Brahms – Schumann – Mahler: Piano Quartets
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Klavierquartette von Schumann und Brahms, dazu ein Einzelsatz von Gustav Mahler – eine exzellente Kammermusik-Viererbande um Daniel Hope legt jetzt eine Neueinspielung eingängiger und populärer Werke vor. Ideal für Kammermusik(wieder)einsteiger.
Das muss doch nicht sein: Dass man in 14 Seiten Booklet zu einer wirklich gelungenen CD kein Wort über die musizierenden Künstler erfährt. Außer, dass Daniel Hope die 1742 gebaute „Ex-Lipinski“-Guarneri-Violine spielt, eine Leihgabe deutscher Gönner, und dass David Finckel und Wu Han die Intendanten der Chamber Music of Lincoln Center in New York – der größten und aktivsten Kammermusik-Gesellschaft der Welt – sind. Kein Wort über die gewaltige Kammermusikerfahrung, die alle Beteiligten mitbringen. Finckel zum Beispiel als Cellist des vielfach ausgezeichneten Emerson Quartets zwischen 1979 und 2013, und im Cello-Piano-Duo mit seiner Ehefrau, der aus Taiwan stammenden Pianistin Wu Han. Man erfährt auch nicht, dass Paul Neubauer 1983 mit 21 Jahren der jüngste Stimmführer der Bratschen im New York Philharmonic war, bevor er Konzertsolist wurde und als Musikprofessor an der Juilliard School unterrichtet.
Nicht einmal, dass der Violinist Daniel Hope von 2002 bis 2008 Mitglied des berühmten Beaux Arts Trios war, wird erwähnt. Das ist schade, weil es Klavierquartette als feststehende Formationen kaum gibt und man schon gern wüsste, mit welchem Hintergrund die Musiker bei einer solche Aufnahme mitwirken. Denn alle vier machen diese kammermusikalische Zeitreise zu einem großen Erlebnis.
Zeitlich das früheste Stück ist Robert Schumanns in seinem „Kammermusikjahr“ 1842 stammendes Klavierquartett Es-Dur, op. 47, das nach mehrfachen Revisionen, bei denen auch Felix Mendelssohn mithalf, zwei Jahre später im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt wurde – mit Ehefrau Clara am Klavier. Als er es schrieb, war Schumann 32 Jahre alt.
Das Klavierquartett ist dicht und verträumt gewoben, es steckt noch tief in der Tradition des intimen kammermusikalischen Musizierens. Schade, dass das Klavier häufig gegenüber der Violine in der Balance sehr weit ins Hintertreffen gerät. Schumann setzt kraftvolle Akzente, komponiert im Scherzo einen kleinen düsteren Höllenritt, erweist sich aber immer wieder als Meister der großen romantischen Melodiebögen wie im Andante, dem dritten Satz, und beherrscht auch das kontrapunktische, fugierte Schreiben, wie man im vierten Satz gut hören kann.
Knapp 20 Jahre nach Schumann komponierte Brahms sein Klavierquartett-Moll, einen der Hits des Genres. Geschrieben hat er es, damals 28 Jahre alt, in seiner Gartenwohnung in Hamburg-Hamm vor den Toren Hamburgs. Es wurde dann im November 1862 sozusagen seine Visitenkarte als Pianist und Komponist beim Wechsel von Hamburg nach Wien. Und trug ihm hohe Anerkennung ein; Josef Hellmesberger senior, damals Konzertmeister des Wiener Hofopernorchesters, soll begeistert ausgerufen haben: „Das ist der Erbe Beethovens!“ Deutlich später formulierte Arnold Schönberg beim Anhören des genialen und eingängigen Hauptthemas des ersten Satzes lakonisch: „Leider nicht von mir.“
Brahms wusste, wie man dem Affen Zucker gibt
Brahms kannte natürlich die Czárdás-Kapellen der Hauptstadt Wien, hatte Freunde ungarischer Abstammung – zum Beispiel den legendären Geiger Joseph Joachim, der später sein Violinkonzert uraufführen wird. Brahms verwendet in seinem Klavierquintett, das Joachim bewunderte, etliche Male Stilmittel, die mit der Zigeuner-Musik zu assoziieren sind – melodische Anklänge im Volkston, Bordun-Passagen, rhythmische Elemente. Er baut aus ihnen aber durchaus Stücke im großen, eher orchestral gedachten, symphonischen Gestus.
Ein Scherzo hat er nicht geschrieben, der zweite Satz verbreitet eine erwartungsvoll erregte Atmosphäre, die nicht aufgelöst wird. Ein Intermezzo, dem das wunderbar gesanglich-melodiöse Andante folgt, aus dem heraus dann aufwühlende Passagen aufgetürmt werden. Und zaubert dann einen hinreißenden Übergang zurück ins Andante. Um am Ende mit dem Rondo alle Zingarese einen Rausschmeißer von überschaubarer Komplexität, aber sicherer Wirkung vorzustellen. Brahms’ ungarische Tänze lassen grüßen – mehr Klavierquartett geht eigentlich nicht.
Der Youngster auf dieser CD ist Gustav Mahler mit einem Jugendwerk, das er im Alter von 16 Jahren schrieb, als er gerade sein Studium im Wiener Konservatorium begann. Sein Quartettsatz in a-Moll entstand 1876. Ein komplettes weiteres Klavierquintett Mahlers ging auf dem Postweg verloren, als er es nach Russland zu einem Wettbewerb einschickte. Der als Einzelstück erhaltene a-Moll-Satz steht direkt und vielleicht noch etwas brav in der Brahms-Tradition, gibt sich sehr melodiös, findet delikate Harmonien, tastet sich hier und da sogar sehr behutsam in die Nähe der Grenzen der Tonalität, das Klavier ist überwiegend Klangfarbenlieferant, der die Streicher mit Volumen unterfüttert. In zwei Pizzicato-Akkorden klingt der Satz überraschend aus.
Der Aufnahme von Hope, Neubauer, Finckel und Wu Han merkt man an, wie sehr den Musikern das feine Aufeinander-Reagieren in kammermusikalischen Zusammenhängen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Es sind durchweg süffig, gleichwohl detailfein und gefühlvoll gespielte Aufnahmen, die den Zuhörer bis zur letzten Note fesseln. Dass es Live-Aufnahmen aus zwei Konzerten sind, ist bei dem hohen Aufnahme-Standard einzig an dem Schlussapplaus nach dem Rondo alla Zingarese zu hören.
Brahms – Schumann – Mahler: Piano Quartets
Daniel Hope, Paul Neubauer David Finckel, Wu Han.
CD Deutsche Grammophon
479 4609
Hörprobe
Abbildungsnachweis: Brahms – Schumann – Mahler. Collage: Claus Friede
CD-Cover
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment