiel sind.
Die CD „Nun komm der Heiden Heiland“ mit dem Ensemble „Amarcord“ ist zu haben bei Apollo Classics unter der Bestellnummer RK ap 10205.
Die CD „In Adventu Domini“ mit dem Ensemble „Amarcord“ ist zu haben bei Apollo Classics unter der Bestellnummer RK ap 10101.
Anfang und Ende aller Musik ist natürlich Johann Sebastian Bach (1685-1750). Wie bereits erwähnt schrieb der Thomaskantor Kantaten zur Adventszeit nur für den ersten und vierten Advent.
Für den ersten Advent, da er auch den Anfang des neuen Kirchenjahres darstellt, gleich zwei Kantaten zum Thema „Nun komm der Heiden Heiland“ (Bach-Werke-Verzeichnis = BWV) BWV 61 und BWV 62.
Sie unterschieden sich im Tenor. BWV 61 komponiert in Weimar 1714 hebt mehr auf das „Neujahr der Kirche“ ab und BWV 62, entstanden in Leipzig 1724 mehr auf den König der da kommt: „Bewundert o Menschen das große Geheimnis, der höchste Beherrscher erscheinet der Welt...“
In der dritten Kantate zum 1. Advent ist die Weihnachtsfreude dann schon musikalisch hautnah spürbar „Schwingt freudig euch empor“ BWV 36 komponiert von Bach in Leipzig 1731.Auch in ihr findet sich der Choral „Nun komm der Heiden Heiland“ und das Kind das da kommen soll ist ersehnt wie ein Bräutigam: „Die Liebe zieht mit sanften Schritten sein Treugeliebtes allgemach“ – und die Seele ist die Braut - „Gleichwie es eine Braut entzücket, wenn sie den Bräutigam erblicket, so zieht ein Herz auch Jesu nach“.
Zum vierten Advent dann ist die Erfüllung nah „Bereitet die Wege, bereitet die Bahn“ BWV 132 entstanden in Weimar 1714: „Bereitet die Wege und machet die Stege im Glauben und Leben dem Höchsten ganz eben – Messias kommt an.“
Wir empfehlen die beiden Aufnahmen der Advents- und später der von uns ebenfalls vorgestellten Weihnachtskantaten aus dem Zyklus der Kantaten Einspielungen des Flamen Sigiswald Kuijken und seiner „La Petite Bande“.
Kuijken ist einer der Pioniere der Barockmusik und ihrer originalen Aufführungspraxis und hat bereits auf 15 CD Bach-Kantaten zu den Sonntagen des Kirchenjahres eingespielt. Das Projekt soll mit Volume 20 in zwei Jahren 2014 enden.
Das besondere dieser Aufnahmen ist die kleine Besetzung mit einer Stimme pro Part sowohl bei den ausgezeichneten Vocalsolisten als auch in den begleitenden Instrumenten.
Kuijken verpflichtete die blinde Sopranistin Gerlinde Sämann, die wohl zu den intimsten Barockstimmen der Zeit zählt, die Altistin Petra Noskaiova, den Leipziger Tenor Christoph Genz, mittlerweile einer des besten Passions-Evangelisten auf der Oratorienbühne und den Niederländer Jan van der Crabben, Bass. Kuijken, selbst einer der führenden Geigenvirtuosen der Barockmusik, führt sein nur höchstens 20 Musiker enthaltendes Solistenorchester zum Besten.
Die Aufnahmen dieser Kantaten-Reihe zeigen in ihrer Durchsichtigkeit und echten Innerlichkeit sowie ihrem erstaunlichen wortgetreuen, ausdeutenden Textverständnis wie weit es der originalen Aufführungspraxis heute gelungen ist dem Ton der barocken Musiksphäre nahe zu kommen.
Die CD Johann Sebastian Bach „Nun komm der Heiden Heiland“ Volume 9 mit dem Ensemble „La Petite Bande“ unter Sigiswald Kuijken ist zu haben bei Accent Records unter der Bestellnummer ACC 25309.
Die CD Johann Sebastian Bach „Weihnachtskantaten“ Volume 14 mit dem Ensemble „La Petite Bande“ unter Sigiswald Kuijken ist zu haben bei Accent Records unter der Bestellnummer ACC 25314.
Heilige Nacht
Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt,
Bald wird das Heil der Sünder, der wunderstarke Held,
Den Gott aus Gnad allein der Welt zum Licht und Leben
Versprochen hat zu geben, bei allen kehren ein.
