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Seitdem hat sich viel verschoben und verwoben. Unmerklich, doch unaufhaltsam verläuft immer weniger auf der Leinwand oder dem Bildschirm nach irgendwelchen sicheren, nachvollziehbaren Regeln. Filme, von denen man erwartet, dass sie entspannen, spannen oder unterhalten, tun vor allem eins: sie überraschen ganz ungemein.
Das gilt sogar für Werbespots. Verstehen Sie jeden?

Vor allem ältere Leute, jene, die mit den ursprünglichen festen Gesetzen für Gut und Böse, Erlaubt und Verboten ins Kino gehen lernten, haben oft größere Probleme:
„Was macht der da und wer ist das überhaupt - ? Wo sind die gerade? Und warum schlägt der so auf den ein?“
Die Standartantwort könnte meist lauten: „Weiß ich auch nicht. Warte mal ab, irgendwann ergibt es sich wahrscheinlich.“
Das gilt für die meisten Filme wie für Fernsehspiele, sogar für den guten alten Tatort, in dem ja nicht mehr vorrangig der Mörder gesucht, sondern eher das problematische Sozialleben der Kommissare beleuchtet wird. (Was absolut kein Vorwurf sein soll; mir gefällt das.)

Drehbuchautoren und Regisseure trauen es ihrem Publikum inzwischen einfach zu, auch und gerade unter erschwerten Bedingungen zusammen zu dröseln, worum es geht. Bei Menschen unter 30 klappt das übrigens meistens. Man denkt, sie haben nichts mitbekommen, weil sie während des Films zwei SMS verschickten, aber sie können meist phantastisch erklären, ‚was der da macht und warum’, weil sie mit dieser Art der Dramaturgie aufgewachsen sind.
Das Muster seit zehn oder fünfzehn Jahren verläuft so: zuerst wird eine ganze Reihe aufregender oder sonderbarer Ereignisse mit verschiedenen Personen gezeigt. In welcher Beziehung sie zueinander stehen, gilt es selbst aufzudecken. In der Zeit wird ohne Warnung vor- und zurückgesprungen, mit etwas Konzentration und Kombinationsgabe sollte es möglich sein, das Muster und den Sinn dahinter zu entschlüsseln. Besonderes Glück hat man, wenn der Filmschaffende intelligent ist und selbst weiß, was er da sagen will. Dann ist der Zusammenhand sogar noch leichter zu erkennen.
Überall ist intensives Mitdenken nötig.

Irgendwann, meist nach etwa 15 bis 20 Minuten, klärt sich einiges.
Manchmal auch nicht. Dann ist der Film wie ein Krach in der Nachbarwohnung eines soliden Altbaus: Gebrüll und Türenknallen, man versteht etwa jedes sechste Wort und hat zum Schluss den Eindruck, es könnte sich um Keramik und Mausefallen gedreht haben. Oder auch nicht.
Es muss eben nicht alles immer gleich so deutlich gesagt werden, das ist völlig veraltet.
Wenn das nicht hilft, unsere verwöhnten und ausgeleierten Gehirnmuskeln zu straffen!

Und es gibt noch eine zweite Errungenschaft der Kultur, die wach hält und zum Denken zwingt.
Das sind die Wasserhähne in öffentlichen Toiletten sowie in erweiterter Form auch die dazugehörigen Seifenspender und die Handtuchautomaten.
Genau wie die Filmkunst waren diese Geräte in der guten alten Zeit berechenbar. Ein Wasserhahn wurde halt aufgedreht, nach dem Uhrzeigersinn, unter Umständen lag sogar ein Stückchen rissiger Seife da und das Stoffhandtuch konnte man mit einiger Körperkraft eventuell aus dem Blechkasten zerren, um ein sauberes Stück zu erwischen.
Dies alles war natürlich sehr unhygienisch und langweilig.

Zunächst entstanden, um das Schmuddelhandtuch zu ersetzen, Gebläsemaschinen, die einem Rheuma in die nassen Hände pusteten. Schließlich entdeckte Irgendwer, dass diese Gebläse wahre Bakterienschleudern darstellten. Gleichzeitig war die Technik soweit, uns viele ungeahnte Möglichkeiten der Handreinigung zu liefern.
Noch hat kein Monopolist das alles aufgekauft, was bedeutet: in jedem Klo wird anders gewaschen. Mal spritzt das Wasser los, sobald man vor das Becken tritt; hin und wieder gibt es unter dem Becken einen Knopf zum drauf Treten; manchmal muss man dem Wasserhahn vor den Augen herumfuchteln, manchmal ihm auf den Kopf drücken oder eine Hand segnend darüber halten. Ähnlich ist es mit den Seifenspendern. Auch Papierhandtücher kommen häufig herausgefaucht, nachdem man grüßend vor ihnen herumgewedelt hat.

Neulich amüsierte ich mich mit einer wildfremden Frau eine halbe Ewigkeit damit, herauszufinden, wie in diesem Ort der Reinigung und Stille denn nun die Technik funktionierte. Den Trick des Seifenspenders knackten wir gemeinsam, der Wasserhahn verweigerte sich uns ebenso wie der Handtuchapparat (vielleicht war er einfach leer), so dass wir am Ende unsere eingeseiften Hände an eigenen Papiertaschentüchern abrieben.
Immerhin war es sehr erheiternd. Und völlig kostenloser Denksport.

Ihre Dagmar Seifert

(Dagmar Seifert ist stellvetrende Chefredakteurin von Kultur-Port.De, Autorin zahlreicher Romane, Drehbücher, Rundfunk-Features und Theaterstücke.)

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