Klartext

Anlässlich einer neu angebahnten Kooperation mit der School of Arts der Universität Haifa und dem Deutschen Fördererkreis der Universität Haifa e. V. präsentiert die Hochschule für bildende Künste Hamburg die Ausstellung WE ONLY SEE WHAT LOOKS AT US der Künstlerinnen Sharon Poliakine (Dekanin der School of Arts, Universität Haifa) und Birgit Brandis (HFBK Hamburg) gemeinsam mit 11 Studierenden als Ergebnis eines intensiven künstlerischen Austauschs.

 

Die Ausstellung ist der Auftakt zu einer langfristig angelegten Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen in Haifa und Hamburg, in deren Mittelpunkt der Austausch von Lehrenden – Prof. Sharon Poliakine ist die erste Gastprofessorin in diesem Rahmen – und Kunststudierenden im Rahmen von Workshops, Seminaren und Ausstellungen steht. Der Kooperationsvertrag wird zur Ausstellungseröffnung am 17. April 2024 unterzeichnet.

 

Dr. h.c. Sonja Lahnstein-Kandel, Initiatorin des Kooperationsvertrages zwischen der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der School of Arts an der Universität Haifa traf sich mit Ruth Asseyer von KulturPort.De vor der Ausstellungseröffnung zu Interview:

 

Ruth Asseyer (RA): Die Kooperation der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK) mit der Universität Haifa geht wesentlich auf Ihre Initiative zurück. Was war Ihr Impuls, sich dafür zu engagieren?

 

SonjaLahnsteinKandel Haifa Hamburg TIM0032Sonja Lahnstein-Kandel (SLK): Ich engagiere mich schon seit einem Viertel Jahrhundert für die Universität Haifa, ich bin selber jüdisch. Nachdem ich lange in den USA gearbeitet hatte und wieder nach Deutschland kam, stellte ich fest, dass es hier Antisemitismus gibt. Eigentlich dachte ich, das sei vorbei. Ich habe nach einem Engagement gesucht, um irgendeine Brücke zu bauen nach Israel. Und da bin ich auf die Universität Haifa gekommen. Sie liegt im Norden Israels und ist die jüngste Universität des Landes, sie hat gerade ihr 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Wie keine andere Institution in Israel steht sie für Koexistenz und Verständigung, weil ungefähr 40% der Studierenden arabische Israelis sind.

Zunehmend habe ich mich auch in Deutschland gegen Antisemitismus eingesetzt. Und ich war doch sehr verärgert und enttäuscht und traurig, als ich hörte, dass hier an der HfbK in Hamburg Vertreter des Künstler-/Kuratorenteams „Ruangrupa“ Gastprofessuren bekommen haben. Die waren zwar vom DAAD (Deutscher akademischer Austauschdienst) eingerichtet worden, aber ich hatte die Vorstellung, dass letztlich der Präsident der Hochschule die Entscheidung darüber in der Hand hat. Ich habe dagegen ziemlich lautstark protestiert.

Dann ist etwas passiert, was ich nicht erwartet habe. HfbK-Präsident Martin Köttering ist in einer Theaterpause auf mich zugekommen und hat gesagt: könnten wir mal reden? Ich hatte mir vorher vorgenommen, nie mit ihm zu sprechen. Aber dann haben wir das trotzdem geschafft, und in vielen Gesprächen, die nicht einfach waren, haben wir uns ausgetauscht. Jeder hat was gelernt. Dann haben wir gesagt, es muss etwas passieren, wir können das nicht so stehen lassen. Da hatte ich diese Idee: warum nicht eine Gastprofessur von der Uni Haifa?

 

RA: Was waren denn die größten Widerstände, die Sie überwinden mussten?

 

SLK: Ich glaubte ja, dass es eine antisemitische Handlung war, diese Ruangrupa-Vertreter hier lehren zu lassen. Und ich habe mich davon überzeugen lassen, dass es dafür auch künstlerische und andere Gründe gab. Wir sind uns da zwar nicht einig geworden, aber wir sind uns einig geworden, dass wir ein anderes Signal setzen wollen.

Äußere Widerstände gab es eigentlich kaum. Es gab unversöhnliche Stimmen, die gesagt haben: die HfbK ist für immer abgestempelt, mit der darf man nie wieder etwas zusammen machen. Das sehe ich so nicht.

Ich verstehe diese Kooperation als eine total kleine, aber feine und sehr konkrete Chance zu zeigen, wie es geht, eine Brücke nach Israel zu bauen, und zwar zur Zivilgesellschaft! Es geht ja nicht um irgendeine Bejahung einer Regierung oder was sie tut. Und auf der anderen Seite steht hier die Kulturszene, in der es z.T. große Widerstände gibt, israelische oder jüdische Künstler einzuladen.

 

RA: Sie haben gesagt, wir müssen jetzt mal ein anderes Signal setzen. Wie würden Sie das inhaltlich beschreiben?

 

SLK: Das Signal ist, dass Misstrauen und die Widerstände überwunden werden. Auch an der HfbK ist es nicht anders als in der sonstigen Kulturszene, da gibt es eben sehr große Vorbehalte gegenüber Israel, Kriegsführung, Gaza-Krieg, überhaupt Besetzung. Zum Teil kann ich dem auch zustimmen. Aber wenn es an das Existenzrecht Israels geht, gibt es für mich nichts zu rütteln. Und insofern ist es ein Signal, wie Zivilgesellschaften zusammenarbeiten können und wie konkret das sein kann.

Martin Köttering ist sofort nach Israel gefahren und hat die Uni Haifa besucht. Den Kontakt habe ich hergestellt zu Sharon Poliakine, der Dekanin der School of Arts an der Uni Haifa, die mit der HfbK-Professorin Birgit Brandis in Hamburg zusammengearbeitet hat. Die beiden haben mit Studierenden einen Workshop zum Thema Druckgrafik veranstaltet und in nur ein paar Tagen eine gemeinsame Ausstellung geschaffen. Das ist doch toll!

 


WE ONLY SEE WHAT LOOKS AT US

mit Arbeiten von Sharon Poliakine (Universität Haifa), Birgit Brandis (HFBK Hamburg) und Studierenden

Zu sehen bis 8. Mai 2024 im ICAT der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK), Lerchenfeld 2, 22081 Hamburg
Geöffnet täglich 14 – 18 Uhr, montags geschlossen

25. April, 17 Uhr: Führung und Gespräch mit Birgit Brandis und Studierenden der HFBK Hamburg

Weitere Informationen (HfbK)

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