Ach mache du mich Armen zu dieser heiligen Zeit
Aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu, selbst bereit.
Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen,
So werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein
Der Text „Mit Ernst, o Menschenkinder“ stammt von Valentin Thilo (1607-1662), einem Angehörigen des Königsberger Dichterkreises. Das Lied erschien zunächst 1642 bei Johann Stobäus in den Preußischen Festliedern, der dazu eine für den Kunstgesang bestimmte Melodie schuf. In Ostpreußen sang man das Lied auf eine Melodie Johann Eccards. Die heute und seit langem gängige Melodie geht auf ein französisches Lied (Lyon 1557) zurück. Der früheste Beleg für den Ausdruck „Weihnachten“, zusammengesetzt aus der adjektivischen Wendung “ze wihen nahten“, stammt aus der Predigtsammlung Speculum Ecclesiae um 1170. „diu gnâde diu anegengete sih an dirre naht: von diu heizet si diu wîhe naht.“ „Die Gnade (Gottes) kam zu uns in dieser Nacht: deshalb heißt diese nunmehr Weihnacht.“
Aus der gleichen Zeit (um 1190) stammt das Gedicht des bayerischen Dichters Spervogel: „Er ist gewaltic unde starc, der ze wihen naht geborn wart: daz ist der heilige krist.“
Da die ersten Belege für das Wort aus dem 12. Jahrhundert stammen, nehmen viele Forscher an, dass der Begriff christlichen Ursprungs ist, vermutlich als Lehnübersetzung des Lateinischen “Nox Sancta“ aus den Gebeten der lateinischen Christmette unter Verwendung des volkssprachlichen Wortschatzes.
Martin Luther dachte an „Wiegen“ und bildete Wyge-nachten: „...da wir das Kindlein wiegen“.
Das Wort kann also mit „Heilige Nacht“, beziehungsweise eher als „Heilige Nächte“ übersetzt werden, da zum einen das zweite Wortglied -naht hier an die alte Zeiteinteilung vom Tag mit Beginn der Nacht ansetzt und zum anderen der Plural auf mehrere Feiertage in Bezug auf die altkirchliche Tradition der „zwölf Weihnachtstage“ vom 25. Dezember bis Epiphanias am 6. Januar hinweist. Die weihnachtliche Festzeit beginnt also mit der ersten Vesper von Weihnachten am Heiligabend und endet, zumindest in der römisch-katholischen Kirche mit dem Fest Taufe des Herrn am Sonntag nach Erscheinung des Herrn.
Weihnachten war schon immer ein Fest der Lieder, die ersten entstanden bereits in 11. Jahrhundert. Zunächst wurden sie allerdings in den Kirchen gesungen. Die ältesten Weihnachtslieder im westlichen Kulturkreis waren lateinische Hymnen, die in der Messe und im Stundengebet vorgetragen wurden. Im Mittelalter entwickelte sich der Brauch, diese mit deutschen Liedern zu verbinden.
Ein Beispiel dafür ist „Gelobet seist du, Jesu Christ“, dessen erste Strophe von 1380 stammt und das zur Sequenz der Mitternachtsmesse „Grates nunc omnes“ gesungen wurde.
Im Mittelalter tauchen Weihnachtslieder zuerst in der kirchlichen Liturgie auf. Sie haben in der Regel lateinische Texte, oder aber lateinisch-deutsche Mischtexte. Ein Beispiel dafür ist „Dies est laetitiae“ mit den deutschen Strophen „Der Tag, der ist so freudenreich.“ Sie waren Teil der Mitternachtsmesse, enden in der Regel mit dem Ruf „Kyrie eleison“ („Herr, erbarme dich“). Ein Beispiel dafür ist das bereits oben erwähnte Lied „Sei uns willkommen, Herre Christ.“
In manchen Weihnachtsliedern hat sich später eine deutsch-lateinische Mischform im Wechsel erhalten, so in „In dulci jubilo, nun singet und seid froh“, im sogenannten „Quempas“, benannt nach dem Weihnachtslied „Quem Pastores laudavere, den die Hirten lobten sehre...“.
Diese Form wurde gewählt, um den Sängern und Zuhörern, die keines (Kirchen)-Lateins mächtig waren, die „Übersetzung“ gleich mitzuliefern, die jeweils an die lateinische Zeile angeschlossen wurde.
