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Klartext: Dirk Meyhöfer - Peute

Hört auf Euch zu belügen!
Der Fall Peute macht wieder deutlich: Wenn Kultur und Wirtschaft in Hamburg miteinander um ein Problem ringen, steht der Verlierer von Beginn an fest!

Stopp! Am liebsten würde ich sofort eine einstweilige Verfügung erreichen, dass die Freie und Hansestadt sich in Zukunft nicht mehr als Kulturstadt bezeichnen darf; weder für Hochkultur oder für künstlerisch Kreativen, selbst mit den Baukultur hapert´s gewaltig. Hamburg darf sich gern mit dem Pfeffersäckischen schmücken, das ist okay – das ist die banale Wahrheit.

Was ist geschehen? Es schwelt ein Konflikt in dieser Stadt zwischen Denkmalschutz und HPA (Hamburg Port Authority). Ein Stellvertreterkrieg zwischen Kulturbehörde und Wirtschaftsbehörde. Es geht um den „Wilden Osten“ Hamburgs, um die Peute, wo ein stattliches Ensemble aus Zentrallager und Fabrikgebäuden der ehemaligen GEG (Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Consumvereine mbH), zwischen 1925-1927 errichtet wurde. Fast das letzte seiner Spezies, das vom staatlichen Denkmalschutz entsprechend gewürdigt wurde.
Diese Einrichtung bildete neben den Parteien und den Gewerkschaften eine wichtige Säule der Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts. Hier wurden Fleisch und Honig, Tabak und Schokolade oder Zahnpasta, produziert und gelagert, die im „Konsum“ preiswürdig verkauft wurden.

Mit einem dringend benötigten zentralen Kulturspeicher wurde eine geniale neue Nutzung für das Ensemble gefunden, viele Kreative arbeiteten bereits dort, die meisten von ihnen sind gerade entmietet worden.
Kann sich das sozialdemokratische Hamburg leisten, seine eigene Kulturgeschichte zu amputieren?

Eine Stadt zerstört ihr Erbe“, titelte die TAZ im Sommer richtig, weil die HPA hier schon denkmalgeschützte Bauten abgerissen hatte, (was unter Strafandrohung steht). Jetzt will die HPA, die das Areal der GEG auf der Peute 2010 von einer Immobiliengesellschaft gekauft hat, noch viel mehr abreißen. Und die Kulturbehörde stimmt zu. Geplant sind der Bau und die Vermietung langweiliger Logistikhallen. Denn Hamburg will beinahe um jeden Preis bestehende Hafenflächen weiter vordringlich gewerblich nutzen, auch wenn es den Abriss von Industriebaukultur bedeutet. Dieser Autismus und die ständige Betonung, dass eben der Hafen Seele und Herz, damit auch die „zentrale Pumpstation“ Hamburgs seien, verhindern darüber nachzudenken, was Hamburg in Zukunft wirklich braucht. In der ehemaligen GEG-Margarinefabrik und Kaffeerösterei gegenüber wird seit beinahe 30 Jahren in privater Regie bewiesen, wie gut dort Kreative, Hafenwirtschaft und Logistik plus Denkmalpflege zusammenwirken.

Warum nicht auch hier? Und warum knickt gerade jetzt die Kulturbehörde ein? Der dringend benötigte zentrale Kulturspeicher für die Exponate von vier stadthistorischen Museen ist ein idealer Baustein zur Rettung. Gut unterrichtete Kreise reden gar von einem bereit stehenden privaten Investor. Stattdessen fehlt kreativer Mut in der angeblichen Stadt der Kreativen. Der Denkmalschutz wird nicht für voll genommen, oder ausgetrickst – aber es geht gar nicht um den Denkmalschutz allein. Wir brauchen Strategien für die lebendige Kultur-, Arbeits- und Wohnstadt des 21. Jahrhunderts. Eine neue Planungskultur muss her, eine die aus der Vergangenheit für die Zukunft lernt. Damit haben wir die große Chance diesen Wilden Osten des ehemaligen industriellen Kerns von Hamburg zur Schutzzone und zum Biotop für die Stadt des 21.Jahrhunderts zu erheben und sinnvoll zu entwickeln und nicht nur seine Bauten zu misshandeln. Kulturlager, Kreativbranche und Gewerbe können hier zusammenfinden. Man könnte wie früher in den alten Hallen, vertikal organsiert produzieren oder innovative Manufakturen für andere Zukunftsprodukte ansiedeln. In Berlin und aller Welt forscht man darüber bereits, wie das wirtschaftlich funktionieren könnte. Und in Hamburg baut man triviale Lagerhallen...

Ihr Dirk Meyhöfer 


Dirk Meyhöfer (Dipl.-Ing.) studierte Architektur an der TU Hannover. Bis 1987 Redakteur „Architektur und Wohnen“, seitdem selbständiger Architekturkritiker, Publizist und Ausstellungsmacher in Hamburg. Er ist Herausgeber des Architekturjahrbuchs Hamburg und schreibt regelmäßig über Stadt, Architektur und Design in Schlüsselmedien und Fachzeitschriften sowie für den DLF. Seit 2000 Lehraufträge über das Verhältnis von Schreiben und Baukunst.

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