Eine andere Wurzel des Weihnachtliedes war das Kindelwiegen, ein in Frauenklöstern entstandener weihnachtlicher Brauch, und die dort gepflegte Mystik. Aus diesem Kreis stammt das deutsche Weihnachtslied „Joseph, lieber Joseph mein“, ein Wiegenlied, das vom Mönch von Salzburg im 14. Jahrhundert aufgezeichnet wurde. Das liturgische Weihnachtsliedersingen erhielt deutliche Impulse durch Martin Luther, der – gemäß seinem reformatorischen Gedanken, die Messe in deutscher Sprache abzuhalten – eine Reihe von Weihnachtsliedern in deutscher Sprache schuf. Luther übertrug dafür bereits etablierte lateinische Texte ins Deutsche, um seine Texte an die liturgische Tradition anzuschließen und bekannte Melodien mit verständlichen Texten zu füllen. Der Reformator scheute sich auch nicht an Weihnachten „dem Volk aufs Maul zu schauen“ und schuf mit „Vom Himmel hoch“ ein Weihnachtslied, das eine Bearbeitung eines bekannten Volkslieds war.
Weynacht-Gesänge wohlklingend & kunstvoll gesetzet nennt das Vocalquartett „Stimmwerck“ seine Sammlung von Liedern zur Advents- und Weihnachtszeit. Der Countertenor Franz Vitzthum, der mittlerweile zu den besten neuen Sängern dieser Stimmlage zählt, Klaus Wenk und Gerhard Hölzle, Tenor und Marcus Schmidt Bassbariton singen Lieder an der Krippe von der Spätrenaissance bis hin zum Barock – wunderschön und stimmungsvoll innerlich ohne den heute leider überall oft viel zu üblichen Kitsch.
Dazu luden sie zur Unterstützung die bekannte Alte-Musik-Sopranistin Nele Gramss sowie Christoph Eglhuber Laute und Perkussion, Michael Ebert, Orgel und Reinhild Waldeck, Harfe ein.
Zu hören bekommt das Christkind auf dieser CD ein wirklich feines Ständchen vom Gregorianischen Choral bis hin zu Sätzen der schönsten Weynachts-„Gesänge“ wie „Joseph lieber Joseph mein“ von dem Lautenisten Esaias Reusner dem Älteren (1636-1679), „Christum wir sollen loben schon“ („schon“ heißt da „schön“) von Andreas Raselius (1561-1602) und Johann Herrmann Schein (1586-1630). Auch unser „Titel“-Lied von oben „Mit Ernst o Menschenkinder“ in Musik gesetzt von Hans Leo Hassler (1564-1612). Und natürlich „Vom Himmel hoch“ jeweils in der Fassung von Schein und Praetorius. Man höre sich bloß die Stimmwerck-a-cappella-Fassung von „Der Morgenstern ist aufgedrungen“ den die Gruppe in einem Satz von Praetorius singt an, so müssen die Engel in der Christnacht geklungen haben. Natürlich wartet die CD mit allen Texten zum Mitsingen auf: „Ein Kindelein so löbelich ist uns geboren heute. Von einer Jungfrau säuberlich zu Trost uns armen Leuten...“
Die CD „Weynacht-Gesänge“ mit dem Ensemble „Stimmwerck“ ist zu haben bei Christophorus Records unter der Bestellnummer CHR 77364.
Einen eher festlichen Reigen weihnachtlicher Musik um die Krippe bietet die CD „In nativitate Domini“ („Zur Geburt des Herrn“) die in Salzburg mit dem Kammerensemble Bell’ Arte unter der Leiterin Annegret Seidel und den beiden Sopranistinnen Emma Kirkby und Susanne Ryden eingespielt wurde. Die Britin Emma Kirkby ist eine legendäre Interpretin Alter Musik und hat mit ihrem besonders feinen, fast kindlich-reinen Timbre ihrer Stimme eine ganze Generation von Musikern der Alten-Musik-Szene begeistert.
Ähnliches gilt für die Amerikanerin Susanne Ryden, die auch zu den hochkarätigen Interpretinnen Alter Musik im Originalklang zählt und mit fast allen großen Dirigenten und Ensembles in diesem Genre schon zusammenarbeitete.
Die Gruppe Bell’ Arte ist mit 2 Violinen, 2 Viole-da-gambe, Violone sowie Orgel und Theorbe kammermusikalisch aufs Beste besetzt. Die CD beginnt mit der musikalischen Verkündigung der Weihnachtsgeschichte, einer liturgischen „Sonata Laetitiae“ des böhmischen Komponisten Pavel Joseph Vejvanovsky (1640-1693) die Freude über die Geburt Christi ausdrücken soll.
Es folgt die frohe Botschaft der Engel „Ich verkündige euch große Freude“ in einem Madrigal Konzert von Johann Vierdanck (1604-1646). Der Reigen geht weiter mit einem Satz von Christian Geist (1640-1711) zu „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ den Weihnachtskantaten „Willkommen süßer Bräutigam“ von dem Organisten Vincent Lübeck (1654-1740) und am Ende singen die beiden „englischen“ Stimmen das „Gloria in Excelsis Deo“ („Ehre sei Gott in der Höhe“) des Nürnberger Kirchenmusikers Johann Staden (1581-1634).
Ausführliche Erklärungen zum Programm und eine prachtvolle Aufmachung begeistern bei dieser CD genauso wie die wirklich herrliche Interpretation mit prachtvoller Weihnachtsmusik.
Die CD „In nativitate Domini“ mit dem Ensemble Bell’Arte Salzburg und den Sopranistinnen Emma Kirkby und Susanne Ryden ist zu haben bei Berlin Classics unter der Bestellnummer 0016242 BC.
Die Christmette ist vom Ursprung her das in der Heiligen Nacht gesungene Morgengebet (genannt „Matutin” und „Laudes”) der Kirche zum Weihnachtsfest, die aber auch schon bald am späten Heiligen Abend stattfand. Heute ist damit meist die Heilige Messe gemeint, die zu Weihnachten in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember gefeiert wird. Die Christmette beginnt traditionell um Mitternacht, in vielen Pfarrgemeinden allerdings auch schon um 22 oder 23 Uhr. Bis zum 17. und 18. Jahrhundert fand diese Mette meist am frühen Weihnachtsmorgen statt.
Der britische Alte-Musik-Forscher und Dirigent Paul McCreesh wagte sich bereits 1993 an ein faszinierendes Projekt. Er sammelte sein Gabrieli Consort & Players mit den besten Musikern und Vocalisten der Insel, um eine Lutherische Christmette „Mass for the Christmas Morning“ aufzuführen, wie sie mit der Musik von Michael Praetorius um 1620 hätte stattfinden können.
Praetorius (1571-1621) war ein echter „Hitschreiber“ seiner Zeit. Wir haben ihn schon mal in anderem Zusammenhang in unserer Klassik Kompass Reihe mit seiner Tanzmusik („Terpsichore“) vorgestellt die an den Höfen des Frühbarock überall aufgeführt wurde – Popmusik im echten Sinne wie der „Gangnam“ von Psy aus Korea heute.
Praetorius hat außerdem unendliche Bände von Weihnachtsmusik veröffentlicht, viele unser bekanntesten Weihnachtslieder stammen von ihm. So bot es sich für McCreesh an diese Quelle für sein hochambitioniertes Rekonstruktionsprojekt zu nutzen. Der Brite fand in der dänischen Roskilde Kathedrale den idealen Aufführungsort. Diese Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist mit einer hervorragend restaurierten, niederländischen Renaissance Orgel von 1565 ausgestattet. Kurzum – Mc.Creesh lud sogar die Bevölkerung Roskildes ein, als „Kirchenchor“ bei den Tutti-Chorälen mitzuwirken. Diese Aufnahme der Christmette ist bis heute unerreicht in ihrer Authentizität. McCreesh gelang es in der Tat ein originales „Klangbild“ des Frühbarock zu rekonstruieren, der Lutherischen Liturgie folgend mit allen Lesungen zum Christfest und geistlichen Konzerten sowie Weihnachtschorälen. Es gelangen zur Aufführung Praetorius-Saetze der Lieder „Christum wir sollen loben schon“, „Puer natus in Bethlehem“ „Vom Himmel hoch“ – das Lutherische Credo „Wir glauben all’ an einen Gott“ die Motette „Jesaja dem Propheten das geschah“ und natürlich „In dulci jubilo“ als krönender Abschluss. Außerdem Auszüge aus einer „Missa gantz teutsch“ des Wolfenbütteler Meisters. McCreesh benutzte eine geniale Aufnahmetechnik die den Hörer direkt in die Kirchenbank setzt. Wer also die diesjährige Christmette zuhause erleben möchte, wie sie im norddeutschen Frühbarock vom Prächtigsten zelebriert wurde – hier ist die Gelegenheit. Noch ein Tipp, am besten ist die Sound-Wirkung unter hochkarätigen Kopfhörern.
Die CD „Christmette“ mit dem Ensemble Gabrieli Consort & Players unter Paul McCreesh ist zu haben bei Archiv DGG Records unter der Bestellnummer 439 250-2.
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